Der Bundesstaat zwischen Indiana und Tennessee ist selbst für viele USA-Kenner ein weißer Fleck. Dabei könnte Amerika nicht echter sein als hier. Ein 480 Kilometer langer Roadtrip durch den Bluegrass State führt vorbei an Whiskey- Destillerien, urigen Country-Schuppen und piekfeinen Galopprennbahnen.
Der Anlegeplatz am Ohio River ist in Nebel gehüllt. Am Dock liegt ein Dampfschiff, hell erleuchtet und bereit zur Abendfahrt. Im Maschinenraum unter Deck arbeiten die Kessel auf Hochtouren. Ihr Dampf bringt die Kolben in Bewegung, die später das knallrote Schaufelrad am Rumpf des Schiffes antreiben. Am Anleger laufen derweil Besucher auf und ab: Sie warten darauf, endlich einsteigen zu können. In Null- kommanichts ist die „Belle of Louisville“ voll. Mit tutendem Horn legt sie ab.
Eine Szene, die sich in Louisville schon unzählige Male so ereignet hat. Früher dümpelten am Anleger allerdings Dampfschiffe und Kohlenkähne neben schwimmenden Casinos. Postboten hantierten geschäftig mit Kisten voller Briefe und Pakete herum. Heute dagegen ist es weit weniger geschäftig hier: Die „Belle of Louisville“ ist der einzige noch aktive Heckraddampfer.
„Sie ist ein schwimmendes Museum“, sinniert Mark Doty unter seiner Kapitänsmütze vor sich hin. Seit drei Jahrzehnten ist er fast täglich auf der „Belle“, hat sich vom Maschinenraum bis auf die Brücke hochgearbeitet. 2007 übernahm er auf dem Stahlross als Kapitän das Steuer. „Wir benutzen noch die Maschinen von 1880. Das ist beeindruckend. Stellen Sie sich vor, Sie würden mit einem Flugzeug fliegen, dessen Motor über 100 Jahre alt ist.“ Nein danke!
Gebaut wurde das Schiff 1914 in Pittsburgh. Es trug zunächst den Namen „Idlewild“. 1962 wurde es – stark renovierungsbedürftig – versteigert und auf den Namen „Belle of Louisville“ umgetauft. Seit 1989 steht es unter Denkmalschutz. Ein Teil des Interieurs ist noch intakt, etwa der große Tanzsaal und die holzverkleidete Kapitänskabine. Zweimal am Tag tuckert die „Belle“ auf Sightseeing- touren über den Ohio River. In ihrer Blütezeit schipperte sie nicht nur Touristen von A nach B. „Bis es hier Schienenverkehr gab, wurde alles auf dem Fluss transportiert: Essen, Getreide, Post. Das Vieh kam in die unteren Decks. Daher die Bezeichnung Vieh-Klasse“, erklärt Doty. Wie viele Südstaaten-Städte wurde Louisville durch den Flusshandel reich. Den einstigen Wohlstand sieht man noch heute an den Alleen im alten Teil der Stadt, wo sich viktorianische Villen aneinander- reihen. Als Schienen und Straßen gebaut wurden, ließ der Erfolg der Stadt nach. Erst seit Kurzem werden die baufälligen Gebiete entlang des Ufers mit Cafés, Restaurants und Shops wiederbelebt. „Louisville ist eine Flussstadt, ehrlich und einfach“, sagt Doty und navigiert die „Belle“ unter der Big Four Bridge hindurch. Oben quetscht die Rushhour den Verkehr über die Brücke, und unten tanzen die Lichter der Stadt auf dem Ohio River.
Showtime in „The Rosine Barn Jamboree“! In der ehemaligen Scheune baumeln bunte Lichterketten von der Decke. Mittendrin ist ein Podest aufgebaut, davor eine kleine Tanzfläche. Eine Handvoll betagter Herren mit Cowboyhüten, Jeans und Turnschuhen entert die Bühne. Das Publikum wartet sichtlich entspannt und gut gelaunt auf den Stühlen und Sesseln drum herum. „Guten Abend“, schmettert Frontman Ralph ins Mikro und zieht seinen Cowboyhut zur Begrüßung. „Wir sind Chimney Branch aus Alabama und werden euch jetzt echten Bluegrass spielen.“ Die ersten Töne erklingen: Kontrabass, Mandoline, eine Geige, dazu näselnde Stimmen mit breitem Südstaaten-Akzent. Das Publikum johlt. Wer nicht tanzt, wippt zumindest mit den Füßen im Takt. Während drinnen die Stimmung steigt, stimmt vor der Scheune schon die nächste Band im Pick-up-Truck ihre Lieder an. Vor allem Musiker aus der Umgebung treten am Wochenende in Rosine auf. Das kleine Dorf im Ohio County hat kaum 100 Einwohner, fast jeder betreibt hier Landwirtschaft.
In diesem Nest wurde der Vater des Bluegrass, Bill Monroe, geboren. Mit seiner hohen Stimme und flinken Fingern an der Mandoline bastelte er aus alten Volksmusik-Rhythmen neue Lieder und schuf so ein eigenes Genre mit Fiedel, Gitarre, Banjo und Kontrabass. In den 30er-Jahren gründete er seine Band The Blue Grass Boys, benannt nach seiner Heimatregion.
Obwohl Amerika von Rock ’n’ Roll über Blues bis hin zu Jazz viele Musikstile hervorgebracht hat, fängt doch keiner die amerikanische Seele so gut ein wie der Bluegrass. Seine Wurzeln hat er in alten Balladen, die die Siedler in den Appalachen spielten, als es weder Radio noch Grammofon gab. „Früher war die Musik ein fester Bestandteil im Alltag der Menschen. Alle wuchsen mit diesen Liedern auf“, erklärt Campbell Mercer. Er selbst spielt in einer Bluegrass-Band, den Cumberland Highlanders. Wenn er nicht auf der Bühne steht, verwaltet er Bills Elternhaus, das im Jerusalem Ridge liegt, wie die Farm der Monroes heißt.
Im weiß-grün gestrichenen Holzhaus lernte Bill ein Repertoire an traditionellen Klängen kennen. Er bekam Unterricht von seinem Fiedel-Onkel, Pendleton Vandiver und vom Gitarristen Arnold Shultz, Sohn eines ehemaligen Sklaven. „Onkel Pen und Arnold haben Bill die Basis des Spielens beigebracht“, sagt Mercer. „Aber er entwickelte die alten Songs weiter.“ Einst vom Musikbetrieb verpönt, erlebt der Bluegrass jetzt eine Wiederauferstehung. Bis zu 15.000 feierwütige Leute pilgern pro Jahr zum Kentucky ROMP Festival (rompfest.com), das vom 24. bis 27. Juni am Ortsrand von Owensboro stattfindet und vom „International Bluegrass Music Museum“ organisiert wird.
„Als ich noch ein Kind war, galt Bluegrass als Hillbilly-Musik, das heißt, es waren Lieder, die nur von hinterwäldlerischen Landeiern gehört wurde“, sagt Mercer, als er über Tannenzapfen hinter Bills Haus stakst. „Jetzt sieht man den Einfluss der Musik überall. Bill würde sich freuen, wenn er das wüsste.“ Auf einer Lichtung hält er vor einer wackeligen Holzempore inmitten von Pinienbäumen an. Zu Ehren Bill Monroes feiert Jerusalem Ridge hier jedes Jahr im Oktober ein Bluegrass-Festival. Mercer lehnt sich an einen Baum und zupft ein paar Saiten an seiner Mandoline. Der Wind trägt die Melodie fort.
Text: Duncan Craig, deutsche Bearbeitung: Alina Halbe, Titelbild: Matt Munro
Die vollständige Reportage zum perfekten Trip durch die Provence in Frankreich finden Sie in der März-Ausgabe des Lonely Planet Traveller.
Hinkommen
Der Flughafen Marseille liegt etwa 20 Kilometer nordwestlich der Stadt. Ab Wien fliegt Lufthansa über Frankfurt a. M. und ab München nonstop dorthin (lufthansa.com). Von Zürich geht es mit Air France via Paris in die Hafenstadt (airfrance.de). Wer lieber Bahn fährt, nutzt den ultraschnellen TGV, der von der Schweiz aus etwa sieben Stunden bis Marseille braucht (sbb.ch).
Herumkommen
Um in der Provence von A nach B zu kommen, ist ein Auto unverzichtbar. Am Flughafen Marseille sind alle großen Mietwagen-Anbieter vertreten, etwa Sixt, Hertz oder Europcar. Halten Sie Kleingeld oder die Kreditkarte für die Maut (péage) auf den Autobahnen bereit. Größere Städte wie Arles oder Avignon haben gute Bus- und Bahnnetze.
Klima
Dank des mediterranen Klimas lässt die Provence sich das ganze Jahr über bereisen. Allerdings wird es ab Juli heiß und trocken, die Unterkünfte sind dann teuer oder ausgebucht. Die beste Reisezeit ist von März bis Juni: Bei Temperaturen um die 25 °C ist es angenehm warm, die Pflanzen blühen und an der Küste ist es noch ruhig.
Weiterlesen
Im Lonely-Planet-Reiseführer „Provence, Cote d´Azur“ (Lonely Planet, 12,99 €) findet man hier Tipps zu nahezu jedem noch so kleinen Ort der Gegend.