Von Sydney bis Perth Mit dem Santa Claus durchs Outback

"Indian Pacific" © Matt Munro
"Indian Pacific" © Matt Munro

4352 Kilometer lang rattert der „Indian Pacific“ zwischen Sydney und Perth durch faszinierende Landschaften. Im Dezember mit an Bord: der Weihnachtsmann, der trotz australischer Hitze gestiefelt und gespornt zur Bescherung quer durchs Land reist.

Noch mehr Eindrücke aus Australien im Anschluss an die Reportage

Es ist mehr ein Busch als ein Baum, der da in der roten Erde steckt. 40 °C zeigt das Thermometer, heiß fegt der Wind über das weite Wüstenland, sengend sticht die Sonne vom hohen Himmel. Nein, das mickrige Etwas ist wahrlich kein Prachtexemplar von Weihnachtsbaum. Ein Dutzend Aborigines lehnt nebenan an Gelände­wagen und Pick-up-Trucks. Es ist noch nicht einmal sieben Uhr morgens, und doch sind viele von ihnen schon Stunden durch die Nacht gefahren, um rechtzeitig ins Örtchen Watson zu kommen, in dem gleich das  Ereignis des Jahres stattfinden wird.

Im hellen Sonnenschein sehen die Erwachsenen ihren Kindern zu, die sich vor Aufregung im Kreis drehen, kichern und durcheinanderplappern, ehe sie wieder gebannt auf den Horizont starren. Hat sich nicht etwas bewegt dort hinten, wo die Landschaft in der Hitze flirrt? Ja, endlich! Aus dem Nichts prescht ein Silberpfeil samt blauer Lok heran. Gestatten, der „Indian Pacific“ auf seinem Weg quer durch Australien! Und als würde das noch nicht als Attraktion reichen, öffnet sich die Tür und ein rot gekleideter Herr mit buschigem weißem Bart und Stiefeln steigt aus, brüllt „Ho, ho, ho!“ und beginnt Geschenke zu verteilen. Die Kids johlen, das Warten hat  sich gelohnt. Später richtet Santa Claus noch behutsam die Spitze auf dem bescheidenen Festtags-Tännchen. Bleibt die Frage: Was, bitte schön, macht der Weihnachtsmann mitten im australischen Outback? 

Für die Antwort muss man an den Startpunkt der Reise zurückkehren: vor zwei Tagen im Hauptbahnhof von Sydney.  In dem mächtigen Sandsteinbau im Herzen der 5-Millionen-Metro­pole waren die Passanten eilig zu den Bahn­steigen der Vorortzüge oder Richtung Chinatown gehetzt, wo tiefrote Peking-Enten in Reih und Glied im Schaufenster baumeln. Zweimal in der Woche startet hier auf Gleis 1 eine echte Schienen-­Legende: Australiens berühmtester Transkontinentalzug, der „Indian Pacific“. In 65 Stunden schlängelt er sich einmal quer durchs Land von Sydney nach Perth. Wobei man „schlängeln“ nicht allzu wörtlich nehmen darf, denn nach den Blue Mountains zum Auftakt folgt hinter Adelaide die längste gerade Eisenbahnstrecke der Welt. Und seit mehr als zehn Jahren begleitet Father Christmas, wie die Australier ihren bärtigen Geschenke-Bringer nennen, Anfang Dezember traditionell eine dieser Fahrten. Wer in dem rot-weißen Kostüm steckt, wird nicht verraten, damit der Mythos noch lange lebt und den Kindern im Zug und an der Strecke nicht der Spaß verdorben wird. Ebenfalls mit an Bord ist eine Band. Bereits zum Abschied in Sydney gibt sie eine kleine Kost­probe am Gleis, unterwegs dann Gastkonzerte.

Das erste folgt gleich in Bathurst, kurz hinter der Great Dividing Range. Die bis zu 2000 Meter hohen Berge trennen den Küstensaum Sydneys von der Weite des Landesinneren. Kreischend begrüßen Schulkinder in Uniform den 711 Meter langen Riesen mit seinen 25 Waggons. „Ho, ho, ho!“, poltert Father Christmas und die Musiker stellen ihre Verstärker auf. Bald singt und swingt der ganze Bahnhof zu „Santa Claus is Coming to Town“, während der Weihnachtsmann Schokolade sowie kleine Geschenke verteilt und sich heimlich ein paar Schweißtropfen von der Stirn wischt. Anschließend geht’s zurück auf die Schiene, wo die älteste Stadt des Binnenlandes langsam Platz für Weizenfelder und Eukalyptusbäume macht.

Zeit für den Star der Reise, sich ein wenig in seine Kabine zurückzuziehen. Nur knapp zwei Quadratmeter groß ist sie und hat doch alles, was man für drei Tage an Bord braucht: einen Sitz, der abends zum 180 x 60 cm großen Bett ausgezogen  wird, das den ganzen Raum ausfüllt und die Tür blockiert. Ein Klappwaschbecken samt Handtuchhalter am Fußende, ein 15 x 15 cm großes Ausziehtischchen am Kopfende, Lautsprecher, Klimaanlage und eine ins Fenster integrierte Jalousie als Licht- und Sichtschutz. Platinum Class nennt sich dieser Erste-Klasse-Komfort, der auf den ersten Blick vielleicht einfach und beengt wirkt, aber sich deutlich vom ebenfalls gehobenen Gold Service abhebt, dessen Zwei- und Dreibett­abteile deutschen Liegewagen ähneln. Noch günstiger sind die Red Service Sleeper und Red Service Daynighter: Abteile mit einfachen Sitzen oder Pullmanliegen. Doch für alle gilt: Mitgenommen werden dürfen nur Zahnbürste, Wechselwäsche und das Allernötigste. Der restliche Inhalt der Koffer wird noch auf dem Bahnsteig durchleuchtet, registriert und hinter orangemaschigen Fangnetzen im Gepäckwagen verstaut. Nur für Father Christmas und seinen Geschenkesack gibt’s natürlich eine Ausnahme.

Text: Christa Larwood, deutsche Bearbeitung: Hilke Maunder, Titelbild: Matt Munro

Die vollständige Australien-Reportage finden Sie in der Dezember-Ausgabe des Lonely Planet Traveller.

Ausgabe online bestellen

Zum Magazin-Abo

Das Wichtigste

Hinkommen

Mit einem Stopp in Asien fliegen Thai Airways (thaiairways.com) und Singapore Airlines (singaporeair.com) z. B. von Frankfurt a. M. und Zürich nach Sydney und Perth. Tyrolean Airways (tyrolean.at) ist Zubringer ab Wien.

Ein- und Ausreise

Elektronische Touristenvisa für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten gibt es online auf immi.gov.au. Um seine exotische Flora und Fauna zu schützen, hat Australien strenge Quarantäne-Bestimmungen. Wer Lebensmittel als Mitbringsel schmuggelt, riskiert zehn Jahre Gefängnis.

Weiterlesen

Lonely Planet „Australien“ (MairDumont, 28,99 €). 

Weitere Infos (Sydney)

    • Das Bounce wurde zum besten Hostel Australiens gekürt (DZ ab ca. 149 €, bouncehostel.com.au). Im Herzen von Chinatown liegt das Pensione Hotel (DZ ab ca. 159 €, pensione.com.au).
    • Die leckersten Pies der Stadt gibt es beim Kult-Imbiss Harry’s Café de Wheels. Unbedingt probieren: „Tiger“, ein Rindfleisch-Pie mit Kartoffel- und Erbsenpüree (ab ca. 4 €, Ecke Cowper Wharf Roadway und Brougham Road in Woolloomooloo, harryscafedewheels.com.au).

    Weitere Infos (Perth)

    • Romantiker sollten in der viktorianischen Pension of Perth von Hoon und Steve Hall einchecken, ein nostalgisches B&B mit nur drei Zimmern. In Laufnähe: die In-Lokale von Mount Lawley, Leederville und Northbridge  (DZ ab ca. 114 €, pensionperth.com.au).
    • Im Bivouac von Anthony Princi wird fast nur verarbeitet, was vom eigenen Hof kommt. Tipp: persisches Mönchsfisch-Curry (ab ca. 17 €, 198 William Street, bivouac.com.au).
    nach oben