Alles mal probierenFrancesinha

© Adrienne Pitts
© Adrienne Pitts

Lonely Planet Mitarbeiterin Orla Thomas, die sich vorwiegend vegetarisch ernährt, besuchte im portugiesischen Porto das „Café Santiago“, um das stadttypische Fleischsandwich zu kosten. Eine kleine Herausforderung.

Das war das erste Mal, dass ich Angst vor einem Sandwich hatte, aber es war immerhin meine erste Begegnung mit dem Francesinha. Ich wuchs als Vegetarierin auf und bin noch immer zimperlich, was nicht-pflanzliches Protein angeht. Darum war der Gedanke, das für Porto charakteristische Fleischgericht zu probieren, nicht gerade verlockend. Ein zehn Zentimeter hoher Stapel aus dickem Brot, gefüllt mit feucht geräuchertem Schinken, Linguiça (Räucherwurst) und Steak, bestrichen mit geschmolzenem Käse, in Tomatensoße gebadet und mit einem Ei obendrauf. Der Klopser, von Fleischessern gefeiert und als Sandwich getarnt, ist eine vollständige Mahlzeit.

Der Name Francesinha bedeutet „kleiner Franzose“ und bezieht sich auf seinen Ursprung. „Man erzählt sich, dass ein Koch, der in den 50-er Jahren aus Frankreich zurückkam, eine Stelle im Restaurant ,A Regaleira‘ annahm, das es inzwischen nicht mehr gibt“, erzählt André Apolinário, Mitbegründer von „Taste Porto Food Tours“, als er mich durch die Seitengassen der Innenstadt führt. „Er hatte Schweinefleisch übrig, das verbraucht werden musste. Also schnitt er ein Croque Monsieur auf, schichtete Fleisch hinein und gab Würzsoße darüber – fertig war das erste Francesinha.

“Das Café Santiago serviert das Gericht beinahe seit seiner Eröffnung 1959. Es gilt als einer der besten Orte für Francesinha in der Stadt. Als ich mich in den hellen Speisesaal an der Praça dos Poveiros setze, bin ich beruhigt, die vielen Ortsansässigen zu sehen, die zur Mittagszeit hineinkommen. Während wir auf unsere Bestellung warten, erklärt André, dass alle Köche das Gericht ein wenig variieren, vor allem die Soße. „Manche geben Bier hinein, andere Portwein. Viele halten ihr Rezept geheim. Ich kenne sogar das von meiner Mutter nicht! Sie hat es nicht einmal aufgeschrieben, sondern alles im Kopf“, sagt er. „In einem Restaurant namens ,O Golfinho‘ kennt nur der Besitzer das Rezept. Wenn er nicht arbeitet, gibt es an diesem Tag kein Francesinha.“

Mein Sandwich kommt: sehr liebevoll zubereitet und – überflüssigerweise – mit einer Portion Pommes frites serviert. Ich tauche diese versuchsweise in den Burggraben aus Soße, die ähnlich wie Tomatensuppe schmeckt. Dann beginne ich, mich durch fünf Lagen Protein zu schneiden. Mein Appetit schwindet. Jede fleischige Gabel, wenn auch voller Geschmack, verschlimmert es noch. Ich schaffe kaum ein Viertel und lasse kleinlaut das Besteck sinken. Soeben habe ich meine eigene persönliche Episode von „Mensch gegen Essen“ gedreht, war aber Frau genug, diesmal zuzugeben, dass das Essen gewonnen hat.

Was ist drin?

  • Brot
  • feucht gereifter Schinken
  • Linguiça (geräucherte Schweinswurst, gewürzt mit Knoblauch und Paprika)
  • Steak

Was ist drauf?

  • Geschmolzener Käse
  • Ei
  • Tomaten- und Biersoße

Plus & Minus

Mir gefiel am besten, zu beobachten, wie Einheimische hineinkamen und so aussahen, als bräuchten sie dringend eine Portion dieser stadtbekannten Kater-Kur. Beunruhigend fand ich, in das Sandwich zu schneiden und festzustellen, dass ich nicht sagen konnte, was welches Fleisch war.

Peinlichkeitsfaktor

5/10 (Essen übrigzulassen fühlt sich immer unhöflich an).

Herausforderungsfaktor

7/10

Spaßfaktor

4/10

Weitere Sandwiches, die man liebt oder hasst:

The Gatsby (Kapstadt)

Kann mit allem von Wurst bis zu Calamari gefüllt werden, wobei „Slap Chips“ (südafrikanische Pommes) so gut wie obligatorisch sind. In sämtlichen Formen eine Empfehlung. Das XL-Sandwich stammt aus den 1970er Jahren, nachdem der Film „Der Große Gatsby“ in die Kinos kam und ein Beispiel für die Dekadenz wurde.

Philly-Käsesteak (Philadelphia)

Eine dünne Scheibe Rindfleisch mit geschmolzenem Käse, serviert als lange Rolle und erstmalig 1930 aufgetischt. Echte Nerds fassen kein sogenanntes „Käsesteak“ außerhalb von Süd-Philadelphia an. Man kann den geschmolzenen Käse auswählen (Cheez Whiz oder Provolone sind Standard) und bestellt sein Sandwich „mit“ oder „ohne“ (gebratenen Zwiebeln).

Französischer Taco (Frankreich)

Das Land der Haute Cuisine beweist mit dieser Erfindung aus dem 21. Jahrhundert mit Kebabfleisch, Pommes und irgendeiner Soße (normalerweise mit Käse), die in einem rechteckigen Paket aus Brotscheiben verpackt sind, dass es auch etwas Triviales zubereiten kann. Der Marktführer, die Kette „O'Tacos“, hat heute mehr als 200 Filialen in Frankreich, Belgien, Marokko und den Niederlanden sowie eine in Brooklyn in den USA.

Text: Orla Thomas, Fotografie: Adrienne Pitts

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