Planet ErdeAnsturm auf die Gebirgswelt

Die Region bietet einfache Klettersteige und fordernde Felswände für Profis © Dolomiti Friulane
Die Region bietet einfache Klettersteige und fordernde Felswände für Profis

Am Fels und in Hallen hat sich Klettern zum Trend für die breite Masse entwickelt. Drei Experten erklären, wie gefährlich der Sport wirklich ist und wie man mit Rücksicht auf die Natur kraxelt. Dazu gibt es Tipps für Einsteiger.

ChimpanzoDrome, The Rock oder No Limit heißen die überdachten Erlebniswelten, in denen sich täglich Hunderte an künstlichen Felswänden hochhangeln. An den Bergen des Elbsandsteingebirges oder des Nördlichen Frankenjuras wimmelt es an sonnigen Tagen vor Kletterwütigen. Und am Mount Everest sollen jetzt knapp unter dem Gipfel, am sogenannten Hillary Step, Leitern installiert werden, um tödliche Staus zu verhindern. Egal ob in extremen Höhen, im Flachland oder Mittelgebirge - Klettern boomt. Laut einer Umfrage des Deutschen Alpenvereins (DAV) gibt es hierzulande mittlerweile etwa 330.000 Fans des Sports, Tendenz steigend. "Kein Wunder, dass es sich zum Breitensport entwickelt", sagt Outdoortrainer und Fachbuchautor Frank Schweinheim, "Klettern macht selbst Anfängern Spaß, man kann sich schnell steigern und ist stets unter Menschen."

Für Laien sind die vielen Varianten des Berg­erklimmens kaum zu überschauen: Es gibt z. B. das Bouldern oder Toprope, aber auch Extremformen wie Buildering und Free Solo. Anfänger starten erste Versuche häufig in der Kletterhalle. Das ist sicher und in den meisten größeren Städten möglich (Übersicht auf ­kletterhallen.net). Während es beim klassischen Bergsteigen in der Natur primär darum geht, den Gipfel zu erreichen, stehen beim ­Indoor-Sportklettern unterschiedliche Schwierigkeitsgrade der Routen und die Technik im Fokus. "Es sind eigentlich zwei verschiedene Sportarten", sagt ein Star der Szene, Kletter­profi Barbara Zangerl. "Die bunten Griffe in der Halle weisen einem den Weg. Draußen muss man sich die Haltemöglichkeiten selbst suchen, und der Fels hat eine unberechenbare Struktur. Deshalb lassen sich die Schwierigkeitsgrade, die man in der Halle erreicht, nicht eins zu eins auf die Natur übertragen." Experte Schweinheim rät Einsteigern, unbedingt einen Einführungskurs zu belegen: "Da lernt man verschiedene Techniken und kann von Anfang an Fehler vermeiden, die sich sonst einschleichen würden."

Darüber hinaus versuchen Alpenvereine und Hallenbetreiber mit "Kletterscheinen", ähnlich dem "Seepferdchen" beim Schwimmen, das Unfallrisiko zu minimieren und über Gefahren aufzuklären. In den Kursen lernt man Grund­lagen wie richtiges Anseilen, Einlegen der Sicherung und die gegenseitige Kontrolle mit dem Partner - Klettern ist ein Zweiersport! Einige Hallen verlangen sogar den Nachweis eines solchen Scheins, bevor sie einen Kunden an die Wand lassen, Pflicht ist dieser aber nicht. Ebenso wenig wie ein Garant für Unfallfreiheit. Dazu Frank Schweinheim: "Die meisten Stürze ­passieren durch menschliche Fehler wie mangelnde Konzentration oder missverständliche Kommunikation mit dem Partner."

Obwohl sich sowohl in der Halle als auch am Fels immer wieder tragische Unfälle ereignen, ist die Sportart relativ ungefährlich. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 rückte z. B. die Bergwacht Bayern 127 Mal zu Kletterunfällen aus, verunglückte Skifahrer riefen das Rettungsteam zu über 3000 Einsätzen. "Klettern ist ein lang­samer Sport. Wenn der Partner aufmerksam ist, bleibt viel Zeit, Fehler zu korrigieren", sagt Schweinheim. Häufige Verletzungen sind eher Folgen von Überlastung wie Zerrungen der Finger und Schäden am Schultergelenk.

Auch in der Bergwelt hinterlässt der Trend Spuren. Seit Ende der 80er-Jahre in NRW und Baden-Württemberg aus Naturschutzgründen riesige Gebiete gesperrt wurden, versuchen Vereine und Gemeinschaften wie die "IG Klettern" und der DAV den Sport in umweltverträgliche Bahnen zu lenken. Im Vordergrund steht der Schutz der Tier- und Pflanzenwelt. "Jedes Jahr werden im Frühsommer mehr als 300 Felsen wegen Vogelbrut gesperrt", berichtet Geoökologe Steffen Reich. Besonders Uhu und Wanderfalke reagieren empfindlich auf Störungen. Auch Müll und wildes Parken können zu Problemen mit der Natur und Anwohnern führen. Wann welches Gebiet gesperrt ist, erfährt man auf dav-felsinfo.de. Überraschend ist, dass der Zuwachs an Kletterern nicht automatisch mehr Umweltbelastung bedeuten muss. Reich: "Im Nördlichen Frankenjura, dem beliebtesten Gebiet in Deutschland, ist am meisten los, aber hier klappt auch der Naturschutz am besten."

Text: Alina Halbe, Titelbild: Dolomiti Friulane

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