Nur Arbeit, kein Vergnügen? Nicht mehr. Internet, mobile Technologien und Coworking Spaces erlauben es immer mehr Reisenden, ihr Geld unterwegs zu verdienen. Für diese „digitalen Nomaden“ ist die Welt der Auftrag und das Büro überall.
Das Konzept „Bleisure“ (englisch für die Vereinbarkeit von „business“ und „pleasure“) ist nicht neu, aber die wachsenden Möglichkeiten, online zusammenzuarbeiten, eröffnen neue Perspektiven des Arbeitens aus der Ferne – nicht nur für die, die Business Class fliegen. Anfangs handelte es sich bei diesen „digitalen Nomaden“, „e-Workern“ und „Backhackern“ (o. k., letzteren Spitznamen haben wir uns jetzt ausgedacht) meist um Kreative, Akademiker oder IT’ler. Autoren tippten an einem thailändischen Strand vor sich hin, Grafiker gestalteten in einem Café in Amsterdam, und Entwickler programmierten buchstäblich im Flug. Mittlerweile entdecken aber mehr und mehr Berufszweige den Vorteil der Fernarbeit für sich. Laut einer Forbes-Studie sind 34 % der Amerikaner selbstständig, bis 2020 sollen es 40 % werden. Und die Wirtschaftskrise 2008 schuf ganz nebenbei ideale Rahmenbedingungen für ein Zeitalter der Freiberufler. Mobile und Cloud- Technologien sowie soziale Netzwerke wie Facebook und LinkedIn ebnen den Weg dafür.
Noch vor zehn Jahren brauchte jeder, der sich selbstständig machen wollte, vor allem Kontakte – und zwar in Massen. Heute eröffnen digitale Marktplätze Anbietern und Abnehmern weltweit die Möglichkeit zum Austausch. Anfangs arbeiteten so vor allem Millenials und Mittzwanziger, die sich „einmal um die Welt jobben“ wollten. Heute ist das Modell aber in allen Altersklassen verbreitet: Halbpensionierte schaffen sich im Ausland ein neues Standbein, junge Weltreisende bessern die Reisekasse auf, junge Familien gehen eine Zeit lang in die Ferne – die Grenze zwischen Arbeit und Reiselust verschwimmt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man sieht etwas von der Welt, ohne Pleite zu gehen. Aber es gibt auch Nachteile: Unsicherheit, Liquiditätsprobleme und keine geregelten Arbeitszeiten sind nur ein paar Beispiele. Oft übersehen wird auch, dass man einen Ort nicht wirklich genießen kann, wenn man ständig am Computer hängt. Zeitmanagement ist also wichtig – um unterwegs genug Muße zu haben, das Land zu erkunden.
Heute kann nahezu jeder Platz als Arbeitsplatz genutzt werden – die Hotellobby, ein Café oder einfach die nächste Parkbank. Große Neuerung sind die Coworking Spaces, in denen Arbeitslustigen alle Annehmlichkeiten eines Büros zur Verfügung gestellt werden: unbegrenztes Wlan, Drucker und natürlich kostenloser Kaffee. In solchen Gemeinschaftsbüros haben Freiberufler die Möglichkeit, ihre Ideen mit Gleichgesinnten zu diskutieren. Arbeitsplätze können meist für einen Tag, einen Monat oder ein ganzes Jahr gemietet werden. Coworking-Netzwerke wie Copass und WeWork wachsen in Lichtgeschwindigkeit und neue Coworking Spaces schießen in Städten rund um den Globus aus dem Boden. In Hipster-Zentren wie New York, London, Berlin und Amsterdam ist das Angebot besonders groß, aber auch beliebte Backpacker-Ziele rücken nach. Dank niedriger Lebenshaltungskosten, internationaler Schulen und der offenen Expat-Gemeinde stehen Ubud in Bali und Medellín in Kolumbien bei Freiberuflern hoch im Kurs. Chiang Mai in Thailand entwickelt sich dank des milden Klimas und der ausländerfreundlichen Infrastruktur ebenfalls zum Zentrum für digitale Nomaden; die Stadt wird im Februar 2017 die Coworking Unconference (www.cuasia.co) ausrichten.
Text: Dan Savery Raz
Lonely Planets
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