Lust auf eine üppige Portion Dolce Vita? Dann bieten die beiden italienischen Regionen das perfekte Urlaubsmenü. Genießen Sie fruchtigen Chianti, edle Trüffel, feinen Pecorino, dazu eine Landschaft zum Verlieben und Bergdörfer mit reichlich Geschichte. Als Beilage freuen Sie sich auf 1-a-Wandergebiete und -Strände
Zum Einstimmen geht es in die typische Toskana mit ihren Hügeln, Zypressenalleen und Weingütern. Anschließend entdecken Sie das unberührte Wanderparadies der Garfagnana und die einsamen Strände der Maremma. In Umbrien erwarten Sie geschichtsträchtige Bergdörfer und ein Gourmet-Mekka.
Die Sonne lugt gerade blass hinter den Hügeln hervor, als Monica Raspi die Weinstöcke der „Villa Pomona“ inspiziert. Die Luft ist so früh am Morgen noch frisch, Krähen krächzen, Frühnebel steht über den sattgrünen Reben, die sich in endlosen Reihen über das wellige Land ziehen. „Das ist die schönste Zeit“, sagt Monica und atmet tief durch. „Herrlich ruhig und noch nicht zu heiß.“ Dann hebt sie mit der Hand die buschigen Blätter eines Weinstocks und offenbart ihren Schatz, der auf der rotbraunen Erde gedeiht: Pralle, vom Morgentau benetzte lila Trauben hängen im knorrigen Geäst. „Sangiovese-Wein, die Seele des Chianti“, erklärt Monica stolz, pflückt eine Beere von der Rispe und schiebt sich die Kullerfrucht genüsslich in den Mund.
Das Chianti-Gebiet zwischen Siena und Florenz protzt nicht nur mit der typischen Toskana-Bilderbuchlandschaft aus sanften Hügeln und kurvigen Zypressenalleen, es ist auch Italiens ältestes und bekanntestes Weinbaugebiet. Gute Tropfen keltert man hier schon seit Römerzeiten, die Reben gedeihen quasi auf jedem Quadratmeter. Sie überziehen die Felder wie grüne Teppiche, sprießen in Gärten und ranken an den Mauern der Landhäuser. Entlang der Landstraßen laden überall „Degustazione“-Schilder zum Verkosten des neuen Jahrgangs ein, eine Tradition der toskanischen Weinkultur, die Edel- Güter ebenso anbieten wie Hobby-Winzer.
„Im Chianti ist jeder Weinexperte oder glaubt, einer zu sein“, lacht Monica, während sie auf dem Hof ihres Agriturismo fix eine Flasche Roten entkorkt und drei Gläser einschenkt. „Aber alle sind mit Leidenschaft dabei, und das ist gut. Wein ist hier nämlich mehr als nur ein Getränk, wissen Sie. Er gehört zu unserer Lebensart.“ Sie nimmt einen Schluck, lässt den Wein kurz im Mund kreisen und saugt mit gespitzten Lippen etwas Luft ein, um den Geschmack zu intensivieren. Der sollte idealerweise fruchtig und blumig sein, doziert Monica, mit der knackigen Säure der Sangiovese-Trauben im Abgang und einer nussigen Note von den Eichenfässern, in denen der Chianti reift. Am besten passe der Wein zu einem herzhaften Essen. Wie von Zauberhand erscheint prompt Signora Raspi und kredenzt ein Brett mit Käse, Oliven und Schinken. Monicas Mutter führte das Weingut, bevor es ihre Tochter 2007 übernahm. „Zeit für das Winzerfrühstück“, begrüßt sie ihre Gäste – oder „caffè rosso“, wie Monica scherzhaft zu sagen pflegt.
Wie auf den meisten Chianti-Gütern ist die Weinerzeugung in der „Villa Pomona“ eine Familienangelegenheit. Die ersten Reben pflanzte Monicas Ur-Ur-Großvater Bandino Bandini hier im 19. Jahrhundert, seitdem ist der Betrieb in Familienbesitz. Das Anwesen liegt im Herzen des Chianti-Classico-Gebiets, einem 7000 Hektar großen Landstrich zwischen Siena und Florenz, in dem einige der edelsten und teuersten Tropfen der Chianti-Region produziert werden. Die Standards in dieser geheiligten Zone sind streng und reichen vom höchsten Sangiovese-Anteil bis hin zum Flaschen-Design. Nur die besten Weine tragen den „Gallo Nero“, den schwarzen Hahn, auf der Banderole.
Egal, jetzt sitzt man erst mal auf dem Hof eines herrlichen Landhauses in der Sonne, der Duft von Rosmarin und Clematis umweht die Nase, dazu ein Gläschen Chianti und leckere Häppchen – was will man mehr?
So hat man sich den Urlaub in der Toskana nicht ausgemalt: Düstere Wolken kleben schon den halben Morgen an den Hängen der Apuani schen Alpen. Schöne Aussichten? Fehlanzeige. Eine kleine Wandergruppe in bunten Fleecejacken marschiert dennoch fröhlich plaudernd über den schmalen Berggrat. Auf eines kann man sich im Süden ja meist verlassen: Spätestens gegen Mittag hat die Sonne die graue Wolkendecke weggebrutzelt. Und so strahlt der Himmel wenig später leuchtend blau und gibt den Blick frei auf schroffe Gipfel und mit bunten Wildblumen übersäte Wiesen.
Das Wetter ist so ziemlich das einzige, was sich in der Garfagnana in wahrnehmbarem Tempo verändert. Versteckt im äußersten Nordwesten der Toskana, scheint in dem bäuerlichen Gebirgstal gut 60 Kilometer nördlich von Pisa seit Jahrhunderten die Zeit stillzustehen. Die meisten Familien lebten hier einst von der Landwirtschaft, hüteten Schafe, bauten Mais und Dinkel an und ernteten Kastanien, die es in Hülle und Fülle gibt und noch immer zu köstlichem Brot und Kuchen verarbeitet werden. Edler Carrara-Marmor war lange der größte Schatz der Region, den schon die römischen Architekten und Renaissance-Künstler schätzten. Gigantische weiße Steinbrüche klaffen zwischen den üppig bewaldeten Berghängen.
Heute ist die Garfagnana, die zum Großteil unter Naturschutz steht, ein Eldorado für Wanderer. Eingebettet zwischen den Gebirgsketten der Apuanischen Alpen und dem Appenin trifft man hier auf eine unerwartete Wildnis. Mufflons und Bergziegen springen über die Felshänge, alte Hirtenpfade schlängeln sich an morbiden Schutzhütten und urigen Kirchen vorbei durch eine Landschaft aus üppigen Wäldern, türkisblauen Seen und verlassenen Steinbrüchen. Und vom über 2000 Meter hohen Gipfel des Monte Prado blickt man bei klarem Wetter bis nach Ligurien, in die Emilia-Romagna und auf die Hügel der südlichen Toskana.
Viele der alten Bauernhöfe im Tal sind mittlerweile Agriturismi. Marco Santino, Architekt aus Rom und einer aus dem Fleecejackentrupp, verbringt hier seit 20 Jahren jeden Sommer seinen Wanderurlaub. „Du kommst hier in eine andere Welt“, sagt er, während er auf einer Bergwiese auf seine Kumpels wartet und schon mal das Mittags-Picknick auspackt: duftende Salami, Brot, Pecorino-Käse und Obst. „Alles frisch vom Morgenmarkt in Castelnuovo di Garfagnana“, schwärmt er über den beschaulichen Hauptort des Tals. Eine kleine Herde zotteliger Bergziegen trottet gleichmütig vorbei und verschwindet unter Glockengebimmel einen fast senkrechten Abhang hinunter.
Szenen wie diese machen den Reiz der Garfagnana aus. Man taucht ein in eine ländliche Idylle und urlaubt in verschlafenen Bergdörfern mit altmodischen Cafés, kleinen Lebensmittelläden und familiengeführten Trattorien, die zünftiges Wildschweinragout servieren. Das traditionelle Leben ist hier in jedem Winkel spürbar, sei es auf lokalen Festen zu Ehren der Kastanie oder auf mittelalterlichen Folkloreveranstaltungen mit Gauklern, Harlekinen, Dinkelbier und ganzen Schweinen am Spieß wie in Camporgiano oder in Sillico – wie vor Hunderten von Jahren.
Text: Oliver Berry, Deutsche Bearbeitung: Olaf Heise, Fotos: Matt Munro
Den vollständigen Artikel mit Infos zu der atemberaubenden Toskana finden Sie in der Mai-Ausgabe des Lonely Planet Traveller.