ReportageLiebeserklärung an Hamburg

© mediaserver.hamburg.de/R.Hegeler

Kann man der Stadt, in der man lebt, eine Liebeserklärung machen? Aber ja. Anne Coppenrath, Chefredakteurin des Lonely Planet Traveller Magazines hat es getan.

Als ich das erste Mal – damals mit meinem alten, dunkelgrünen Käfer (mein erstes Auto) – über die Elbbrücken fuhr, wusste ich, ich hab mein Herz verloren. An diese Stadt. An den Hafen. An die dicken Pötte, die Tag und Nacht durch die Südstadt cruisen (der hiesige Container­hafen gehört zu den größten der Welt). An diese einzigartige Melange aus schrulligem Kiez und piekfeinen Elbvororten, aus Weltmännischkeit und der manchmal steifen Zurückhaltung der Hanseaten – fälschlicherweise von einigen als Arroganz ausgelegt. Was für ein Irrtum! 

Der waschechte Hamburger ist ein liebenswertes Original. Erst einmal schnackt er einen unvergleichlichen Dialekt, indem er manche Siiilbäään nach einem nur hier Geborenen bekannten Sprachgesetz hinausdehnt, als würde er gähnen (was er natürlich nicht tut, er pflegt lediglich die lokale Mundart). Dann kultiviert der Einheimische einen für Außenstehende befremdlichen Begrü­- ßungscode: Egal zu welcher Uhrzeit, man ruft sich ein langgezogenes „Moooiiiin, mooooiiiin“, wahlweise „Naaaa“, entgegen. Zum Abschied sagt man „schööööööösss“ – und zwar zum Metzger genauso wie in der Szenekneipe oder zum Hochschul-Professor. Natürlich isst der Hanseat leidenschaftlich gern Fisch, schließlich wohnt er ja in Nord- und Ostseenähe. Im kultigsten Lokal der Stadt, in der „Veddeler Fischgaststätte“, ein Insidertipp mit 60er-Jahre-Imbiss-Ambiente, gabelt (Messer gibt’s hier nicht) der Werber neben dem Hafenarbeiter den besten, saftigsten, schmackhaftesten Backfisch der ganzen Stadt („läggeeeer!“). Wenn der Hanseat – und das kommt ziemlich oft vor – brüllenden Hunger auf „Fischbrrröitcheeeen“ hat (quasi der Burger der Einheimischen), fährt er in die Große Elbstraße im Hafen – unter Kennern „Hummermeile“ genannt. Da reiht sich ein Fischladen an den nächsten, der berühmteste ist „Hummer Pedersen“ mit Kantinen-Styling an Frischfisch und -Schalen­getier. Zum Frühstück gönnt sich der Hamburger übrigens zum Pott Kaffee ein „Franzbrrröitcheeeen“, ein süßes Etwas aus Plunderteig mit Zimt und Zucker. Die Hanseaten sind so verrückt nach diesem Teil, dass sie sogar Wettbewerbe austragen, um festzustellen, wer die besten der Stadt verkauft (Hardcore-Fans munkeln, es sei der Stand „Franzbrötchen & Co“ auf dem Eimsbütteler Markt in der Grundstraße).

In seiner Freizeit pflegt der Einheimische lustige Hobbys. Im Sommer zum Beispiel das berühmt-berüchtigte „Segel-Stehen“ auf der Außenalster. Dazu mietet man sich eine winzige Jolle, setzt sich hinein und wartet, bis einen der Hauch eines Windes in Richtung Seemitte schiebt. Da in der sommerlichen Innenstadt häufig Flaute herrscht, geschieht dies, wenn überhaupt, im Zeitlupentempo, was den Segel-Steher allerdings nicht stört, denn er genießt die Aussicht auf Hamburgs hübsche Skyline und verleibt sich bei diesem Slow-Motion-Vergnügen das eine oder andere Astra ein – die lokale Bier­spezialität. Die genießt der Hamburger in Strömen, wenn St. Pauli oder der HSV in ihren heimischen Stadien kicken. Vor jedem Spiel des Letzteren pflegt der Hanseat ein weiteres Hobby: kollektives Singen. Kurz vor Anpfiff lässt sich dazu die lokale Sangesgröße Lotto King Karl per Hebebühne über die Fankurve hieven, um gemeinsam mit allen Anwesenden leidenschaftlich „Hambuuaarch, mooiiine Päääärleee“ zu schmettern – das Kultlied der Hansestadt, das schon Dreijährige auswendig können. Dabei haben dann alle Tränen in den Augen, weil sie so stolz auf ihre Stadt sind. Das ist das Hamburger Lebensgefühl – einfach schööön!

Annes Hamburg

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