Was durch Instagram ein neuer Abenteuer-Hype wurde, machen die Sinti und Roma schon seit hunderten von Jahren – sie ziehen mit ihren (Pferde)Wagen durch die Welt. Reisebloggerin Christine aus Berlin hat den Trend ausprobiert und geschaut, was hinter dieser Bewegung steckt.
Ein Traumfänger am Rückspiegel, frische Kräuter in Tontöpfen neben der Spüle und jede Menge Makramee-Kissen auf der Rückbank. Sie gehören neben Campingstühlen und Gaskocher zur Grundausstattung eines #vanlife-Nomaden. Schon über 4,5 Millionen Mal wurde der Hashtag auf Instagram verwendet. Dahinter versteckt sich aber so viel mehr als nur ein Foto. Es ist ein Lebenstraum, eine Philosophie und vor allem – eine Suche.
Ich kann sehr gut nachvollziehen, was so faszinierend an dem Leben auf vier Rädern ist. Letzten Sommer war ich selbst einer von ihnen – ein VanDweller. Mit Hund und Freund ging es für ein paar Wochen die portugiesische Küste entlang, und ich würde den Trip folgendermaßen beschreiben: pure Entschleunigung, die Zeit vergessen – ja, sogar bewusst vertrödeln – und eins werden mit Flora und Fauna. An den schönsten Orten aufwachen und schon vor dem ersten Wimpernschlag die salzige Brise des Meeres riechen. Herrlich!
Ob Vollzeit-Camper, die ihre vier Wände kündigen, um sie gegen vier Räder zu tauschen, oder Parttime-Aussteiger, die den Gypsy-Style lediglich im Urlaub zelebrieren – alle beschreiben sich als freiheitsliebende, abenteuerlustige Menschen mit großer Naturverbundenheit. Problem: Es werden immer mehr Van-Nomanden, die nach einer Nacht auf der Klippe eine „Opfergabe“ in Form einer gebrauchten Socke, einer Plastikgabel oder Duzenden leeren Bierflaschen hinterlassen. Die Länder kommen mit dem Aufrüsten der sanitären Anlagen, Müllentsorgung und Infrastruktur nicht hinterher. Aber das nur am Rande.
Eine andere Gemeinsamkeit eint die Camper-Community, nämlich die Liebe zu ihrem Gefährt. Ich muss immer ein bisschen schmunzeln, wenn mir Reisende von ihrer Frida erzählen, die ihnen die schönsten Momente ihres Lebens beschert hat. Frida, ein alter VW Bus Modelljahr 1979, Original Westfalia Typ 23-517 in Taigagrün, dem in einem Do-It-Yourself-Projekt 28 Jahre Rost von der Karosserie gekratzt und der zum Partner in Crime ausgebaut wurde.
Ja, es ist wunderschön, am Morgen aufzuwachen und nicht zu wissen, wo man am Abend wieder einschläft. Ich kann mir kaum etwas Entspannenderes vorstellen, als im Bett zu liegen, durch den geöffneten Kofferraum aufs Meer zu schauen und den Gedanken freien Lauf zu lassen.
Meine These, warum #vanlife gerade so in ist: Der Weg ist das Ziel und der Van der perfekte Begleiter, um herauszufinden, was einem im Leben wichtig ist oder fehlt. Für die Parttime-Aussteiger ist es die beste Möglichkeit, aus ihrem strukturierten Alltag auszubrechen, in dem sie funktionieren müssen und es kaum Platz für eigene Entscheidungen und Bedürfnisse gibt. Die Vollzeit-Camper hingegen sind auf der Suche nach ihrem Herzensplatz.
Denn so schön das Gefühl der Freiheit auch ist, die meisten sehnen sich früher oder später nach einem stationären Zuhause. Also lassen sie sich nieder; in einem Strandhaus am Meer oder einer Hütte in den Bergen, die sie mit Frida passiert haben. Ich glaube, dass jeder seinen Anker sucht. Den Ort, der einen erdet. Auf Dauer ist das meistens nicht der Van. Das ist auch gut so, denn es muss Platz geschaffen werden für die nächste #vanlife-Generation, die sich auf den Weg macht.
Und so steht Frida irgendwann in einer Einfahrt und erinnert ihre Besitzer an ganz besondere Momente ihres Unterwegsseins. Wie sagt man so schön – home is where you park it!
Text: Christine Neder, Fotografie: Christine Neder, Lilies-Diary.com
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