Als Bernd Meyn mit seinem Taxi zum Hamburger Flughafen fuhr, ahnte er noch nicht, dass er zwei Tage später mit fünf Indern auf Reisen gehen sollte.
Eigentlich wollte Bernd Meyn Feierabend machen, der Wagen war schon gewaschen. Doch dann wurde der selbstständige Taxifahrer zum Hamburger Flughafen gefunkt. Fahrtziel: Hannover. Fahrgäste: fünf Inder, eine Delegation der Landwirtschaftskammer aus dem Bundesstaat Meghalaya.
Die Truppe verstand sich auf Anhieb. "Wir plauderten über englischen Fußball, die Geschichte Preußens und Landwirtschaft, was ich ja mal gelernt hatte", sagt Meyn. Als die Herren im Stau Hunger bekamen, fuhr Meyn von der Autobahn ab. In einem Restaurant bestellte er Birnen, Bohnen und Speck und begeisterte die Inder mit der norddeutschen Küche. "Noch bevor sie in Hannover ausstiegen, fragten sie mich, ob ich sie nach ihrem Geschäftstermin durch Europa fahren würde", so Meyn weiter.
"Sie wollten nach Berlin, Prag, Wien, Budapest sowie Brüssel und boten mir pauschal 3500 Euro. Da hab ich nicht gezögert. Solch eine Tour bekommt man nur einmal im Leben angeboten." Ungewöhnlich für uns, aber in Indien ist es durchaus üblich, sich auf Reisen von einem Fahrer kutschieren zu lassen. Knapp zwei Tage später startete die Taxi-Rundtour. Aus dem Chauffeur Bernd Meyn wurde ein Reiseleiter. "Ich habe mir Stadtführer besorgt, die Route geplant, mir überlegt, was wir in den Städten anschauen können und sogar die Hotels gebucht", erzählt er.
Bei über 3500 Kilometern in sieben Tagen blieb nicht viel Zeit für Müßiggang. Knapp eine Stunde haben sie rund um die Frauenkirche in Dresden verbracht und in nicht mehr als zwei Stunden Wien und das Hundertwasserhaus abgeklappert. Verschnaufpausen gab es in Berlin, Prag und Budapest, wo sie übernachteten. Dazu kamen ein spontaner Abstecher zum Schloss Sanssouci in Potsdam sowie eine Stippvisite bei ihrem Diplomaten-Onkel in Gunzenhausen. In Montabaur legte die Gruppe einen Extra-Stopp ein: "Ich bin mit den Männern zum Supermarkt gefahren, um ihnen zu zeigen, dass man hier Mango-Lassi kaufen kann. Da waren sie total erstaunt", erinnert sich Bernd Meyn.
Sein Einsatz wurde honoriert: "Wenn ich etwas gut gemacht hatte, bekam ich einen Schulterklopfer von der Rückbank." Nach ihrer Heimreise schickten die fünf einen herzlichen Brief und luden ihn ein, Indien kennenzulernen.
Sightseeing mit Chauffeur:
Hamburger Taxifahrer verraten in "Der Weg-Begleiter" ihre Geheimtipps in der Hansestadt. Zum Beispiel die Top-5-Eckkneipen. 1. Platz: "Alte Runde Ecke", Grasweg 1 (App ca. 2,11 €, taxi211211.de)
Text: Alina Halbe, Titelbild: Bernd Meyn
Dieser Artikel erschien im Lonely Planet Traveller Jan/Feb 2014.