Portugals zweitgrößte Metropole muss sich nicht hinter der Hauptstadt verstecken – schon gar nicht, wenn es um Essen und Trinken geht. Erkunde die Kulinarik-Szene von Porto, einem Ort mit großem (Lebens)Hunger.
Viele Portuenses beginnen den Tag mit Gebäck und einem „Galao“ in einem der vielen Cafés von Porto. Eines der ältesten ist die „Confeitaria do Bolhão“, gegründet im Jahre 1896. Während der morgendlichen Rushhour begrüßt das Personal die Stammkunden hinter der Glastheke, unter der eine bunte Palette mit Marzipanstückchen und anderen Köstlichkeiten das Wasser im Munde zusammen laufen lassen – wie die Jesuítas, große, dreieckige Teilchen mit Sahne und Mandeln.
In Portugal ist Backen fast buchstäblich eine Religion: Viele Rezepte sind das Vermächtnis von Mönchen und Nonnen, die mit den Mini-Kuchen einst das Einkommen ihrer Orden aufgebessert haben. Bekanntestes Beispiel: das Pastel de Nata. Dieses Blätterteigtörtchen mit Pudding gilt als Bestseller der Confeitaria do Bolhão. Spezialität des Hauses ist allerdings die Tigelinha do Bolhão, eine Cremetorte mit Mandeln. Sie schmeckt mindestens genauso gut wie das Pastel de Nata, weshalb man sich fragt, warum nur das Blätterteigtörtchen auch außerhalb Portugals Ruhm erlangt hat.
Jeder Local hat eine Lieblingsadresse für das Morgenritual. Die des 73-jährigen João Pessanha ist das „Café Guarany“, seit den 1930er-Jahren Zentrum der literarischer Elite. Seit zwei Jahrzehnten kommt Senhor Pessanha jeden Tag hierher, um an den Marmortischen Gedichte zu schreiben und Kaffee zu trinken. „Wenn ich hier bin, fühle ich mich mit den Künstlern und Schriftstellern von Porto verbunden“, erzählt João und fügt hinzu: „Es ist beinahe so, als könne ich die Inspiration hier spüren.“ Er nimmt einen Schluck Kaffee und liest mir eines seiner Gedichte vor. Obwohl ich kein Wort davon verstehe, ist seine Stimme melodisch und voller Emotionen. „Ich schreibe für mich selbst, aber meine Poesie ist für jeden frei zugänglich, der sie lesen will.“ Zum Abschied drückt er mir ein Gedicht in die Hand.
Während Kaffee für Joaõ ein kreativer Motor ist, ist er für Gonçalo Cardoso eine Leidenschaft für sich. Sein Geschäft „Combi“ betreibt er im aufstrebenden Stadtteil Bonfim. „Bevor wir angefangen haben, hat niemand in Porto speziellen Kaffee gemacht“, erzählt er. „Alle tranken billigen Espresso.“ Er schenkt mir eine Tasse des köstlichen Heißgetränks ein, zubereitet aus „Single Origin“-Bohnen, vor Ort gemahlen. „Unser Kaffee kommt etwas säuerlicher und fruchtiger daher als gewohnt. Aber Portugiesen sind neugierig und lieben es, Dinge auszuprobieren.“
Der beste Repräsentant von Combi ist der Van, nach dem das junge Unternehmen benannt wurde. Ein umgebauter, pistaziengrüner Oldtimer, der für die Anfänge ihres Business steht, als sie noch in dem Gefährt ihren Kaffee verkauften. „Die Leute erkunden sich regelmäßig nach dem Bus“, sagt Gonçalo. „Wir konnten mit dem Geld, das wir dank des Vans verdienten, den Laden eröffnen. Also hat er sich das Interesse unserer Kunden mehr als verdient.“
→ confeitariadobolhao.com; cafeguarany.com; folge „Combi“ auf Instagram, @combi_coffee, oder auf combicoffee.pt.
„Mit Petiscos lässt sich die portugiesische Esskultur sehr schnell kennenlernen“, sagt André Apolinário, Mitbegründer von „Taste Porto Food Tour“. Er schaut auf die Speisekarte des „Tascö“, einem kleinen Restaurant in einer schattigen Seitenstraße. „Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit, in der wir noch anders gegessen haben. Petiscos können mittags oder abends schnabuliert werden, oder dazwischen. Wichtig aber ist, man umgibt sich mit Freunden und teilt.“
Eines nach dem anderen werden die Gerichte im schummrigen Ambiente des Restaurants serviert. Zuerst bekommen wir pica-pau, eine Mini-Version des üppig gefüllten Fleischsandwichs Francesinha. Dann gibt es Vorderschinken in Weißwein, gekocht und mit Gurken sowie knusprig gebratenem Kabeljau kredenzt. Es sind großzügige Portionen mit einfachem Geschmack: Essen, das zum Trinken und Reden anregt. Aus denselben Gründen ist man auch bei „Taberna do Largo“ bestens aufgehoben. Dieses kleine Restaurant ohne Schild über dem Eingang befindet sich hinter einer roten Tür an der Fußgängerzone Rua das Flores. Tische stehen auch draußen auf dem Bürgersteig, wodurch sich das Treiben auf der Straße lässig mit einem Drink in der Hand beobachten lässt. Ich bestelle einen Rotwein und die Spezialität des Hauses: Chouriço, in einer besonderen Terrakotta-Schale, über den Flammen des Feuerwassers geräuchert.
Auf der anderen Straßenseite, in der „Cantina 32“, ist man stolz auf die etwas anders zubereiteten Petiscos. Die Tradition des gemeinsamen Essens passt zum Restaurant-Trend der kleinen Gerichte. Cantina 32 ist eine Domäne der Hipster, wie der Rohbeton, die nackten Birnen und die Fahrräder an der Wand zeigen. Ich bestelle Maniokchips. Wie riesige Holzspäne sehen sie aus, direkt von der Werkbank eines Schreiners.
Anschließend serviert der Kellner mit grauer Schürze ein Bankett mit den schönsten angerichteten Häppchen: vom Lachs mit Senf und Orange bis zur Käseplatte ist alles dabei. Da ich unter einem Dachfenster sitze, gleicht das Lunch durch die Hell-Dunkel-Kontraste eher einem Gemälde als einem Mittagessen. Elegant und formvollendet.
→ facebook.com/soldoutarena; facebook.com/tabernadolargo; cantina32.com
Text: Orla Thomas, Fotografie: Adrienne Pitts
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