Comer See? Lago Maggiore? Mondän waren die oberitalienischen Seen schon immer, aber auch ein wenig angestaubt. Dank George Clooney & Co. sind sie wieder en vogue. Dabei hat die herrliche Region viel mehr zu bieten als Promis und Schickimicki. Ein Besuch bei Einheimischen, die lokale Traditionen wahren.
Noch mehr Eindrücke von den italienischen Seen in der Bildergalerie
An der Uferstraße von Cannobio nach Arona fängt der Süden an. Kamelien blühen, Villen verstecken sich in opulenten Gärten hinter Palmen und Zypressen. An den Promenaden reihen sich Restaurants in bunten Häuschen mit schmucken Fensterläden aneinander. Und linkerhand glitzert der Lago Maggiore in der Sonne. Postkarten zum Selberknipsen.
Lago Maggiore, Lago di Como, Lago di Lugano: Die Schönheit der oberitalienischen Seen – entstanden durch eiszeitliche Gletscher – zieht die Menschen seit Jahrhunderten in ihren Bann. Ein Mix aus mildem Klima und mediterraner Pflanzenwelt, umrahmt von den schneebedeckten Alpen.
Einst waren es die italienischen Adelsdynastien, die Borromeos und Viscontis, die an den Ufern nahe der Schweizer Grenze ihre Burgen und Palazzi bauten. Als der Simplonpass ab 1805 Mailand mit Paris verband und später der Orientexpress am Maggiore hielt, genossen die Reichen und Mächtigen aus ganz Europa die Sommerfrische an den Seen. Die Gästeliste liest sich wie das Who’s who der damaligen Zeit: Napoleon (gastierte mit Frau bei den Borromeos auf der Isola Bella), Nietzsche, Stendahl, die Vanderbilts, Hemingway … Prächtige Belle-Époque-Villen entstanden und mondäne Hotels wie die „Villa d’Este“ in Cernobbio am Comer See und das „Grand Hotel des Iles Borromées“ am Lago Maggiore.
Nach dem Krieg urlaubte Konrad Adenauer alljährlich am Comer See und mit ihm rollten in den 1950er-Jahren die ersten deutschen Touristen über die Alpen. Am Maggiore gab es Cappuccino statt Filterkaffee, exotische Pizza statt schnöder Stullen. Und sehnsüchtige Schlager von Vico Torriani. Dann fiel die Region in einen langen Dornröschenschlaf. Seit einiger Zeit sind die Seen wieder en vogue. Einen guten Anteil daran hat George Clooney. Vor Jahren kaufte der Hollywood-Beau die „Villa Oleandra“ am Comer See und machte das 900-Einwohner-Dorf Laglio zu seiner Wahlheimat. Seither ist das angestaubte Image passé und Touristen und Paparazzi strömen in Scharen an den Lago (im Sommer lieber nicht hinfahren!). Im Glamour-Schlepptau: Fußballmillionäre, Oligarchen, Scheichs und diverse andere VIPs, die sich an den Seen luxuriöse Anwesen spendieren.
Nicht alle sind glücklich über den neuen Hype. Zwar spült die High Society viel Geld in die Region und sichert lokale Jobs. Auf der anderen Seite sind die Lebenshaltungskosten drastisch gestiegen und verdrängen das althergebrachte Leben in dem schönen Landstrich. Doch neben all den Designerboutiquen und Ferraris, die heute das Bild in vielen Ortschaften prägen, gibt es sie noch: Handwerker, Künstler, Fischer – Menschen, die die alten Traditionen bewahren und sie teils schon an die nächste Generation weitergeben.
Laglio ist ein verschlafenes Nest am sonnigen Westufer des Comer Sees. An den grünen Hängen klammern sich schicke Villen bis hinunter zum Wasser, wo sanfte Wellen träge an private Anleger schwappen. Daniele Riva steht in blauer Latzhose in seiner Werkshalle und schleift das Deck eines maroden Motorboots. „Klar, George Clooney ist eine tolle Werbung für uns“, sagt er. „Aber viele Familien wohnen hier seit Generationen zur Miete. Jetzt können sie sich die Preise nicht mehr leisten. Und um die Häuser zu kaufen, fehlt ihnen das Geld.“ Danieles Familie fertigt seit 1771 Boote in Laglio. Ab den 1950er-Jahren entwarf Carlo Riva am nahen Iseo-See die legendären Rivas, elegante Cruiser aus poliertem Mahagoni mit mächtigen Motoren, Zigarettenanzünder und Eisbox. Belmondo, Gunter Sachs, Brigitte Bardot – ohne den Rolls-Royce der Meere lief bei der Schickeria der 60er- und 70er-Jahre nichts. Gepflegte Modelle sind heute rar und erzielen Preise von rund 100.000 Euro.
Daniele konstruiert in seiner Werft eigene Boote aus heimischem Zedernholz und restauriert die alten Klassiker. In der Fertigungshalle stehen Bootsskelette mit nackten Spanten neben den Oldtimern. Es riecht nach Harz und frischem Holz. Am Ende der Reihe zeigt Daniele eines seiner handvollendeten Produkte: Unter dem glänzenden Lack des „Jetto 5.3“ schimmert die feine, rotbraune Maserung der Zeder. Die Planken sind so perfekt zusammengefügt, als seien sie aus einem Stamm gearbeitet. Der Bootsbau sei eine kleine, aber lukrative Branche, sagt Daniele. „Meine Kinder sind jetzt neun und vier Jahre alt und lieben die Boote. Wenn sie sich später entscheiden sollten, die Werft weiterzuführen, bin ich sicher, dass sie noch viele Rivas bauen werden.“ Für seinen prominenten Nachbarn empfindet Daniele hingegen fast Mitleid: „Signor Clooney besitzt drei Rivas. Aber er hat mich gefragt, ob ich sie für ihn verkaufen kann. Immer wenn er auf den See hinausfährt, glotzen ihn alle nur an.“
Wer von Laglio am Ufer entlang nach Norden fährt, sieht noch mehr Promi-Domizile: Hier das Refugium von Richard Branson, dort das ehemalige Eigenheim von Gianni Versace, nun im Besitz eines russischen Oligarchen. Und in Lenno lässt sich die pompöse Villa del Balbianello samt Garten besichtigen, wo Szenen für „Star Wars“ und „Casino Royale“ gedreht wurden. Am nördlichen Ende des Sees ist dann Schluss mit High Society. Eine kühle Brise bläst von den nahen Alpen hinab, Surfer schießen übers kobaltblaue Wasser. Das Leben wirkt entspannter und traditioneller.
Hoch über den Terrakotta-Dächern der Gemeinde Domaso windet sich eine schmale Straße den Berg hinauf. Am Wegrand wuchert duftende Minze, Steinmauern stützen steile Terrassen, auf denen knorrige Weinreben an Holzgestellen ranken. Daniele Travis Familie baut an den Hängen seit über 200 Jahren Wein an. Obwohl er schon im Rentenalter ist, klettert und springt Signore Travi in den Terrassen herum wie ein Teenager und präsentiert stolz seine ältesten Rebstöcke. Manche sind dick wie Oberschenkel. „Ich bin gelernter Metallurge, der Weinbau war eigentlich nur ein Hobby“, erzählt er später bei der Verkostung im Agriturismo. „Aber inzwischen bin ich Winzer aus Leidenschaft.“ Zum frischen Domasino-Wein gibt es Käse, Schinken und leckeres Brot, dazu einen Traumblick über den Comer See. Als Kind habe er die Trauben mit seinem Opa noch mit den Füßen gepresst, heute kämen da Keltermaschinen zum Einsatz (puh!). Dennoch legt Daniele viel Wert auf Traditionen: „Wir bauen auf unserem Gut die Rosseia an, eine sehr alte, heimische Rebsorte, die schon vor 2000 Jahren erwähnt wurde.“ Mit der Industrialisierung der Produktion sei sie irgendwann in Vergessenheit geraten. Daniele lacht und deutet auf die üppig behangenen Reben am Berg. „Aber nun ist sie wieder da.“
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Text: Alex von Tunzelmann, deutsche Bearbeitung: Olaf Heise, Titelbild: Andrew Montgomery
Hinkommen
Germanwings (germanwings.com) fliegt z. B. von Hamburg und Düsseldorf nach Mailand/Malpensa, Air Berlin (airberlin.com) ab Berlin. Ab Wien steuert Austrian (austrian.com) Mailand an. Mit dem Europa- Spezial der Deutschen Bahn (bahn.de) geht es ab ca. 39 € nach Mailand. Von Zürich ist der Zug in ca. 2,5 Stunden in Lugano (sbb.ch).
Herumkommen
Mit dem Mietwagen (z. B. von Sixt; sixt.com) fährt man vom Flughafen Mailand/Malpensa in gut 30 Minuten an den Lago Maggiore, in einer knappen Stunde an den Comer See.
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Baedeker Reiseführer „Oberitalienische Seen, Lombardei, Mailand“ (MairDumont, 22,99 €).
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