Der Süden Frankreichs ist nicht nur ein Ort, der Künstler inspiriert. Er beglückt auch Sonnenanbeter, Menschen, die gern und gut essen, das Leben feiern und Geheimplätzchen entdecken. Willkommen zur einzig wahren Tour de France.
Noch mehr Eindrücke aus Südfrankreich in der Bildergalerie
Man braucht nur einen der vielen sonnenüberfluteten Plätze in Nizza zu betreten, schon weiß man, warum die Franzosen hier seit Generationen urlauben – oder gleich ganz da bleiben. „Es ist dieses unglaublich intensive, magische Licht …“, sinniert Marie-Pierre Nicola, „diese Magie hat seit jeher auch die Künstler hierhergezogen.“ Nicola arbeitet an einem besonders schönen Ort in Nizza: im „Musée Matisse“, einer weinroten Villa auf einem Hügel im Norden der Innenstadt. „Es ist nirgends in Frankreich so sonnig wie hier“, sagt sie. Gern zitiert sie den berühmten Künstler, der dem Museum einst sein erstes Werk vermachte und 1917 der Gesundheit zuliebe in den Süden zog: „Als mir klar wurde, dass ich dieses Licht nun jeden Morgen sehen würde, konnte ich mein Glück kaum fassen.“
Der berühmte Maler, der seine Bilder fortan verschwenderisch mit sattem Gelb und Rot füllte, wäre sicher auch von „Fenocchio“ begeistert gewesen – eine kleine Eisdiele an der Place Rossetti, die in ihrer Theke eine delikate Farbpalette parat hält: über 90 Eissorten aller Geschmacksrichtungen von Erdbeere über Kaktus, Pistazie und Honigkuchen bis zu Schokolade und Bier (fenocchio.fr). Die passen wie von Impressionisten komponiert perfekt in die Szenerie aus verblassten, pastellfarbenen Stadthaus-Fassaden.
Ja, Nizza ist bunt, inspirierend, kreativ - und selbst ein echtes Kunstwerk. Das wandelt sich vor den Augen des Betrachters von Straße zu Straße: Eben noch flaniert man über die trubelige Promenade d’Anglais, wird auf der einen Seite von Rollerbladern überholt, während auf der anderen Sonnenhungrige aus aller Welt ihre Liegestühle aufstellen. Schon taucht man ein in die schmalen Gassen der Altstadt, plauscht auf dem Markt mit der Olivenverkäuferin, für die Nizza noch immer der bescheidene Küstenort ist, der er vor vielen Jahren war – und im Herzen bleibt. Trotz seiner luxuriösen Villen, prominenter Ferienhausbesitzer wie Bono (U2) oder Elton John und des glitzernden, mondänen Lebensstils, der die Stadt vor allem in den Sommermonaten prägt. Aber auch das ist Nizza: eine junge, flirrende Universitätsstadt, in der sich Backpacker wie Filmstars wohlfühlen. In der man, wenn man etwas auf sich hält, auswärts diniert, ehe man in einer der zahlreichen Altstadt-Bars rund um den Cours Saleya einen Digestif nimmt oder in einem Jazzclub bis in den Morgen feiert.
Je nach Geschmack rast man auf ihr entlang wie James Bond in „Goldeneye“. Oder (viel besser) man nimmt sich Zeit und macht hier und dort Halt, wie einst Grace Kelly und Cary Grant in dem Hitchcock-Streifen „Über den Dächern von Nizza“. Was man aber auf gar keinen Fall tun sollte: an der Grande Corniche vorbeifahren – und so die romantischste Straße Frankreichs, ach was, Europas verpassen.
Wer die knapp 30 Kilometer von Nizza Richtung Monaco kurven will, hat die Qual der Wahl: Gleich drei Straßen führen die Küste entlang, eine spektakulärer als die andere. Unten am Meer liegt die Corniche Inférieure oder Basse Corniche (D6098), die durch zahlreiche hübsche Küstenorte führt. Die Moyenne Corniche (D6007) führt ein wenig höher entlang. Doch die berühmteste ist die Grande Corniche (D2564) oben auf den Klippen. Prominent ist sie nicht nur, weil sie in etlichen Filmen eine Rolle spielte, sondern vor allem, weil man auf ihrer Strecke gar nicht genug davon bekommen kann, in bis zu 500 Metern Höhe durch enge Kurven zu cruisen, die Haare im Wind, die Sonne im Gesicht. Oder an wirklich jeder der vielen kleinen Parkbuchten Rast zu machen, sich im Autositz zurückzulehnen und den Blick schweifen zu lassen.
Am weitesten geht der von La Turbie aus, wo Kaiser Augustus den Siegesturm Trophée des Alpes errichten ließ. An dieser Stelle liegt einem ganz Monaco zu Füßen. Stärker befahren, aber nicht weniger lohnenswert ist der Weg über die Moyenne Corniche. Zunächst kurvt man auf ihr an Villen vorbei, die in üppigen Gärten versteckt liegen. Nach elf Kilometern erreicht man die eigentliche Attraktion der Strecke: Èze. Das mittelalterliche, romantische Dorf schmiegt sich an einen Berggipfel und rühmt sich, die höchste Künstlerdichte der Küste zu haben. Dort lebt zum Beispiel Barbara Blanche, sie führt in einer ehemaligen Bäckerei eine der vielen winzigen Galerien des Ortes. Beinahe täglich sitzt sie bereits in aller Herrgottsfrühe an ihrer Staffelei und malt farbenfrohe Aquarelle: „Dann ist das Licht am schönsten und es sind noch keine Leute da“, erzählt sie fröhlich. Ihr Tipp für Besucher: „Spazieren Sie durch die engen Gassen mit den Bruchsteinhäusern hoch bis zur alten Burg. In der Ruine liegt heute der Jardin d’Èze, ein verwinkelter Kaktusgarten mit wunderschönem Ausblick.“
Die drei Corniches treffen sich wieder in Roquebrune-Cap-Martin, einem Dorf an der Grenze zu Monaco, in dem sich bunte Häuser am Abhang drängeln. Die klassische Küstentour endet hier, aber der Wunsch weiterzufahren ist unwiderstehlich. Und so findet man sich wenig später auf der Straße ins Binnenland wieder, auf der man gemächlich durch karge Landschaften und einsame Bergdörfer wie Gorbio, Sainte-Agnès oder – nach einer Reihe von Haarnadelkurven – Peillon fährt. Kaum ein französisches Dorf liegt spektakulärer als Letzteres: auf der schmalen Spitze eines Gebirgsvorsprungs, umgeben von einer tiefen Schlucht. Hitchcock wäre bei diesem Anblick in Verzückung geraten.
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Text: Rory Goulding, Deutsche Bearbeitung: Christine Ritzenhoff, Titelbild: Lottie Davis
Den vollständigen Artikel mit Infos zu der atemberaubenden Verdonschlucht, den kulinarischen Gipfeltreffen in Luberon und dem grünen Strandparadies im Département Var finden Sie in der Juni-Ausgabe des Lonely Planet Traveller.
Hinkommen
Ab Frankfurt a. M. fliegt zum Beispiel nonstop Lufthansa (lufthansa.com), ab Wien Austrian Airlines (austrian.com), ab Zürich Swiss (swiss.com).
Herumkommen
Am besten reist man per Pkw, günstig mieten kann man Autos z. B. bei europcar.de. Im Luberon gibt es auch ausgeschilderte Radwege. Mehr Infos und Miet-Bikes hat veloloisirluberon.com.
Buchtipp
Im Lonely Planet „Provence & Côte d’Azur“ (MairDumont, 19,99 €) findet man Tipps zu nahezu jedem noch so kleinen Ort der Gegend.
Weitere Infos (Nizza)
Restauranttipp (Tour de Corniche)