Am frühen Abend wird Deutschlands Hauptstadt zur Bühne für Kreative aus aller Welt: Man kann sich an Kunst und Kultur satt sehen und anschließend in exotischen Restaurants satt essen. Das sind unsere Tipps für Berlin am Abend.
Für alle, die Spaß an Kultur abseits des Mainstreams haben, ist Berlin der Ort des Geschehens. Denn neben der etablierten Theater- und Museenlandschaft mäandert eine riesige Kreativszene durch die Stadt. Kunst gucken kann man an jeder zweiten Ecke vom Bürgersteig aus (Stichwort Street Art). Am beeindruckendsten sind derzeit die überdimensionalen Porträts älterer Männer und Frauen, die der Künstler JR unter dem Titel „The Wrinkles of the City“ auf Hauswände, Brücken und Türme projizierte. Allerdings sind sie nur so lange zu sehen, bis Wind und Wetter das Papier von den Wänden gelöst haben. Also: schnell hinfahren!
Eigenwillig ist auch die neue Location des renommierten Galeristen Johann König, der die Kreuzberger St. Agnes-Kirche als Ausstellungsfläche umbauen lässt. Bis es so weit ist, finden unter anderem Mode- und Architekturprojekte in der heiligen Halle statt. Tipp: Wer in das kreative Innenleben der Stadt eintauchen möchte, sich aber nicht auskennt (wie auch bei der rasanten Entwicklung?), kann eine Kunsttour zu Galerien, Privatsammlungen und kleinen Museen buchen, zum Beispiel bei artwalking-berlin.de oder artberlin.de.
Übrigens wird in Berlin vielerorts selbst Shopping zum (Kunst-)Ereignis. In der Mulackstraße in Mitte erlebt man individuell inszenierte Kleiderwelten. Ein Hingucker ist auch der ConceptStore von Andreas Murkudis. In der weißen Halle der ehemaligen „Tagesspiegel“-Druckerei wird alles vom Anzug bis zur Vase museal präsentiert. Demnächst eröffnet Murkudis eine Dependance im Charlottenburger Bikini-Haus, das zu den derzeit aufregendsten Sanierungen der Stadt gehört. Denn der Komplex, in den unter anderem ein Designhotel und ein Kino einziehen werden, pusht den „West-Trend“ rund um den Zoo. Tipp: erst Berlins größte Baustelle besuchen, dann im Kaffeehaus/Restaurant „Grosz“ den Glamour von „the other Berlin“ (wie die „New York Times“ schreibt) spüren. Experimentelle Unterhaltung bietet das „Radialsystem V“, das allein schon wegen seiner Architektur in einem ehemaligen Pumpwerk am Spreeufer den Besuch lohnt. Das Programm reicht von der Performance bis zum Familienbrunch.
Es gab sie, die Zeiten, als man sich in Berlin lediglich an Currywurst und Döner laben konnte. Zum Glück für alle Gern-Esser hat sich die Stadt in den letzten Jahren zu einer Gastro-Metropole mit experimentierfreudigen Köchen auf jedem Preisniveau entwickelt. Kein Kontinent, der nicht auch kulinarisch vertreten ist – immerhin sind rund 14,5 Prozent der Bewohner Zugereiste aus der ganzen Welt. Hier kann man sich also einmal um den Globus gabeln. In der Kreuzberger Bergmannstraße zum Beispiel reiht sich ein exotisches Lokal ans andere.
Kostproben aus den Küchen Koreas, Mexikos und Thailands gibt es jeden Donnerstag ab 17 Uhr in der „Markthalle Neun“, einer der ambitioniertesten Kulinarik-Treffpunkte der Stadt. Als die historische Halle zunehmend durch Discountläden verramschte, gründete sich eine Bürgerinitiative (ja, da ist er wieder, der charmante Berliner Trotz). „Wir wollten einen Ort schaffen, an dem sich das Städtische und Ländliche verbinden“, so Nikolaus Driessen, einer der Hauptinitiatoren.
Neben dem Wochenmarkt am Freitag und Samstag finden hier regelmäßig Vorträge und Events (wie der „Naschmarkt“) rund ums Essen und Trinken statt. Hinter dem Konzept stecken übrigens auch die Betreiber der sympathischen „Meierei“ am Prenzlauer Berg – mit ihren Alpen-Spezialitäten ein netter Stopp für Happen zwischendurch. Ganz in der Nähe, brandneu, auf dem Terrain einer stillgelegten Brauerei gelegen, sind die Bar „Le Croco Bleu“ sowie das „La Soupe Populaire“, zu Deutsch „Suppenküche“. Die tischt kein Geringerer als Sternekoch Tim Raue auf, allerdings zu moderaten Preisen zwischen ca. 9 und 22 Euro. Essen und wunderbar Leute gucken kann man im glamourösen „The Grand“, ein Mix aus Restaurant, Bar und Club. Wichtig: Bei schönem Wetter sollte man sich zuvor auf der Dachterrasse des nahen Hotels „Amano“ einen Sundowner genehmigen.
Wenn sich irgendwo auf der Welt perfekt die Nacht zum Tag machen lässt, dann in der Spree-Stadt. Schon in den berühmten 20er-Jahren herrschte im feierfreudigen Berlin Dauer-Partystimmung. Bis heute ist dieser einzigartige Mix aus überbordender Geselligkeit und Fin-de-siècle-Melancholie zu spüren – ob in der Schöneberger „Victoria Bar“, unterm Spiegelzelt der „Bar jeder Vernunft“ oder bei den extravaganten Veranstaltungen von „Bohème sauvage“.
Bis in die Puppen und ausgesprochen gut tanzt man anno 2013 in „Clärchens Ballhaus“ von 1913. Das Flair von damals genießt man beim Dinner im prunkvollen Spiegelsaal zu Live-Swing und Gypsy-Jazz, in lauen Sommernächten auch draußen. Apropos draußen: In der Stadt gibt es unendlich viele Partylocations unterm Sternenhimmel. Zu den angesagtesten zählt das „Chalet“, das im Ziegelhausgebäude der Königlichen Wasserinspektion untergebracht ist. Drumherum liegt ein wildromantischer Garten mit Feuerstelle, auf der gegrillt wird, bevor man zu später (!) Stunde die Tanzfläche bearbeitet. Aufgelegt wird vor allem elektronische Musik, gern von französischen DJs. Dass in den frühen 90er-Jahren in Berlin die weltweite Techno-Bewegung ihren Anfang nahm, wundert nicht. Die vielen leerstehenden Gebäude mit ihrer düsteren Atmosphäre passen perfekt zu den tranceartigen Rhythmen. Eine der international coolsten Adressen ist das „Berghain“, dessen Name sich aus den Bezirken Kreuzberg und Friedrichshain zusammensetzt. Wer nicht an der harten Türpolitik scheitert, erlebt einen Club mit exaltierten Typen, einem Darkroom, XXL-Bildern des Starfotografen Wolfgang Tillmans und mächtig Bass im Bauch. Irgendwann torkelt man dann müde, aber glücklich von dem Gelände des alten Ostbahnhofs und fühlt sich wie in einem Song von Peter Fox, dem Stadtneurotiker aus Berlin: „Ich bin kaputt und reib mir aus meinen Augen deinen Staub. Du bist nicht schön und das weißt du auch, dein Panorama versaut. Siehst nicht mal schön von Weitem aus, doch die Sonne geht gerade auf. Und ich weiß, ob ich will oder nicht, dass ich dich zum Atmen brauch.“
Die vollständige Reportage finden Sie im Lonely Planet Traveller Magazin, Ausgabe Juli/August 2013.
Text: Andrea Bierle
Das Wichtigste
Hinkommen:
Mit Lufthansa geht's ab Frankfurt a. M. (lufthansa.com) nach Berlin, von Wien mit Austrian Airlines (austrian.com), von Zürich mit Swiss (swiss.com). Spar-City-Angebote bietet die Bahn (bahn.de). Von München und Zürich kommt man über Nacht ohne Umsteigen nach Berlin (citynightline.de).
Rumkommen:
Mit der Berlin-Card hat man 48 Stunden (18,50 €) oder 72 Stunden (24,50 €) freie Fahrt mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln (bvg.de). Wer jeweils zwei Euro mehr zahlt, kommt damit auch ins Umland bis nach Potsdam. Tageskarte ab 6,50 €.
Buchtipps:
Lonely-Planet-Reiseführer „Berlin“ (MairDumont, 15,95 €). Reisehandbuch mit vielen praktischen Tipps: „Berlin“ (Michael Müller, 16,90 €). Stadtplan „Cool City Map“ mit allen Sehenswürdigkeiten, Clubs, Bars, Flohmärkten sowie einem S- und U-Bahn-Plan (Trescher, 3,95 €). Aktuelle Veranstaltungen und mehr unter visitberlin.de sowie berlin.de.
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