FinnlandEin Sommer in den Schären

© James Bedford
© James Bedford

Vor der finnischen Südwestküste wartet das weltweit größte Archipel darauf, entdeckt zu werden. Im Sommer kann man bei einem Inselhopping per Boot die schier endlosen Tage des Nordens voll auskosten.

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Es ist einer dieser lauen Sommerabende. Die Sonne schickt die letzten warmen Strahlen auf die Insel Stenskär und taucht Wälder sowie Wiesen in ein orangefarbenes Licht. Stig Jansson steht in seiner grünen Anglerhose vor dem Bootshaus und sortiert Netze. Schwiegersohn Jarmo Ylitelo zerteilt derweil die Fischbeute in Stücke. Die werden später geräuchert und am nächsten Tag verkauft. Zu dieser hellen Jahreszeit sind die zwei jeden Morgen schon früh auf dem Meer, um den besten Fang der Insel zu machen. Apropos Insel: Das Kleinod Stenskär liegt inmitten der westfinnischen Schärenregion und sieht aus, als sei es geradewegs der Fantasie Astrid Lindgrens entsprungen. Nach einem zehnminütigen Spaziergang hat man das Fleck­- chen Erde von oben bis unten durchwandert. Fischer Jansson, stattliche 81 Jahre, hat sein ganzes Leben auf diesem nieren­förmigen Eiland zwischen Pinienwäldern und Holzhäuschen-­Idylle verbracht. „Hmm“, raunzt er und streicht sich übers Kinn, „eigentlich hätte ich schon vor 20 Jahren in Rente gehen sollen …“ Schelmisch funkeln seine Augen. „Ich hab es aber nie getan.“ Und dann fügt er mit einem verschmitzten Seitenblick auf Jarmo hinzu: „Die Jugend braucht doch meine Hilfe!“ Fröhliche Menschen wie diese beiden trifft man während einer Rundreise durch die Schärenregion zuhauf.

Stenskär ist Teil einer Inselwelt, die sich vor der Mini-Metropole Turku an der Südküste auffächert. Geografisch und politisch ist die Gruppe ein Teil von Finnland, aber die Bevölkerung spricht überwiegend Schwedisch – ein Erbe der viele Jahrhunderte währenden Herrschaft des skandinavischen Nachbarlandes. Auf der Landkarte sieht die Region wie eine in die Ostsee geworfene Handvoll Steine aus: Mehr als 20.000 Inselchen und Schären bilden das größte Archipel der Welt. Maße und Form der Eilande variieren – von der winzigen Fels­­- nase bis zu flächigen Inseln mit Wäldern, Seen und Städten darauf. Ein von Schönheit und Ruhe gesegneter Flecken Erde. Lebendig wird’s hier nur, wenn die Finnen während der Sommermonate in die Schären strömen, um in ihren Ferien­häusern Sonne für den langen Winter zu tanken.

Die Südwestküste Finnlands ist ein Paradies für Inselhopper: Man setzt sich in einen Flieger nach Turku und von dort aus in einen Mietwagen oder Bus, um in etwa 90 Minuten gen Nagu zu juckeln. Am Ende setzt man per Schiff auf die Insel über. Von dort verkehren kostenlose öffentliche Fähren auf die um­- liegenden Kleinode. Schon vormittags sonnen sich am Kai von Nagu wartende Urlauber. Eine Zweimast-Jacht rauscht mit gehissten Segeln durch die Bucht. Der verführerische Duft von frisch gebackenen Zimtschnecken strömt aus einer Bäckerei.

Wer auf Nagu ein wenig Zeit verbringt, leiht sich für eine Erkundungstour ein Rad. Hat man die Ortschaft verlassen, findet man sich schon nach fünf Minuten auf einer gottverlassenen Straße wieder. Der Wind streift durch die Roggenfelder. Wolkenfetzen hängen wie Zuckerwatte am blauen Himmel. Die Weite ist überwältigend. Am Straßenrand sprießen Heidelbeeren, Preiselbeeren, wilde Erdbeeren. Bei genauerem Hinschauen entdeckt man Pfifferlinge.

Im Hinterland der Insel bewirtschaftet Margot Wikström auf der Tackork-Farm vier Hektar Beerenfelder. Den Besuchern ihres Hofes reicht sie eine Kostprobe praller grüner Stachel­beeren: „Die müssen Sie probieren! So etwas Geschmackvolles gibt es in Ihrer Heimat nicht.“ Klingt ja ganz schön überheblich, Frau Wikström! Doch die sympathische Frau in den knappen Shorts und mit den Lachfältchen im braungebrannten Gesicht hat ein unschlagbares Argument: „Der süße Geschmack kommt von dem Licht. Wir nennen ihn das Arktis-Aroma.“ Recht hat die Obstbäuerin, das erkennen die Gäste nach einem Biss in die Früchte neidlos an. Die Sonnenstrahlen des Nordsommers sorgen tatsächlich für eine besondere Reife der Beeren und damit für einen unvergleichlichen Geschmack. 

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Text: Marcel Theroux, Deutsche Bearbeitung: Christine Dohler, Titelbild: James Bedford

Das Wichtigste

Hinkommen

Ab Frankfurt a. M. fliegt u. a. SAS über Stock­holm (flysas.com). Ab Wien geht’s u. a. mit Air Baltic via Riga (airbaltic.com). Ab Zürich startet Finnair mit Zwischenstopp in Helsinki (finnair.com).

Herumkommen

Viele der Inseln (inklusive Nagu und Korpo) sind mit Brü­cken verbunden und können per Auto, Fahrrad oder Bus angesteuert werden. Kostenlose Fähren verkehren u. a. zwischen Pargas, Korpo, Nagu (finferries.fi). Man sollte im Voraus planen und buchen.

Buchtipp

Der Baedeker „Finnland“ (MairDumont, 24,99 €) ist gerade neu erschienen.

Reisetipps

  • Chartern Sie ein Boot zu den Inseln Hög­-såra und Pensar (unter kimitoon.fi finden Sie eine Liste mit Anbietern). Das Restaurant Paviljongen in Pensar Syd serviert Bio-Essen aus regionalen Zutaten wie Fisch, Pilzen und Beeren (pensarsyd.com).
  • Kaj Arnö organisiert Ausflüge ab Nagu und den umliegenden Inseln (ab ca. 6 €, nagukajak.fi). Es ist auch möglich, ein Boot ab Pensar zu chartern, um Stenskär zu erkunden (Boot ab ca. 133 €).
  • Nagus Wälder lassen sich gut per Rad erkunden. Bikes gibt’s bei dem Tourenveranstalter Västergård (ab ca. 18 € pro Tag). Außerdem kann man über den Anbieter ein Zimmer in einem B&B mieten, obligatorisch mit Sauna und beheiztem Pool (DZ ab ca. 110 €, nagu.net/vastergard).
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