ReportageAmalfiküste: Keine Fälschung!

© Mark Read
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Sondern alles echt hier, an der Amalfiküste. Die ist so schön, dass man es manchmal nicht glauben kann. Was hilft: sich ab und zu zwicken und aktiv werden. Hier gibt es zwölf Orte und Erlebnisse, die Sie auf keinen Fall verpassen sollten.

Meeresfrüchte - genießen am Strand

Seit dem römischen Reich hat sich der Charakter der Amalfiküste mit ihren schmalen Straßen und engen, mittelalterlichen Ortskernen nicht verändert: Es ist herzlich hier, warm, einfach zum Aus-der-Haut-fahren schön. Dazu gibt’s ganz viel Fischerdorf-Romantik. Apropos Fisch: Den leckersten und frischesten bekommen Sie in der Conca dei Marini. Die Bucht hat einen hübschen Strand zwischen felsigen Klippen – und das „La Tonnarella“, ein Paradies für Meeresfrüchte-Liebhaber. Auf die Tische kommt, was am Morgen gefangen wurde. Die Kellner laufen mit Platten voller Muscheln, Oktopus, frittierter Calamari und gegrillten Barschen hin und her. Dazu reichen sie Weißwein in Karaffen, in denen Pfirsichscheiben schwimmen. Um die Tische muss man kämpfen, denn die Einheimischen kommen früh am Mittag und bleiben oft bis zum Abend. Mit dem Auto ist die Bucht nicht zu erreichen. Man nimmt die steilen Steinstufen, die von der Straße herabführen, oder ein Boot von Amalfi aus.

Valentinos Limoncello probieren

Ein Leben ohne Zitronen könnte sich Valentino Esposito nicht vorstellen. Zu Fleisch, zu Fisch, als Eis, als Saft, mit Wasser verdünnt … „Köstlich“, sagt Valentino und küsst dabei seine Fingerspitzen. „Aber das Beste an ihnen ist“, seine Augen blitzen auf, „der Limoncello.“ Den beliebten Zitronenlikör genehmigt man sich traditionell nach dem Essen, und Bauer Valentinos Limoncello ist natürlich einer der besten. Selbst Jamie Oliver und der Spitzenkoch Gennaro Contaldo sind Fans der vitaminreichen Produkte aus Praiano. In seiner kleinen Manufaktur „Il Gusto della Costa“ braut Signore Esposito dunklen Espresso, den er – natürlich – mit dünnen Streifen Zitronenschale verfeinert. Zwei Mitarbeiter gießen leuchtend gelbe Flüssigkeiten in Glasflaschen. „Für Limoncello benutzt man nur Zitronenschalen, ganz ohne die weißen Fasern“, erklärt Herr Esposito. „Das Weiße macht ihn bitter. Die Schale muss drei oder vier Tage in Alkohol eingelegt werden, dann fügen wir einen Sirup aus kaltem Wasser und Zucker hinzu. Nur vier Zutaten. Die kräftige Farbe ist ganz natürlich.“ Übrigens: Sollte Ihnen mal grüner Limoncello vorgesetzt werden, wundern Sie sich nicht. Er wird im Herbst aus den noch unreifen Zitronen hergestellt. Schon ein Schluck der Flüssigkeit ist eine Offenbarung: süß, stark und randvoll mit dem spritzigen Aroma der berühmtesten Frucht der Amalfiküste.

Shoppen wie Jackie O

Als Jacqueline Kennedy Onassis die Insel Capri in den 60er-Jahren besuchte, reiste sie mit leichtem Gepäck. Vor Ort steuerte sie als erstes die Boutique „La Parisienne“ an und kaufte ein Dutzend der berühmten Caprihosen von Adriana di Fiore. Adriana arbeitet immer noch in der Boutique, die ihre Familie vor mehr als einem Jahrhundert eröffnete. Jackies eng anlie­gende Lieblingshosen werden handgefertigt, ebenso wie die übrige Kollektion im typisch capresischen Stil: bunte Farben, fließende Stoffe und glitzernde Details. Immer mehr lokale Designer und Kunsthandwerker wurden in den letzten Jahren von internationalen Labels verdrängt. Doch Adriana und ihre Tochter Francesca halten die Stellung und sind stolz darauf, Talente aus der Region zu fördern. „Man will uns loswerden“, sagt Adriana und fügt kämpferisch hinzu, „aber wir bleiben!“ Wer sich mit den angriffslustigen Besitzerinnen des „La Parisienne“ anlegen oder gar deren klassischen Amalfi-Stil kopieren will, muss sich warm anziehen.

Sonnenuntergang in Positano gucken

Positano ist fast zu schön, um echt zu sein. Die kleinen, bunten, terrakottagedeckten Häuser, die stufenartig in die Berge hineingebaut wurden, dazu die Kuppel der „Santa Maria Assunta“, die scheinbar alle bewacht, dazwischen Bougainvilleen vor dem blauesten Blau des Himmels und des Meeres – irgendwie wartet man ständig darauf, dass jemand den Aus-Schalter des Kopfkinos drückt, und schon ist die Fototapete weg. Wenn man dann noch mit einem Campari Orange in der Hand auf den Sonnenuntergang wartet, ist der Tag perfekt. Und allmählich versinkt die Stadt in Lachsrosa, Blutorangenrot und schließlich in den tausend funkelnden Lichtern im Dunkeln. Vor lauter Romantik meint man sogar, Homers Sirenen zu hören, die in der „Odyssee“ mit ihrem verführerischen Gesang Seeleute zu ihrer Felseninsel und in ihr Verderben lockten. Das Hotel „Le Sirenuse“ ist nach ihnen benannt und seine Terrasse bietet unbestritten den besten Sonnenuntergangsblick auf Positano. Hach, wie schön kann das Leben sein!

Wandern wie die Götter

Hand aufs Herz: Sie sind nicht an die Amalfiküste gekommen, um in atmungsaktiven Outdoorjacken und klobigen Wanderschuhen Trekkingpfade zu erkunden? Dennoch sei hier empfohlen: Packen Sie unbedingt ein Paar feste Treter ein. Denn der Weg, der vom Dorf Agerola hoch oben auf einem Hügel über schroffe Felsklippen hinunter ans Meer nach Positano führt, heißt nicht umsonst „Sentiero degli Dei“: Pfad der Götter. Der schmale Auf-und-ab-Steig ist atemberaubend, genauer gesagt: seine dramatischen Aussichten. Nach jeder Biegung tut sich ein neues Spektakel auf: Das Meer, vorhin noch türkis, jetzt plötzlich tintenblau, bricht sich an der Steilküste, weiter hinten sieht man die Insel Capri wie den Rücken einer Riesenschildkröte im Tyrrhenischen Meer schwimmen. Auf einem vorgelagerten Felssporn thront einer dieser typischen Wachtürme, die entlang der Amalfiküste einst zur Abwehr von Piraten gebaut wurden. Die Luft riecht nach wildem Thymian, man hört nur das Zirpen der Zikaden und gelegentlich ein Stachelschwein, das im Unterholz raschelt. Mal schlängelt man sich entlang einer steilen Felswand, mal unter hohen Klippen in Richtung des Dörfchens Nocello. Sogar Zeus soll sich auf dem Götterpfad herumgetrieben haben. Kein Wunder: Schöner kann’s im Himmel auch nicht sein.

Oldtimer fahren

Ach, Sie haben gar kein Auto? Macht nichts, das lässt sich ausleihen. Die Haarnadelkurven der Küstenstraßen muss man mindestens einmal im Leben mit offenem Verdeck, knatterndem Motor und Grace-Kelly-Gedächtnisfrisur entlangfahren. Bei „Spider Life Style“ in Sorrento kann man großartige Sammlerstücke mieten, vom niedlichen Fiat 500 bis zum schicken Jaguar. Oder wie wäre es mit einem knallroten 1970er Alfa Romeo Cabrio? Das liegt 1a auf dem heißen Teer und gibt den Blick frei aufs Postkarten-Panorama. Che bello!

Rossellini erleben wie im Film

Der Regisseur Roberto Rossellini, bekannt für seine Filme, aber auch für sein aufregendes Liebesleben, ist einer der berühmtes­ten Söhne der Region. Er drehte unter anderem in Maiori, wo heute in der ganzen Stadt Fotos von Filmszenen ausgestellt sind. Der Trick funktioniert: Man spaziert die Straßen entlang, stellt sich vor, Star seines eigenen Films zu sein, und findet sich plötzlich in Posen à la Ingrid Bergmann oder Anna Magnani wieder. Für den früheren Bauarbeiter Carlo Rumolo, mit 100 Jahren immer noch quietschfidel, wurde so übrigens ein Traum wahr. Rossellini entdeckte Carlo bei einer Laienproduktion, kurz darauf besetzte er ihn als Polizeibrigadier in „Die Maschine, die die Bösen tötet“ von 1948, die Geschichte eines Fotografen, dessen Kamera die Macht hat zu töten. Carlo freut sich über jeden Besucher Maioris, der ihn nach seinem Moment des Ruhms fragt. „Es ist wundervoll, etwas in meinem Leben zu haben, das die Leute so sehr interessiert.“

Kochen mit Mamma

Agata Lima, die alle Mamma Agata nennen, lebt in einem Haus mit Meerblick auf einer der Terrassen unterhalb von Ravello. In den 60ern arbeitete sie in der berühmten „Villa Civita“, wo sie Hollywoodstars wie Humphrey Bogart und Lauren Bacall oder Elizabeth Taylor und Richard Burton mit italienischen Spezialitäten verwöhnte. Mamma Agata kocht nach alten Familienrezepten und gibt heute die Geheimnisse ihrer Küche weiter. Die Schule ist in ihrem Haus untergebracht, das seit 250 Jahren in Familienbesitz ist, und wird von ihrer temperamentvollen Tochter Chiara geleitet. Sie wuselt umher und drängt den Schülern fröhlich Essen auf. „Willst du die Familie zusammenbringen, dann koche“, sagt Chiara, während sie die „Abschlussarbeiten“ des Unterrichts anbietet: frittierte Zucchiniblüten, Melanzane alla parmigiana, Pappardelle mit Peperoni, Rosmarinhuhn und Mamma Agatas berühmten Zitronenkuchen. Humphrey Bogart war verrückt nach ihm und bestand darauf, ihn dreimal am Tag zu essen. Agata verwendet übrigens ausschließlich regionale Produkte, die sie am liebsten in ihrem Garten erntet. Für Mamma Agata und Chiara ist die Kochschule mehr als nur ein Job. „Wenn ich Millionärin wäre, dann würde ich das hier umsonst machen“, sagt Chiara. „Für uns Italiener ist Essen nun mal der Mittelpunkt der Welt.“

Lustwandeln wie einst Greta Garbo

Das Dorf Ravello liegt hoch in den Bergen, ein exzentrisches Labyrinth aus steinernen Treppen und mittelalterlichen Häusern, die rund um die Kathedrale aus dem 11. Jahrhundert gebaut wurden. Der kleine Ort liegt so abgeschieden, dass er die bekannteste Einsiedlerin des 20. Jahrhunderts, Greta Garbo, anzog. 1938 mietete sie hier gemeinsam mit ihrem Liebhaber, dem Dirigenten Leopold Stokowski, der 23 Jahre älter und mit einer anderen verheiratet war, die „Villa Cimbrone“. Sofort lauerten Paparazzi rund um die Uhr vor dem Gebäude und plötzlich war das ver­schlafene Ravello weltweit bekannt. Heute ist die „Villa Cimbrone“ ein Hotel und die Gärten sind für alle offen, die zwischen blühendem Lavendel spazieren wollen oder im Schatten der Bäume Schutz vor der Sonne suchen. Die Gärten haben etwas Geheimnisvolles, es gibt versteckte Grotten und Statuen griechischer Götter stehen zwischen wildem Wein und Kamelien. Einst erzählten die Klatschkolumnen, dass Stokowski jeden Morgen Kamelien für die Garbo pflückte. „Es ist grausam, Menschen zu belästigen, die in Ruhe gelassen werden wollen“, blaffte Garbo die Reporter an, die ihr durch Ravello folgten. Heute hingegen findet man im Hotel eine Ruhe, wie sie sich ein Filmstar nur wünschen kann. Wenn Sie also mal einen diskreten Unterschlupf brauchen, wissen Sie, wohin.

Das beste Eis der Welt schlecken

130 Eissorten – wer soll die alle essen, fragen Sie sich? Oh, keine Sorge, wenn Sie auch nur eine Kugel in der „Gelateria David“ probiert haben, werden Sie beten, dass das Zeug da auf Ihrer Zunge niemals aufhört zu schmelzen. Das Beste: Die Betreiber dieser sensationellen Eisdiele weisen Laien in Work­shops in die Zubereitung ein. Carmela und Gargiulo verwen­den nur saisonale Produkte, deshalb richten sich die Eissorten nach dem Angebot auf dem Markt. Ihre Spezialität sind salzige Varianten wie Melone-Schinken oder Parmesaneis.

Pausieren hinter Klostermauern

Wer an der Amalfiküste geistige Erholung statt Glamour sucht, findet sie im „Oasi Madre della Pace“. Das Kloster, das der ehrwürdigen Teresa Manganiello gewidmet ist, liegt versteckt zwischen silbernen Olivenbäumen in den Bergen über Sorrento. Die Franziskanerinnen empfangen Gäste aus der ganzen Welt, die zum spirituellen Rückzug hierher kommen oder einfach nur ein, zwei Tage Ruhe suchen. Im Küchengarten wächst neben Sonnenblumen fast alles, von den traditionellen Zitronen bis hin zu Kiwis. Besonders wohltuend ist der unglaublich schöne Ausblick, der von Sorrento bis nach Neapel und zum Vesuv reicht. So büßt man gern für seine Sünden.

Ins Mittelmeer springen

In den Gewässern vor der Stadt Amalfi tummeln sich Boote aller Art, von bescheidenen Jollen bis hin zu schicken Superjachten. An den Wochenenden werden die Felsbuchten zu schwimmenden Städten, auf denen ausgelassen gefeiert wird. Sucht man Nervenkitzel, dann wagt man die Fahrt aufs offene Meer. In jedem Küstenort gibt es ein Schild, auf dem „noleggio barche“ (Bootsverleih) steht und das die Passanten einlädt, selbst mal Kapitän zu spielen. Wer den Hafen verlassen hat, taucht ein in einen Farbenrausch. Wasser und Himmel überbieten sich in den wundersamsten Blautönen: Petrol, Tintenblau, Azur, es nimmt einfach kein Ende. Nebenbei heizt die Sonne das Deck so auf, dass man ein Ei darauf braten könnte. Haben alle Siedetemperatur erreicht, ist der Moment gekommen: Man stellt sich an der Reling auf, die Zehen klammern sich an den Rand, drei, zwei, eins – mit einem Juchzer geht’s hinein ins Meer. Für einen Moment unter Wasser ist alles herrlich kühl und still. Dann heißt es wieder zurück an Bord und der Spaß fängt von vorne an.

 

Text: Miriam Collée & Alex von Tunzelmann

Conca dei Marini

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Praiano

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Capri

Weitere Infos:

  • La Parisienne, Piazza Umberto 1, Capri (Caprihosen ab ca. 200 €)
    Tel. +39-081-8377750

Positano

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Pfad der Götter

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Sorrento

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Maiori

Weitere Infos:

  • Film-Zitate findet man in ganz Maiori. Infos zum internationalen Rossellini-Filmfestival und gleichnamigen Preis gibt es auf premiorossellini.com

Ravello

Weitere Infos:

  • Kochkurs-Termine und mehr unter mammaagata.com. Rezepte finden Sie in Chiara Limas Kochbuch „Mamma Agata“, Edition Styria, 24,99 €
  • Hotel Villa Cimbrone, Via S. Chiara 26, Ravello (Gärten geöffnet von 9 Uhr bis Sonnenuntergang), Tel. +39-089-85 74 59

Tyrrhenisches Meer

Weitere Infos:

  • Boote kann man in den meisten Städtchen entlang der Küste mieten
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