Zugegeben: Der rund 330 Kilometer lange Donauradweg von Passau nach Wien ist kein Geheimtipp – aber nicht zuletzt wegen seiner landschaftlichen Vielfalt, den vielen Burgen, Klöstern und barocken Schlössern, den spannenden Metropolen und malerischen Weingärten hat er inzwischen Kultstatus. Also nix wie rauf auf den Sattel …
Rund 650 Kilometer liegen schon hinter ihr, aber erst hier in Passau, an der Grenze zu Österreich, läuft sie zur Höchstform auf und vereinigt sich mit Inn und Ilz zu jenem stattlichen Gewässer, dem zu Ehren Johann Strauß 1866 seinen berühmten Walzer komponierte und dessen Name in keinem Rätselheftchen fehlt: Wie heißt Europas zweilängster Fluss? Richtig, Donau. Platz eins belegt übrigens die Wolga, aber die liegt weitab vom Schuss in Russland und verströmt bei Weitem nicht den Glamour ihrer Majestät Danubius. Auf seiner 2857 Kilometer langen Reise vom Schwarzwald bis ins Schwarze Meer verbindet der Strom zehn Nationen und vier Hauptstädte, nämlich Wien, Bratislava, Budapest und Belgrad. Kein Wunder, dass er seit jeher einer der bedeutendsten Handelswege Europas ist, ein blauer Highway gen Osten.
Im Laufe der Geschichte haben unter anderen Kelten und Römer, Kaiser und Könige etliche Spuren hinterlassen, weshalb man links und rechts des Flusses beeindruckende Bauwerke findet. Wie die imposante Veste Oberhaus, Passaus einstige Bischofsresidenz. Sie ist die perfekte Einstimmung für die Donau-Radtour, denn von der Festung hat man einen traumhaften Blick auf den mächtigen Strom. Auf dessen glitzernden Wasserflächen spiegeln sich die Dächer und Fassaden der italienisch geprägten Barockstadt, durchzogen von Sträßchen mit ihren typischen Schwibbögen. Und in der Ferne die grüne Hügellandschaft des oberösterreichischen Sauwalds. Es sind Impressionen wie diese, die die Strecke zwischen Passau und Wien zu einer der beliebtesten Radrouten Europas machen. Auf kaum einem anderen Abschnitt der Donau begegnet man einer solchen Vielfalt an Landschaften und Kulturen. Fruchtbare Ebenen und steile Weinterrassen, urige Bauernhöfe und prächtige Stifte wechseln einander ab. Das Beste: Man kann die Schönheiten ganz entspannt genießen, denn überwiegend radelt man auf flachen, autofreien Wegen, die top gepflastert und meist entlang beider Ufer befahrbar sind. Wenn man dann nach rund einer Woche und 330 Strampelkilometern in Wien ankommt, steckt man voll mit Geschichten – wie ein Pilger aus dem Mittelalter.
Seit es von den Römern erbaut wurde, ist Passau Gäste gewohnt. Die Stadt weiß also, wie man sie durch ihr Gassengeflecht führt und delegiert Radler ohne Bohei mit kleinen grünen Zeichen auf den rechten (Donau)-Weg. Ehe man sich’s versieht, befindet man sich mitten in der Natur, fährt durch Kornfelder, vorbei an Wildblumen und bewaldeten Hügeln. Sehr bald wechselt man auf österreichisches Terrain und radelt entlang des Sauwalds über Engelhartszell (Trappistenkloster!) zur Schlögener Schlinge, die 2008 zum „Naturwunder Oberösterreich“ ernannt wurde. Denn hier legt sich die Donau mächtig in eine (fast 360-Grad)- Kurve, bevor sie weiter Richtung Osten verläuft und in das fruchtbare Eferdinger Becken eintritt. Obstbäume und Spargelfelder, Rebzeilen und Beerensträucher, Kräutergärten und Gemüsebeete wohin das Auge schaut! Regionale Produkte waren hier schon immer en vogue und haben in den Gasthöfen eine so lange Tradition wie die Fischküche. Überall sieht man Angler am Ufer sitzen. Die meisten von ihnen hoffen nicht unbedingt auf den großen Fang, sondern genießen einfach die Entspannung, die von dem ruhig dahinfließenden Strom ausgeht.
Mehr Tempo gefällig? Dann legen Sie unbedingt einen Stopp in Linz ein. 2015 zur „Unesco City of Media Arts“ ernannt, regiert in der Landeshauptstadt von Oberösterreich der (elektronische) Beat. Ob das hochmoderne „Lentos Kunstmuseum“, das man schon von Weitem auf der rechten Seite der Donau sieht, oder vis-à-vis das „Ars Electronica Center“ – man spürt die Vibes der Zukunft. An lauen Abenden treffen sich nicht nur die Studis der nahen Johannes-Kepler-Universität an der Linzer Donaulände (der „Sandburg“), zum Chillen, Cocktailschlürfen und Tanzen.
Ein paar Donauwellen flussabwärts, in Österreichs ältestem Städtchen Enns, heißt es einen Gang runterschalten. Als „città slow“ ist sie vom Straßenverkehr bis zum Gasthaus auf Schneckentempo eingestellt. Der Weg führt weiter am Mostviertel mit seinen beeindruckenden Vierkanthöfen entlang. Vor Grein verengt sich das Donautal wieder und es geht durch die wildromantische Landschaft des Strudengaus. Der Name kommt von den vielen gefährlichen Strudeln, die früher bei den Schiffern gefürchtet waren. Sogar Kaiser Franz Joseph und seine Sisi mussten hier einst mit ihrem Dampfschiff wegen heftigen Tosens und Brausens notlanden. Erst durch den Aufstau des Kraftwerks Ybbs-Persenbeug wurde das Wasser seicht.
Die Fährleute haben dennoch genug zu tun, vor allem jetzt, wenn die Outdoor-Saison startet und sich schon am frühen Morgen die Leute mit ihren Drahteseln an „d’Überfuhr Grein“ versammeln, um ans andere Ufer zu gelangen. Nach drei Tagen auf dem Sattel sind einem viele Gesichter vertraut: die Familie mit ihren zwei Jungs, mit der man schon ein schattiges Jausen-Plätzchen und Sonnencreme geteilt hat, der pensionierte Lehrer, das junge Paar aus Mailand, das mit Hund im Weidenkorb die Route erkundet … Mit jedem Kilometer fühlt man sich ihnen mehr verbunden.
Text: Roff Smith, Deutsche Bearbeitung: Andrea Bierle, Fotos: Julian Love
Den vollständigen Artikel zur Donau-Radtour finden Sie in der April-Ausgabe des Lonely Planet Traveller.