Nelson Mandela, dessen Tod am 5. Dezember 2013 Menschen auf der ganzen Welt berührte, ist die Symbolfigur der Anti-Apartheids-Bewegung: Er wurde 1994 bei den ersten demokratischen Wahlen Südafrikas zum Präsidenten ernannt und beendete mit seiner Partei ANC (African National Congress) die Rassentrennung. Doch die Gesellschaft ist längst noch nicht zusammengewachsen. Der Theologe Rommel Roberts ist hierzulande nicht so berühmt wie die Ikone Mandela. Er ist einer der stillen Helden im Hintergrund und setzt sich seit mehr als 17 Jahren in Südafrika für eine gleichberechtigte Zukunft aller Gesellschaftsschichten ein. Der Freiheitskämpfer dokumentiert jetzt in seinem Buch den Kampf gegen die Rassentrennung in Südafrika. Im persönlichen Gespräch erzählt Roberts von den Hindernissen, die auf dem Weg zur endgültigen Gleichheit der Menschen noch immer überwunden werden müssen:
LPT: Südafrika 2014 – wie beurteilen Sie die aktuelle politische Situation?
Roberts: In den letzten Monaten gab es über 2900 Proteste im ganzen Land. Die Menschen sind enttäuscht von der korrupten Regierung unter Präsident Jacob Zuma. Es wurde ihnen Besserung versprochen, aber für die ärmeren Schwarzen haben sich die Lebensbedingungen bisher nicht geändert. Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass der schwierigste Teil einer Revolution erst danach beginnt.
Was sind die größten Probleme?
Die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung lebt noch in Ghettos am Stadtrand. Die Wohnsiedlungen sind völlig überfüllt, die Wasserversorgung funktioniert nicht und die medizinischen Zustände sind miserabel. Die Leute wollen raus aus ihrem Township und endlich zur Gesellschaft dazugehören. Ein weiteres Problem ist die Korruption. Jeder will möglichst reich werden, die Kinder auf Privatschulen schicken und teure Kleidung kaufen. Deshalb kassieren sogar manche Beamte durch zusätzliche Scheinjobs doppeltes Gehalt.
Warum ist die Gesellschaft immer noch gespalten?
Ein großes Problem ist nach wie vor die geografische Trennung. Man hat versucht, die Townships Kapstadts durch Brücken mit dem Zentrum zu verbinden. Trotzdem betreten kaum Weiße die armen Gegenden, weil die Apartheid noch in den Köpfen der Menschen existiert. Dazu kommt, dass es auch unter den Schwarzen geteilte Lager gibt. Unser Land ist durch die Klassengesellschaft gespalten, nicht durch die Hautfarbe.
Was kann man heute tun, um
die Situation zu verbessern?
Gewaltlosen Widerstand leisten, der an den Wurzeln beginnt. Viele Südafrikaner sind sehr religiös. Die Kirchen können die Massen auf friedliche Weise mobilisieren. Das hat die Vergangenheit gezeigt.
Wie hat sich Südafrika nach dem Tod von Nelson Mandela verändert?
Ein Großteil der Menschen steht der ANC-Regierung nicht mehr komplett loyal gegenüber. Vetternwirtschaft, Streit und eine schwarze Elite, die sich auf Kosten der schwarzen Mehrheit bereichert, haben Mandelas Vermächtnis beschmutzt. Ich fürchte, viele Leute werden gar nicht erst zu den nächsten Wahlen am 7. Mai gehen.
Wie ist Ihre Meinung zu ,township tours‘, bei denen Touristen durch arme Viertel geführt werden?
Oft sind die Angebote nicht authentisch. In Soweto in Johannesburg etwa werden die Einwohner zur Schau gestellt, um Geld zu verdienen. Dabei würden die Gemeinden auf dem Land Reisenden gern ihre Traditionen zeigen. Dann wären die Touristen nicht einfach nur Fremde, die Bilder knipsen.
Interview: Alina Halbe, Titelbild: Thinkstock
Dieser Artikel ist in der Juni-Ausgabe des Lonely Planet Traveller (6/2014) erschienen.
... ist ein Hilfsprojekt, in dem Menschen in Armenvierteln durch Yogaunterricht Lebenskraft bekommen. Derzeit entsteht darüber eine Doku, die durch Spenden unterstützt werden kann. Drehort ist die Siedlung Inanda bei Durban, in der Nelson Mandela nach seiner Freilassung erstmals gewählt hat (http://greenshootfilms.wix.com/townshipyogi).
Vom 20. bis 29. Juni findet in Toronto der Worldpride statt - ein internationales Festival, das die unterschiedlichen Identitäten von Geschlechtern und Beziehungsformen zelebriert. Zu den Paraden, Konzerten und politischen Diskussionen ist die ganze Welt nach Kanada eingeladen (worldpridetoronto.com).
Der Autor und Aktivist Rommel Roberts schreibt in seinem kürzlich erschienenen Buch "Wie wir für die Freiheit kämpften. Von stillen Heldinnen und Helden in Südafrika" über Gemeinde- und Kirchenmitarbeiter, Krankenschwestern und andere Menschen, die sich jenseits der Öffentlichkeit mutig gegen das Apartheids-Regime gestellt haben (Lokwort, 19,90 €).