Ausgehend von seinen persönlichen Erfahrungen auf der Flucht vor dem syrischen Bürgerkrieg führt Hesham Moadamani für Refugee Voices Tours Reisende durch Berlin und zieht dabei Parallelen zwischen dem aktuellen syrischen Konflikt und der Geschichte der Migration in Deutschland.

Die Dunkelheit war über den türkischen Ferienort Çeşme hereingebrochen, als Hesham Moadamani fast alles aufgab, was er besaß, und in die kalten Fluten der Meerenge von Chios sprang. Er hatte eine strapaziöse Aufgabe vor sich: eine Strecke von acht Kilometern zur griechischen Insel Chios schwimmen. Selbst für einen olympischen Schwimmer eine anstrengende Distanz, und Hesham war bisher nur zweimal im Meer gewesen.

Er hatte sich seine Schuhe um den Hals gebunden und seine Papiere in einer Plastiktüte am Handgelenk befestigt, und so kämpfte sich Hesham fast sieben Stunden lang in Richtung der funkelnden Lichter der Insel, bis er von der griechischen Küstenwache aufgegriffen wurde. Er wurde auf die Polizeistation gebracht und als Flüchtling registriert. Schließlich lief er den ganzen Weg nach Deutschland, bis seine Füße bluteten.

Schätzungsweise eine Million Menschen kamen 2015 nach Europa, viele davon auf der Flucht vor dem syrischen Bürgerkrieg. Refugee Voices Tours hilft dabei, diesen anonymen Zahlen ein Gesicht zu geben, indem man dort geführte Touren durch verschiedene europäische Städte anbietet, die von Geflüchteten aus Syrien, Eritrea und dem Irak geleitet werden.

Heshams Tour durch Berlin stützt sich auf seine persönlichen Erfahrungen und ist damit so erschütternd und schmerzhaft wie mutig – zumal seine Tortur nicht zu Ende war, als er Deutschland erreicht hatte. „Als ich ankam, wandelte sich der öffentliche Diskurs von einem auf Sympathie basierenden ‚Menschen fliehen vor dem Krieg, sie sind Menschen wie wir und brauchen unsere Hilfe‘ zu der sicherheitspolitischen Erzählung ‚Unsere Sicherheit hat Priorität, das sind alles Muslime, Extremisten mit terroristischem Hintergrund‘“, sagt er.

 

 

»Heshams Tour durch Berlin stützt sich auf seine persönlichen Erfahrungen und ist damit so erschütternd und schmerzhaft wie mutig.«

 

 

Aber genau das macht Heshams Tour so interessant: Er nutzt historisch bedeutende Orte der Stadt wie die Berliner Mauer, die Topographie des Terrors und Checkpoint Charlie, um Parallelen zwischen 15 Millionen Menschen zu ziehen, die durch den Zweiten Weltkrieg vertrieben wurden, und der aktuellen Situation in Syrien. „Konflikt ist nichts, was nur muslimische Menschen aus Syrien betrifft“, sagt Hesham. Deutschland war in verschiedenen historischen Zeitabschnitten ebenfalls Zeuge der Migration von Menschen, die von hier flohen – oder die es hierher zog.“

Die Tour endet in einem syrischen Restaurant, sodass man sich hinsetzen und ausgiebig über das Gelernte sprechen kann, während man gleichzeitig eine Kostprobe der syrischen Kultur bekommt. „Ich finde es gut, dass es diese Tour gibt und ich hoffe, dass viele Menschen kommen und von ihr profitieren können“, sagt Hesham. „Es gibt noch weitere großartige Tour Guides mit anderen beeindruckenden Geschichten, in denen es ebenfalls um Hoffnung und um Widerstandsfähigkeit geht.“

Text: Daniel Fahey
Übersetzung: Sarah Uhrig

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