Wer bei dem Land am Atlantik ausschließlich an schöne Strände denkt, verpasst das Beste. Im Norden gibt es nämlich einzigartige Naturparks, Weltklasse-Weine, eine Trendmetropole und – okay, auch Traumstrände!
Nordportugal umfasst das Gebiet zwischen der Stadt Guarda und dem Rio Minho an der Grenze zu Spanien. Unsere Rundtour führt von Porto über die Küste zu den Parks und endet im Weltkulturerbe-Weingebiet am Douro.
Punkt neun Uhr morgens herrscht in den verwinkelten Gassen schon geschäftiges Treiben. Die Rollläden der kleinen Geschäfte werden mit lautem „Rrratsch“ hochgeschoben, an den Tresen der Pastelarias nehmen die Leute noch rasch einen Galão, dazu ein Pastel de Nata, eines dieser köstlichklebrigen Blätterteig-Puddingtörtchen, und los geht’s zur Arbeit. Die Glockenschläge des Kirchturms Torre dos Clérigos ertönen. Bereits zu dieser frühen Stunde stehen die Touristen Schlange, um den 75 Meter hohen Barock-Koloss, der zum Weltkulturerbe-Ensemble des historischen Zentrums Ribeira gehört, zu erklimmen. Die Aussicht ist die Warterei und das Treppensteigen wert: Ein Meer aus Terrakottadächern breitet sich unter einem aus, durchzogen von Straßenadern, die sich bis zum Douro schlängeln. Über den Fluss spannt sich die imposante zweistöckige Luis-I-Brücke, über deren obere Plattform die Metro fährt – hinüber zu dem idyllischen Portwein-Dorf Vila Nova de Gaia mit seinen Kellereien.
Porto ist eine alte Handelsstadt und das industrielle Zentrum des Landes. Die Bewohner behaupten: „Wir verdienen das Geld, das in Lissabon ausgegeben wird.“ Dabei kann man auch hier locker das Reisebudget auf den Kopf hauen. Zum Beispiel auf der Einkaufsmeile Rua de Santa Catarina. Oder in der Bombarda, wie das an die Altstadt grenzende Künstlerviertel genannt wird. Lässige (Vintage-)Läden reihen sich an Galerien, Bio-Shops und stylishe Hostels. Ganz in der Nähe befindet sich der Palácio de Cristal, durch den der verwunschene Themenpfad Caminho Romântico zum Wasser führt. Müde Füße? Dann empfiehlt sich eine Fahrt mit dem Doppeldecker-Bus 500 ab Placa de Lisboa. Er chauffiert einen bis zum Atlantik, vorbei an lauschigen Plätzen, farbenfrohen Häuschen mit Azulejos (bemalte Fliesen) und vielen Gelegenheiten für einen Tavernen-Stopp. Oder man deckt sich zuvor mit Leckereien in der Markthalle „Mercato di Bolhão“ von 1851 ein und macht am Stadtstrand ein Picknick.
Porto kann übrigens nicht nur barock. Innen wie außen höchst modern ist das Museum für zeitgenössische Kunst (serralves.pt) sowie die von Rem Koolhaas entworfene Konzerthalle (casadamusica.com), die wie ein herabgefallener Meteorit aussieht – und die es nach anfänglichem Gemaule der Locals in den Wahrzeichen-Olymp ihrer Heimat schaffte.
Auf zur nächsten Etappe: Nur 30 Autominuten Richtung Norden und das Stadtleben ist vergessen. Hier liegen die schönen Strände von Apúlia und Ofir.
Man könnte sie von Weitem glatt für Krokodile halten, so wie die flachen Felsen am Strand von Apúlia nach jeder Welle aus dem Meer ragen. Der Badeort ist das südliche Ende des Parque Natural Litoral Norte, einem rund 18 Kilometer langen Küstenabschnitt, der sich Richtung Norden bis zur Mündung des Flusses Cávado in der Provinz Viana do Castelo hinaufzieht. Er gehört zu Portugals wichtigsten Wind- und Kitesurf-Revieren. Die Strände sind so schön, dass es dort am Wochenende wie in einem Wimmelbuch zugeht.
Ins Hinterland führen endlose Holzstege durch die mit Gras und Heide bewachsene Landschaft, die von Vogelarten wie Graureiher, Stockente, Silbermöwe und Seeschwalbe als Nist- und Rastplatz genutzt wird. Die Dünen bilden eine natürliche Barriere gegen den Wind, der eine feine Brise Seetang in die Nase weht. Weil das Wasser von Apúlia stark jodhaltig ist, gibt es hier viele Meeresalgen. Geerntet werden sie von Juli bis September. Dann stehen Männer in Gummihosen in dem Gewässer und ziehen mit einem langen Haken die schweren Algenfelder an Land. Dort trocknen sie im Sand und werden später als Dünger an die Bauern verkauft. Ein Knochenjob, den die Sargaçeiros da Apúlia einst mit Akkordeonmusik und Gesang begleiteten. Heute gehören die Seetangsammler mit ihren Trachten zur portugiesischen Folklore.
Auf dem Weg nach Ofir wird die Essenszeit durch Rauchzeichen eingeläutet. Sie wabern aus den monströsen Holzkohlegrills der Tavernen, in denen man vorzüglichen Arroz de marisco, Reis mit Meeresfrüchten, schlemmt.
Obwohl nur wenige Kilometer hinter einem liegen, hat sich die Küstenlandschaft verändert. Die Dünen sind höher und der Pinienwald reicht fast bis an den Strand. Die Brandung peitscht an die Felsen, auf denen ein paar Kinder stehen, die lauthals jauchzen, wenn sie von der Gischt nass gespritzt werden. Sie kommen aus Porto und verbringen mit der Familie ein paar Tage in ihrem Sommerhaus, einer stillgelegten Windmühle aus grauem Stein. Von dieser Sorte gibt es viele im Norden, einige Städter vermieten ihr umgebautes Domizil auch an Gäste. Am Strand von Ofir steht Surflehrer Eduardo Loureiro und wartet auf seine Schüler, die sich in ihre Neoprenanzüge quetschen. Seit fünf Jahren unterrichtet er hier, und noch immer leuchten seine Augen, wenn er von seiner „Berufung“ spricht: „Da draußen steht die Zeit still“, sagt er. „Man fühlt sich vollkommen frei. Um das zu verstehen, muss man es selbst ausprobieren.“ Apropos, auch eine kulinarische Erfahrung sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen: Clarinhas. Die mit Kürbis und geschlagenem Eiweiß gefüllten Blätterteigtaschen gehören ebenso zur Region wie das Fest Romaria a São Bartolomeu do Mar am 24. August. Für das pilgern Tausende nach Esposende nördlich von Ofir, um hier das „heilige Bad“ zu nehmen.
Text: Christa Larwood, Fotos: Matt Munro
Den vollständigen Artikel mit Infos zu weiteren Naturparks und dem Douro-Tal finden Sie in der August-Ausgabe des Lonely Planet Traveller.