Kenner haben die Azoren seit langem auf dem Radar attraktiver Reiseziele. Nicht nur die Anerkennung durch die UNESCO als Weltkulturerbe hat dazu beigetragen. Und doch sind die Azoren noch vom Massentourismus verschont - wir sagen, was es zu entdecken gibt.
Die meisten Menschen wissen immer noch wenig von diesem weit verstreuten Archipel mitten im Atlantik. Dabei ist es schwer, sich einen Ort vorzustellen, der noch besser geeignet ist für Naturliebhaber, Fans von Abenteuersportarten und alle, die auf der Suche nach nachhaltigem Tourismus sind.
Als ob das nicht verlockend genug wäre, gibt es einen weiteren Grund, diese autonome Region Portugals zu besuchen: In den letzten Jahren wurden die Flugverbindungen zu den Azoren aufgestockt. Das bedeutet mehr Fluggesellschaften, größere Auswahl und günstigere Tarife für Reisende, die dieses bezaubernde Eden erreichen wollen.
Die neun Azoreninseln ragen als Spitzen riesiger Unterwasservulkane aus dem Atlantik. An der Schnittstelle der europäischen, amerikanischen und afrikanischen tektonischen Platten zeugen sie von den immensen Kräften, die unseren Planeten prägen. Sie bilden eine einzigartige und atemberaubende Vulkanlandschaft. Aus unzähligen Fumarolen tritt heißer Dampf aus. Quer über die Inseln verteilt befinden sich blubbernde Vulkanschlammlöcher und heiße Quellen. Von den zerklüfteten Bergen ergießen sich reißende Wasserfälle in tiefe Kraterseen, aus denen sie in den Atlantik weiter strömen. Höhlen und Grotten aus erstarrtem Lava, blaue Seen, die von Lorbeer- und Zedernwäldern umgeben sind, grüne Wiesen, die die Hänge der Calderas bedecken – all das und noch mehr bieten die Azoren.
Die drei größten Calderas Graciosa, Flores und Corvo wurden von der UNESCO als Biosphärenreservate geschützt. Außerdem befinden sich auf dem Archipel 13 schützenswerte Feuchtgebiete. Sie sind Lebensraum seltener Wasser- und Watvögel. Über 30 Strände tragen das Umweltsiegel für außergewöhnlich saubere und sichere Strandlandschaften, die Blaue Flagge. Aus der Kombination mineralhaltiger Böden und subtropischem Klima, beeinflusst vom warmen Wasser des Golfstroms, ist ein Lebensraum für üppige Fauna und Flora entstanden: Ein wahrer Garten Eden.
Im Bewusstsein um ihre außergewöhnliche Landschaft sind die Bewohner der Azoren auf die Erhaltung ihrer Schätze bedacht: Nur fünf Prozent des Landes sind besiedelt. Der Rest ist ein Patchwork aus Landschaftsschutzgebieten und Meeresschutzgebieten. Zudem hat es sich die Regionalregierung zum Ziel gemacht, bis 2018 bereits 75 Prozent des benötigten Stroms aus erneuerbaren Energien zu erzeugen.
Es ist also kein Wunder, dass die Azoren von "Quality Coast" zur weltweiten Top-Destination für nachhaltigen Tourismus ernannt wurden. Tatsächlich ist das Archipel der einzige Ort auf der Welt, der mit dem Platin Award ausgezeichnet wurde. Das ist die höchste Auszeichnung der Organisation, deren Zertifizierungsprogramm von der Europäischen Kommission unterstützt wird.
Der Archipel ist ein Zuhause oder zumindest ein Boxenstopp für etwa ein Drittel aller Walarten. Aufgrund des stabilen Jahresklimas tummeln sich ganzjährig Pottwale und unterschiedliche Delfinarten vor den Küsten. Zahlreiche andere Meeressäuger passieren die Inselgruppe auf ihren Wanderrouten. Der spektakulärste unter ihnen ist der Blauwal, das größte Säugetier auf unserem Planeten. Daher sind die Azoren ein echter Geheimtipp für Reisende, die aus der Nähe Wale und Delfine beobachten wollen.
Nachhaltigkeit bedeutet für die Bewohner der Azoren, den Tourismus sanft und verantwortungsvoll zu regulieren. Das gilt auch für die Beobachtungstouren entlang der Atlantikküste zu den Walen und Delphinen. Ein Verhaltenskodex regelt, wie viele Boote sich in der Nähe eines Wals aufhalten, aus welcher Richtung sie sich nähern und wie lange sie den Meeressäuger beschatten dürfen.
Es ist noch nicht lange her, dass sich die Menschen mit Harpunen bewaffnet statt mit Kameras den Tieren näherten. Im 18. Jahrhundert waren es die Amerikaner, die den Walfang einführten. Noch bis 1987 spielte die Walfangjagd eine große Rolle in der Wirtschaft des Archipels. Dienten die Vigia, die Wachtürme entlang der Küste, einst zur Jagd auf die Leviathen des Meeres, steuern sie nun die Touristenboote auf ihren Beobachtungreisen. Das Walfangmuseum auf Pico und die Walfangstation in Porto Pim auf Faial erzählen eindrucksvoll von der Geschichte der Wallfangindustrie und ihrem Niedergang.
Aus der Tiefe des Atlantiks steigt nährstoffreiches Wasser und fördert das Wachstum zahlreicher Lebensformen, die wiederum Wale anziehen. Deshalb zählen die Azoren zu den besten Tauchspots im Atlantik. Das zwischen 17 und 24 Grad Celsius aufgewärmte Meer wimmelt geradezu von beeindruckendem Leben. Ebenfalls phänomenal: Die Sicht im azurblauen Wasser beträgt zwischen Mai und Oktober bis zu 30 Meter.
Die Azoren sind daher ein wahres Eldorado für Taucher. Das Kaleidoskop der Unterwassertierarten ist außergewöhnlich vielfältig. Von Barrakudas über Teufelsrochen, Unechte Karettschildkröten bis hin zu Pantoffelhummern reicht die Palette der vor den Küsten heimischen Arten, entstanden durch die außergewöhnliche Vielfalt an Lebensräumen.
In den jadegrünen Buchten tummeln sich Lippfische, Steinfische und Muränen. Marlin, Thunfisch und Hai wirbeln um die Gipfel kaum untergetauchter Vulkane. Zackenbarsche patrouillieren an den Wänden der Unterwasserklippen. Kleinere Fische finden Zuflucht in Höhlen aus Lavaröhren. Auch die Schiffswracks, von denen zahlreiche auf dem Meeresboden liegen, sind Heimat unzähliger Meeresbewohner.
Auf allen Inseln außer São Jorge und Corvo bieten zertifizierte Tauchzentren Ausflüge in die faszinierende Unterwasserwelt an.
Aufgrund des milden Klimas, des warmen Wassers und der atemberaubend schönen Küstenlandschaft sind die Azoren bei Wassersportlern sehr beliebt. Segler lassen sich Wind und Wellen ganzjährig auf zahlreichen Regatten um die Nase wehen. Horta, der Hauptort von Faial, ist das kosmopolitische Zentrum dieses transatlantischen Segelverkehrs. Sein Yachthafen ist zu einer beeindruckenden Open-Air-Galerie von Wand- und Bodengemälden geworden. Sie wurden und werden von abergläubischen Crews gemalt, bevor sie auf ihre Reisen gehen.
Auch bei Surfern sind die Azoren ein Geheimtipp. Santa Maria und São Miguel haben verlässliche Strand- und Point Breaks, ideale Bedingungen zum Wellenreiten. Beliebt sind auch die Fajãs von São Jorge, wo der Atlantik auf Riffe stürzt. Auch Windsurfer, Kajakfahrer und Stand Up Paddler finden an den Küsten des Archipels Traumbedingungen. Und wer ruhigere Gewässer bevorzugt, kann in von Lava geformten Höhlen schwimmen, in die das Meer azurblau hineinfließt.
Jeder, der sich für Geologie interessiert, findet sich auf den Azoren in seinem Element wieder. Die Topographie der Inseln spiegelt auf faszinierende Weise den vulkanischen Ursprung wider. Dabei gibt es weit mehr zu sehen als Krater und Kegel. Auf den Inseln befinden sich tief verzweigte Höhlensysteme, ungewöhnliche Felsformationen, heiße Quellen und eindrucksvolle 'Mistérios', wie die mit Lava bedeckten Landstriche genannt werden. Der Vulkan Capelinhos, der erst 1957 vom Meeresboden vor Faial aufstieg, ist einer der am besten dokumentierten Vulkane der Welt. Damals wanderte die Mehrheit der 2.000 ehemaligen Einwohner in die USA aus, nachdem sie ihre verschütteten Häuser verlassen mussten. Die Vereinigten Staaten verzichteten sogar auf die Green Card, um die von der Naturkatastrophe Vertriebenen aufzunehmen. Ein Informationszentrum unterhalb des halb verschütteten, inzwischen verlassenen Leuchtturms erläutert anschaulich die verheerenden seismischen Erdkräfte.
2.351 Meter hoch ist der Vulkan Ponta do Pico und damit der höchste Gipfel Portugals auf der gleichnamigen Insel Pico. Schwefeldämpfe aus den Fumarolen am Gipfel lassen nicht vergessen, dass der Vulkan im Moment nur schläft. Auch der Pico gehört zu den am besten überwachten Vulkanen weltweit. Eine Wanderung führt hinunter in eine der längsten Lavaröhren der Welt, die Gruta das Torres bei Criacão Velha. Da die Höhlen nicht ungefährlich sind, sollten sie nur mit einem Führer begangen werden. Dort befinden sich seltene Stalagmiten aus Lava in bizarren Formen, die Bänken, Bällen und Seilen ähneln.
Abgesehen von einem schönen See beeindruckt der kleine Ort Furnas auf São Miguel Reisende mit dampfenden Fumarolen und blubbernden Vulkanschlammlöchern. Für die Einwohner der Azoren ist das nichts Ungewöhnliches. Sie nutzen die Thermalwärme, um ihren traditionellen Cozido, einen Eintopf aus Fleisch und Gemüse, zuzubereiten. Probieren lohnt sich, und auch wenn die Schweineohren zunächst gewöhnungsbedürftig sind, schmeckt es hervorragend. Das Terra Nostra Garden Hotel kocht beispielsweise ausgezeichnet. Und nach dem Essen lockt das Thermalbecken im angrenzenden botanischen Garten zu einem Entspannungsbad.
Wenn die Bedingungen stimmen, ist der dreistündige Aufstieg auf den Ponta do Pico das eindrucksvollste Wandererlebnis der Azoren. Die Besteigung erfordert allerdings eine gute Kondition, geeignete Wanderbekleidung, einen Bergführer oder zumindest ein GPS. Wenn der Pico einmal nicht seinen berühmten Wolkenhut trägt, wird der atemberaubende Sonnenaufgang zu einem unvergesslichen Erlebnis. Für weniger trainierte Bergwanderer gibt es ein Angebot aus etwa 60 markierten Wegen, welche die beeindruckende Landschaft der Inseln durchkreuzen.
Die beiden Kraterseen der Sètes Cidades auf São Miguel zu besuchen, ist ein weiteres Highlight. Die zweistündige Wanderung vom Aussichtspunkt Vista da Rei bis zum Grund der Caldera gilt als eine der beliebtesten Fußtouren auf den Azoren. Nur eine Wanderung hinunter zum Ufer des nebelverhangenen Lagoa do Fogo kann das Erlebnis noch toppen. Die Insel São Jorge mit ihrem steilen Bergkamm ist ebenfalls ein Paradies für Wanderer. Wer nach etwas ganz Außergewöhnlichem sucht, wird auf Flores fündig. Der westlichste Punkt Europas ist ein echter Jurassic Park. Sogar die Bewohner der anderen Azoreninseln loben seine Schönheit.
Es könnte durchaus sein, dass sich die eingefleischten Fans des Abenteuersports auf den Azoren vor die Qual der Wahl gestellt fühlen. Die unzähligen Wasserfälle, die in tiefe Schluchten und Kraterseen einfallen, sorgen für ein Canyoning der Weltklasse. Auf den Inseln São Miguel, Santa Maria, São Jorge und Flores gibt es mehr als 50 empfohlene Routen: von ruhigen Gewässern für Anfänger bis hin zu haarsträubenden Abfahrten für Profis.
Sowohl passionierte Pferdesportfreunde als auch Mountainbiker finden auf dem Archipel vielfältigste Angebote. Beide Transportmittel passen gut zum umweltfreundlichen Ethos und nachhaltigem Tourismus der Inseln. Gut ausgerüstete Reitställe befinden sich in São Miguel, Terceira und Faial. Ebenfalls auf São Miguel, Faial und Terceira, aber auch auf den Inseln Santa Maria, São Jorge, Pico bieten zahlreiche Radverleihe eine Bandbreite von Modellen für jeden Spaß – egal ob Mountainbiken oder ausgiebige Strandtour.
Seit 20 Jahren findet auf den Azoren auch ein Paragliding-Festival statt. Die Abflugplätze liegen mit imposanter Aussicht auf den Kraterrändern von São Miguel. Noch spektakulärer als von hoch oben aus der Luft wird man den Blick auf die Caldera kaum erleben.
Die Fluggesellschaft der Azoren, SATA, fliegt ein Dutzend Flughäfen in Europa und sogar vier in Nordamerika an. Auch die Billigfluganbieter Ryanair und easyJet bieten zahlreiche Flüge auf die Azoren. Die einzelnen Inseln verbindet wiederum täglich die SATA mit Flügen.
Wer genügend Zeit mitbringt, wird das Archipel entspannter per Fähre erkunden, beispielsweise mit der Atlantico Line. Zwischen São Jorge, Pico und Faial bietet sich Inselhopping mit Transmacor an. Egal, welches Reisemittel man wählt, der Aufenthalt in diesem Inselparadies wird unvergesslich sein.
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Text: Ines Wagner