Die unberührte Natur Alaskas ist ein Sehnsuchtsziel für Abenteurer. Unser Autor Roff Smith unternahm einen fantastischen Road Trip durch den nördlichsten US-Staat.
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Es ist ein kühler, feuchter Septembermorgen. Im "Black Bear Coffee House" herrscht bereits reger Betrieb. Am Tresen drängen sich Reisende zwischen den Stammgästen, eine junge Frau ruft die Bestellungen aus: "Latte für Shawn, Americano für Keith." Aus den Lautsprechern an der Wand dudelt Steely Dans "Reelin' in the Years", daneben hängt eine schwarze Piratenflagge. Fast wähnt man sich in einem alternativen Studentencafé irgendwo an der Ostküste der USA. Doch die urige Blockhütte, in der sich diese Szene abspielt, liegt mitten im Nirgendwo. Genauer: an Alaskas George Parks Highway, einem endlosen Band aus Asphalt zwischen Anchorage und Fairbanks. Wenig weiter befindet sich die Abzweigung in den traumhaft schönen Denali-Nationalpark, der ersten Station meiner gut 1200 Kilometer langen Autoreise durch Alaska (mehr dazu später). Und so trifft man hier bei Sonnenaufgang überwiegend Wildhüter, Biologen und Trekking-Touristen, die sich vor dem Aufbruch in die Wildnis noch schnell einen heißen Espresso gönnen.
"Alaska hat etwas ganz Besonderes. Das Land geht dir ins Blut, und muss man einmal fort, will man immer wieder hierher zurück", schwärmt die Philosophie-Absolventin Wendi Schupbach, die im "Coffee House" an der Bar arbeitet. Ursprünglich kommt sie aus dem Mittleren Westen der USA. Dieses ist bereits ihr siebter Sommer, in dem sie hier oben jobbt.
Die abgelegene Wildnis des nördlichsten US-Staates ist seit Generationen ein Anziehungspunkt für Abenteurer und Romantiker. Nur gut 700.000 Menschen leben hier auf einer Fläche, die knapp fünfmal so groß ist wie Deutschland. Die Weite macht das Land perfekt für einen unvergesslichen amerikanischen Road Trip.
Alaska ... Wie bei der legendären Route 66 schwingt allein schon in dem Namen die Sehnsucht nach Freiheit mit, der Drang, einfach irgendwohin zu reisen. Dieser Zauber, der die "66" einst so berühmt machte, ist hier im Norden noch immer lebendig. Die Highways bieten eine faszinierende Mischung aus großen Entfernungen, einer grandiosen Natur und skurrilen Attraktionen - vom Ritt auf dem elektrischen Rodeo-Grizzly in einer Bar in Healy bis hin zu Souvenir-Shops, in denen man über Totempfähle und ausgestopfte Elche staunt.
Wie so viele andere vor mir lockte mich das gleiche Fernweh in den Norden, das schon Typen wie Wyatt Earp oder Jack London während des Goldrauschs vor über 100 Jahren hierher verschlug. "Manche von uns zieht das Land einfach an wie ein Magnet", sagt der Trapper Donald "Smitty" Smith, als ich einige Tage später an seinem Blockhaus am Highway halte. Der ehemalige Polizist aus Pennsylvania ist ein Bär von einem Mann mit langem weißem Rauschebart. Vor seiner Hütte türmen sich Holzscheite, in einem Baumstumpf steckt eine große Axt. Smitty kam vor 13 Jahren mit seiner Frau nach Alaska. Die gemütliche Holzhütte, vor der er auf einer Bank sitzt, hat er gleich im ersten Sommer selbst gebaut. Heute leben die zwei von dem, was in ihrem kleinen Garten gedeiht - und dem, was Smitty mit seinem alten Vorderlader aus dem 18. Jahrhundert erlegt. "Hier oben leben wir völlig unabhängig", sagt Smitty. "Es gibt nicht mehr viele Orte auf der Welt, wo du diese Art von Freiheit genießen kannst."
Natürlich kommt selbst der überzeugteste Easy Driver irgendwann irgendwo an. So macht fast jeder, der auf dem George Parks Highway unterwegs ist, einen Abstecher in den Denali-Nationalpark. Das Schutzgebiet ist so groß wie Mecklenburg-Vorpommern, und hier findet man den mächtigsten Berg Nordamerikas: den 6194 Meter hohen, mit Gletschern überzogenen Mount McKinley - oder eben Denali, wie die Indianer "den Hohen" nennen. Nur eine Piste führt in diese unversehrte Wildnis. Die 146 Kilometer lange Park Road zweigt vom Highway ab und schlängelt sich bis zum Wonder Lake (Traumblick auf den McKinley!) und einem alten Goldgräber-Camp. Nach 24 Kilometern ist sie jedoch für den Privatverkehr weitgehend gesperrt. Also stellt man sein Auto auf dem Savage-River-Parkplatz ab und steigt in einen der schwerfälligen alten Schulbusse der Park-Verwaltung, die während der Sommersaison täglich über die Piste pendeln. So kann man in aller Ruhe nach Bären, Wölfen, Elchen und Adlern Ausschau halten, die hier in einer geradezu theatralischen Landschaft aus leuchtend blühender Tundra und glasklaren Gletscherflüssen leben.
"Sorry, falls wir etwas müffeln", entschuldigen sich zwei Jungs in Outdoor-Montur, als sie irgendwo mitten auf der Strecke in den Bus steigen. "Wir sind seit zehn Tagen draußen unterwegs und könnten jetzt gut eine Dusche gebrauchen." Dann lassen sie sich selig in die Sitze plumpsen und berichten von ergreifenden Begegnungen mit Grizzlybären und aufregenden Zeltnächten fernab der Zivilisation. Während wir unsere rumpelige Fahrt fortsetzen, ist die heitere Atmosphäre im Bus ein seltsamer Kontrast zur stillen Weite der Tundra.
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Text: Roff Smith, Deutsche Bearbeitung: Olaf Heise, Titelbild: Michael Heffernan
Den vollständigen Artikel mit Infos zu Alaskas Goldgräber-Städtchen, beiendruckenden Landschaften und dem entlegensten Restaurant der Welt finden Sie in der April-Ausgabe des Lonely Planet Traveller.
Hinkommen
Für die beschriebene Routestartet man am besten in Fairbanks und fliegt zurück ab Anchorage. Icelandair (icelandair.com) fliegt z. B. von Frankfurt a. M. via Reykjavík und Seattle nach Fairbanks. Condor (condor.com) hebt von Basel oder Frankfurt a. M. nach Anchorage ab.
Herumkommen
Mietwagen gibt's am Flughafen von Fairbanks ab ca. 65 €/ Tag (Abgabe in Anchorage, avis.com). Tipp: Billiger sind Vermieter in der Stadt und das Mieten im Mai und September außerhalb der Hochsaison.
Buchtip
Marco-Polo-Reiseführer "Alaska", mit Karte (Mair-Dumont, 11,99 €). Viele Infos auch unter travelalaska.com und visitwildalaska.com.