Langsam nähern wir uns wieder der Zivilisation - und Deutschland. Erst entdecken wir einen Autofriedhof und deutschen Apfelkuchen in Solitaire. Dann erreichen wir nach einer heißen Wüstenfahrt den Atlantik bei Swakopmund. Sofort schmeckt die Luft nach Salz und eine feuchte Brise macht das Klima angenehm.
Das 45.000 Einwohner-Städtchen sieht auf den ersten Blick aus wie ein Deutschland-Disneyland mit schlossähnlichen Gebäuden aus der Kolonialzeit, einer neobarocken Kirche oder Fachwerkhäusern, an denen in Schnörkel-Schrift Bäckerei oder Amtsgericht steht. Die Hotels heißen Villa Wiese oder Prinzessin Rupprecht, eine Zahnarztpraxis Bismarck. In manchen Restaurants gibt es deutsches Bier, im Café Anton Schwarzwälderkirschtorte mit ganz viel Sahne. Swakopmund könnte irgendwo in Bayern stehen, wenn nicht die Strandpromenade mit Möwen und Fischrestaurants wäre. Deutsch spricht eh fast jeder. Auch auf unserer bisherigen sind wir nicht nur vielen deutschen Touristen begegnet, sondern auch vielen Deutsch-Namibiern. Heute leben in etwa noch 9000 in ganz Namibia.
Hierzu ein kleiner Exkurs zur Geschichte: Bismarck wollte sich eigentlich aus der Kolonialisierung Afrikas raushalten. Er ließ sich dann doch vom Vorstoß eines Bremer Kaufmanns namens Adolf Lüderitz überreden. 1884 wurde die Stadt Lüderitz zur deutschen Kolonie erklärt. Wenig später wurde Namibia zu einem Protektorat namens Deutsch-Südwestafrika. Der Beginn des Ersten Weltkrieges bedeutete das Ende der Kolonien. Südafrikanische Truppen verjagten schließlich die deutsche Schutztruppe. Seit 1989 ist das Land unabhängig. Angesichts der Gräueltaten, die das Deutsche Reich teilweise auf der Suche nach Bodenschätzen unter der einheimischen Bevölkerung anrichtete, hat die Vergangenheit auch einen bitteren Nachgeschmack. Swakopmunds erste sesshafte Bewohner waren Deutsche, die ab 1892 hier siedelten. Die Hafenstadt wurde zu einem bedeutenden Stützpunkt im unter Kolonialherrschaft stehenden Deutsch-Südwestafrika. Heute hat sich die Stadt in einen Ferienort verwandelt.
Jedes Mal, wenn man als Traveller aus der Natur kommt, dauert es eine Weile bis man sich aus seinen Outdoor-Klamotten geschält, den Staub abgewaschen hat und bereit ist für Souvenirläden, Bankautomaten und Cafés. Die Stadt wirkt an manchen Stellen wie ein bizarres Kolonialrelikt. Heute trifft man glücklicherweise auch einige Backpacker. Viele stürzen sich von hier aus ins Abenteuer und testen Action wie Sand-Boarding. Es gibt viele Reiseveranstalter, die Panoramaflüge oder Kameltouren in der Wüste anbieten. Es fühlt sich beim Abendessen aber wirklich komisch an, als wir in unserem sehr schönen, aber auch sehr deutschen Hotel Hansa im Speisesaal sitzen. Es fühlt sich an, als seien wir direkt aus der Wüste nach Deutschland gebeamt worden.
PS: Heute Abend gibt es endlich das ersehnte Betthupferl aus Schokolade.
Lonely Planet Traveller-Redakteurin Christine Dohler bloggt vom 22. bis 29. März aus Namibia.