Die berühmteste Stadt der USA war schon immer anders als der Rest Amerikas. Ein Schmelztiegel: Hier prägen Einwanderer aus aller Welt die einzigartige Atmosphäre dieser Metropole. Das wird sich auch in Trump-Zeiten nicht ändern. Ebenso unterschiedlich wie die Menschen sind die Stadtteile, in denen sie leben, arbeiten und feiern. Da sind die Ladies von der Upper East Side, die in Gedanken schon bei der nächsten Society-Gala sind. Nur auf dem nächtlichen Nachhauseweg kreuzt ihre Welt jene der vielen zugereisten Taxifahrer. Die stoppen nach ihrer Schicht in Queens, wo es das beste Streetfood gibt. Das Nachbarviertel Brooklyn ist das Zuhause von Künstlern. In Harlem tummelt sich die Jazzszene. Und nachts feiern Downtown die Club-Königinnen – als Dragqueen auf der Bühne oder in einem der Underground-Clubs. Um das Leben in New York zu verstehen, muss man sich unter die Locals mischen. Fünf von ihnen zeigen uns ihre Lieblingsplätze. Auf geht’s, ins Herz von Big Apple!
Shamikah Martinez ist Schauspielerin, Comedian und Künstlerin. Ihre feministisch angehauchten Musikvideos haben Kultstatus (shamikahmartinez.com).
Manhattan schleudert dir seine Verrücktheiten direkt ins Gesicht. Besucher denken schnell, das ist es also, was New York ausmacht. Stimmt so aber nicht. Denn Brooklyn, jenseits des East River gelegen, vereinigt alle kreativen Seiten von NYC – und die entwickeln sich in einem rasanten Tempo. Wenn es nach mir ginge, würde ich diesen Ort nie verlassen. In einigen Vierteln der Stadt scheint es seltsame, unausgesprochene Regeln zu geben. Zum Beispiel, dass Erwachsene nicht mehr spielen dürfen. Ich denke genau das Gegenteil: Du solltest dich dein Leben lang austoben. Leute aus Brooklyn tun das. Zum Beispiel im HOUSE OF YES. Zirkus, Kino, Disko – alles unter einem Dach. Hier gibt es Vorstellungen, in denen die Zuschauer mit dem Film interagieren. Oder Kurse, in denen man lernen kann, an Seidenfäden zu schaukeln. Mit solchen Erfahrungen brichst du inspiriert auf, um dann selbst etwas Neues zu kreieren. Das pumpt dich voller Energie.
Brooklyn wirkt im riesigen New York wie eine Oase: ein authentischer Bezirk, anders als der Rest der Stadt, der überschwemmt wird von den Geschäften globaler Marken. In den Nachbarvierteln Williamsburg und Bushwick versammeln sich die Künstler und Entrepreneurs, leben dort in Lofts mit riesig hohen Decken. Die kreative Szene in Brooklyn ist anders, individueller und weit davon entfernt, wie eine Schafherde den Trends hinterherzulaufen. Vielmehr produziert sie selbst neue Kulturen. In manchen Nächten vibrieren ganze Apartmentblocks von den Jamsessions, zu denen sich Freunde treffen.
Herrlich, hier leben die Leute ihre Spleens aus, was häufig belächelt wird, aber niemanden kümmert. Etwa das Tragen von langen Bärten wie in der Viktorianischen Zeit. Oder das Einwecken von Gemüse. Die Brooklyner setzen eben das in die Tat um, was ihnen wichtig ist. Sie ehren die Dinge, die man anfassen und fühlen kann. Die North Brooklyn Farms wurden auf diesem Konzept gegründet. „Eat local“ („Iss regional“), heißt die Religion vieler Einheimischer. Und die Farm, die zwischen alten Handelshäusern am East River steht, ist ein Ausdruck dieser Philosophie. Im Sommer sieht man tätowierte Freiwillige, die Beete jäten, Basilikum pflanzen oder Tomaten pflücken. Bei warmem Wetter bietet die Farm frisches Essen unter freiem Himmel an. Und die Gäste werden ermutigt, „root to stem“ zu essen, also alle Teile von der Wurzel bis zum Stängel zu verwerten.
Eine mit Michelin-Stern gekrönte Version davon bietet Take Root in Caroll Gardens – ein klitzekleines Restaurant mit nur zwölf Sitzplätzen, das von Chefin Elise Kornack und ihrer Gattin Anna Hieronimus betrieben wird. Die Mahlzeiten bestehen aus acht Gängen – jeder für sich eine unwiderstehliche Köstlichkeit. Die Gäste stehen monatelang auf der Warteliste, nur um einmal hier speisen zu können.
Der Renner sind in Brooklyn gerade handgefertigte Produkte. Keimzelle dieses Trends ist die Brooklyn Navy Yard. In der ehemaligen Werft arbeiten heute Künstler und Kunsthandwerker. Sie verkaufen ihre Kreationen an Orten wie Coming Soon in Manhattan, einem Wohnaccessoire-Laden. Hier sitzen Kunden Probe auf Designermöbeln oder stöbern durch Regale voll origineller Objekte – von der Motiv-Badematte bis zum Emoji-Spiegel.
Brooklynisch-verspielt geht es auch im Nachtleben zu. Im Barcade, einem zur Bar umfunktionierten Metall-Geschäft in Williamsburg, sind die Wände gepflastert mit alten Spielautomaten wie „Donkey King“ und aus den Hähnen fließt literweise Bier aus Mikrobrauereien. Das ist feinste 80er-Jahre-Nostalgie im Brooklyn anno 2017 und einfach very cool!
Text: Sarah Maslin Nir, Deutsche Bearbeitung: Anne Coppenrath, Fotos: Lottie Davies
Den vollständigen Artikel mit den Tipps aller Locals zu u.a. Queens und der Upper East Side finden Sie in der April-Ausgabe 2017 des Lonely Planet Traveller.