Haben Sie Lust auf Inseln zum Träumen, mit Regenwald bewachsene Sandbänke, Schnorcheln in einem Weltwunder, fangfrisches Seafood im Surferstädtchen und Farm-Abenteuer im Outback? Dann auf in den „Sunshine State“ Australiens.
Der Reiseplan: Die 1850-Kilometer-Tour führt von Noosa, der Schlemmerhauptstadt des „Sunshine State“, die Ostküste hinauf, vorbei an den Dünen von Fraser Island und den Stränden der Whitsundays bis nach Port Douglas, dem Tor zum Great Barrier Reef. Dann geht’s ins Outback im Landesinneren
Von Brisbane aus geht es gen Norden, vorbei an den zwölf Vulkankegeln des Glass House Mountains National Park, ganz entspannt in zwei Stunden nach Noosa, der Perle der Sunshine Coast.
Sie kommen vor der Morgendämmerung. Stofftaschen unter den Armen, mit Taschenlampen bewaffnet, marschiert ein Trupp passionierter Feinschmecker am Rande eines Vorort-Fußballfeldes zu einer eher unscheinbaren Ansammlung von Ständen: Noosas Bauernmarkt. Sorgfältig inspizieren sie die Auslagen der fast 100 Händler: saftig-süße Erdbeeren neben XXL-Avocados, fünfzackigen Sternfrüchten und Maracujas in Gelb, Rot, Purpur und Braun. Noch während die Händler ihre Auslagen sortieren, testen sie die Reife der Mangos mit ihren Fingern, naschen hier ein paar Weintrauben, drehen dort eine Ananas kopfüber und schnuppern – ist sie wohl reif? Andere Stände locken mit Holzofenbroten, Käsespezialitäten und German Sausages. Ian und Royn bieten ausgefallene Saucen und Essigkreationen an, die sie auf ihrer Farm im Hinterland von Noosa komponieren: „Süße Chilisoße mit Gold-Kiwi“ und „Lychee-Balsamico-Essig“.
Als die Sonne hoch am Himmel steht und die Massen kommen, sitzen die Frühaufsteher längst beim Flat White, dem typisch australischen Milchkaffee, und stärken sich mit einem Schinkenbrötchen. „Die Leute hier lieben gutes Essen“, erzählt einer der Early Birds. „Mitunter geht es zu wie beim Schlussverkauf im Januar.“ Er grinst. „Wir sind natürlich alle sehr nett zueinander. Aber in Wirklichkeit ist es ein Wettkampf.“ Denn Noosa, das bislang dank seiner Hippie-Historie als alternativ angehauchtes Surferstädtchen galt, ist heute die Schlemmerhauptstadt des „Sunshine State“ – und feiert alljährlich Mitte Mai die Schätze seiner regionalen Küche mit dem „International Food & Wine Festival“: Das Meer liefert topfrisches Seafood, die Hügel ringsum Pilze und Pok Choi, Karotten und Kräuter, Schwein und Zebu. Im nahegelegenen Maleny produziert der ehemalige Jazzmusiker Trevor Hart aus Büffelmilch Halloumi. Am Stadtrand wird Clandestino-Kaffee geröstet. Zu allen Produzenten der Region führt der Noosa Food Trail.
An den Klippen Noosa Heads übertönt das Geklapper von Geschirr und Besteck das Brechen der Wellen und Lachen der Kinder, die im Meer baden. In „Berardo’s Bistro“ sind alle Plätze belegt, genussvoll knacken die Gäste die feuerroten Panzer ihrer Mooloolaba Prawns, wie die gefischten Riesengarnelen heißen. Einblicke in die Queensländer Grill- und Kochkunst gewährt Gail Rast bei ihren Kochkursen. „Die Menschen hier achten darauf, woher ihr Essen kommt. Dadurch haben wir sehr gute Beziehungen zu den Produzenten“, freut sich die blonde Kochbuchautorin, die als „Australia’s No. 1 Foodie“ zum Vorstand von Slowfood Noosa gehört. „Die wiederum freuen sich, dass sie einen stabilen Markt für ihre Waren haben und die Geschäfte gut laufen. Wir haben also alle etwas davon!
Zwei Fischer stehen knöcheltief in der tosenden Brandung. Links und rechts von ihnen zieht sich der goldene Strand als gerade Linie fast bis zum Horizont. In ihrer Nähe streunt ein Dingo, Australiens honigfarbener Wildhund. Seine schlanke Gestalt wirft einen Schatten auf den nassen Sand. In der Ferne wiegen sich die Wipfel eines riesigen tropischen Regenwaldes im Wind. Wildnis, malerisch ruhig. K’ghari, Paradies, nannten die Butchulla-Aborigines ihre Insel. Doch der Schein trügt. In den Fluten, die die Füße der Fischer umspülen, tummeln sich bis zu sieben Meter lange Tigerhaie, die alles fressen, was ihnen vors Maul kommt, Fische bis zum Flutsaum jagen und sich dabei, wild schnappend, auf den Strand werfen. Herrschen ungünstige Bedingungen, lassen die ätherischen Öle der Eukalyptusbäume den Regenwald wie Zunder brennen. Und bei den Dingos, die Menschen gegenüber im Grunde scheu sind, wurden inzwischen Fälle bekannt, in denen sie Touristen angriffen oder gar töteten.
Fraser Island ist eben doch kein sanftes tropisches Paradies, sondern Wildnis pur. Traumhaft schön, aber auch lebensgefährlich. „Hinterlasst nichts außer euren Fußspuren“, schärfen die Führer den wachsenden Besucherströmen ein, um das fragile Ökosystem zu erhalten. Von abgestorbenen Baumstümpfen jagt der Glanzspitzendrongo nach Insekten, hoch am Himmel kreist der Seeadler mit zwei Metern Flügelspannweite und leuchtend weißem Bauch. Im Meer schwimmen Wale, Delfine und Meeresschildkröten. Die Weststrände bedecken Armeen blaurückiger Soldatenkrebse. In der Dämmerung kommen putzige Wallabies, Opossums, Ameisenigel und handtellergroße Kurzkopfgleitbeutler hervor. Es gibt allerdings auch Tiere, die weit weniger knuddelig sind. „Auf Fraser Island leben sechs der zehn tödlichsten Schlangen der Welt“, erzählt der australische Fotograf Peter Meyer, und ein Hauch von Stolz schwingt mit, der den Menschen hier eigen ist, wenn sie über Dinge sprechen, die einen töten können. „Ganz zu schweigen von den Spinnen. Die Fraser-Island-Tunnelnetzspinne ist die giftigste der Welt.“ Er kichert. „Die Tiere, die ich am meisten fürchte, sind aber die Ameisen“, sagt er. „Hier gibt es bis zu drei Zentimeter lange Bulldoggen-Ameisen, die einem bei Gefahr ihren Giftstachel am Hinterleib in die Haut bohren. Das ist ungemein schmerzhaft und kann starke allergische Reaktionen hervorrufen.“
Peter lebt seit 17 Jahren auf Fraser Island und hat fast jeden Busch, jeden Baum und jedes Sandkorn auf Fraser fotografiert. Und doch ist er weit davon entfernt, alle Geheimnisse der Insel zu kennen. „Wir leben hier an einem der wenigen Plätze dieser Welt, wo man abseits ausgetretener Pfade fast immer sicher sein kann, an einem Ort zu stehen, den kein Mensch zuvor betreten hat.“ Auf einer kurvenreichen Spur aus getrocknetem Schlamm steuert er seinen Geländewagen durch den Busch, parkt und klettert zu Fuß zu seinem Lieblingsplatz auf der Insel empor, einer breiten Düne aus Sand, umgeben von Regenwald, mit herrlichen Ausblicken auf die Korallensee. „Ich habe hier oben noch nie andere Fußstapfen erblickt als meine“, sagt er. „Das gibt mir ein ungeheures Gefühl von Freiheit.“ Nach einer kurzen Pause marschiert Peter zurück, die Düne hinab, scheinbar ganz eins mit dieser wilden Landschaft – und doch sorgsam darauf achtend, wohin er seine Füße setzt.
Mal leuchtet das Meer türkis, flirtet mit weißen Traumstränden, farbenprächtigen Korallen oder dunklem Fels, dann wieder ist es dunkelblau, unergründlich und tief. Palmen wiegen sich in der Brise, alte Schoner und schnelle Jachten kreuzen zwischen den Bergen, von denen nur die Spitzen aus der Korallensee ragen: Pfingstinseln, Whitsunday Islands, nannte Captain Cook den Archipel aus 74 Inseln im Herzen des Great Barrier Reef, den er 1770 entdeckte. Pilot David Macfarlane senkt sanft einen Flügel seines zwölfsitzigen Wasserflugzeugs und schwenkt es um den nördlichsten Punkt der Hauptinsel Whitsunday Island herum.
„Hier kommt er jetzt“, sagt er durch den knisternden Bordlautsprecher. Die grünen Hügel der Insel bilden plötzlich eine Schneise und enthüllen die breite Mündung eines Gezeitenflusses. Der verwirbelt den strahlend weißen Strand mit der See, die von türkis über himmelblau bis zu tiefster Jade changiert, und in weiten Mäandern in der Ferne entschwindet. Mehrmals schwebt der Flieger am Hill Inlet vorbei, damit alle Passagiere das Naturschauspiel genießen können. Dann sinkt er hinab und hüpft wie ein Stein über die Wasseroberfläche, ehe er in der sanft geschwungenen Bucht hält. Sie säumt ein dichter Vorhang aus hellgrünen Casuarina-Bäumen. Willkommen am Whitehaven Beach, einem der schönsten Strände der Welt! Sein Geheimnis? Der Sand besteht hier zu 98 Prozent aus Silikat, das so fein wie Talkumpuder ist und so stark reflektiert, dass selbst bei mörderisch heißem Sonnenschein der Strand noch angenehm kühl ist. Einige Ausflügler reiben ihre Füße im Sand. „Er schält die Haut wie bei einem Peeling“, sagt eine Dame, die leicht verträumt klingt unter ihrem enormen Sonnenhut im Sombrero-Stil.
Die Reinheit des Sandes hat unter den Einheimischen sogar schon für einige Verschwörungstheorien gesorgt. Der Volksmund behauptet, dass Mitglieder der US-Regierung in den 1970er-Jahren im Schutze der Nacht aufgetaucht seien und ganze Säcke des Sandes entwendet hätten, um damit die Hightech-Glaslinsen für das Hubble-Teleskop der NASA zu fertigen. „Die einzige Möglichkeit, an diesen Strand zu kommen, ist ein Tagesausflug mit einem Schiff oder Flugzeug“, sagt David, der sich auf einen der beiden großen Schwimmer seines Flugzeuges gesetzt hat. „Dadurch gibt es nie sehr viele Leute hier, gelegentlich haben Sie sogar den ganzen Strand für sich allein.“ Bewundernd blickt er am weißen Silikatband entlang. „Whitehaven Beach ist unglaublich schön. Einfach von Natur aus. Und nicht, weil mit Photoshop daran gearbeitet wurde.“ Träumerisch ergänzt er zum Abschied: „Auch ich werde dieses Anblicks nie müde.“
Aus dem Wasser tauchen sechs Köpfe auf, jeder von ihnen mit Schnorchel und Maske geschmückt. „Hast du das auch gesehen?“, fragt einer. „Schau doch auch noch mal, da, ganz unten!“ Dann tauchen sie wieder ab, hinein in die farbige Welt der Korallen und Meerestiere, die sich wenige Meter unter ihnen erstreckt. Doch die faszinierende Unterwasserwelt zeigt nur einen winzigen Ausschnitt des mächtigen Great Barrier Reef, das 348.000 Quadratkilometer von Queenslands Küste bedeckt – eine Fläche fast so groß wie Deutschland. Mal 15, mal 150 Kilometer vom Festland entfernt, ist das „Große Barriereriff“ das artenreichste marine Ökosystem der Welt, mit Tausenden Fischarten, Meeresschildkröten, Haien, Walen und über 400 verschiedenen Korallenarten. Heute sind Hirschhornkorallen zu sehen, mit harten, spitzen „Geweihen“, und „Elefantenohren“, bis zu einem Meter große, purpurfarbene Blattkorallen. Dann taucht ein orange-schwarz-weiß gestreifter Clownfisch auf, der durch „Findet Nemo“ weltberühmt wurde, und kuschelt dort, wo sich sonst kaum ein Fisch hintraut: zwischen den giftigen grünen Tentakeln einer Seeanemone. Aufgeregt zeigen die Schnorchler in seine Richtung. „Alle lieben Nemo“, lacht John Scotese, ein in Chicago geborener Meeresbiologe an Bord des Wavedancer-Katamarans, der ganz in der Nähe auf dem Wasser schaukelt.
Das Boot ist bei den Low Isles vertäut, zwei flachen Koralleninseln 15 Kilometer nordöstlich von Port Douglas. Auf der kleineren Insel reckt sich seit 1878 keck die rote Spitze eines Leuchtturms in den blauen Himmel, auf der größeren sind heute Tausende Seevögel die einzigen Bewohner. 1828 jedoch hatte von hier aus eine Gruppe britischer Wissenschaftler mit den weltweit ersten Untersuchungen eines Korallenriffs begonnen. „Sie versuchten zu ergründen, wie dieses Ökosystem funktioniert, und hinterließen uns wichtiges Wissen“, erzählt John. „Und doch verstehen wir selbst heute längst noch nicht alles, was in dieser unglaublich vielfältigen Welt passiert.“ Der Inseltag geht langsam zu Ende. Als das Beiboot die letzten Ausflügler einsammelt, taucht eine grüne Meeresschildkröte nur wenige Meter vor der Reling des Katamarans auf. Sie schwebt heran, betrachtet interessiert die Abläufe an Bord und entschwindet anschließend genauso plötzlich, wie sie aufgetaucht war – hinab in ihre geheimnisvolle Unterwasser-Wunderwelt.
„Schneidet ihm den Weg ab! Treibt das Leittier wieder zurück!“ Energisch erschallt dieser Ruf hinter einer staubigen Wolke von Rinderkörpern. Blitzschnell läuft der schwarz-weiße Kurzhaar-Collie zu dem Tier, das aus der Herde ausgebrochen ist. Es ist Muster Day auf der Viehfarm Mount Mulligan Station. Ein halbes Dutzend Stockmen, australische Cowboys, treibt eine Rinderherde hinunter zu den Weiden. Ihre drei Hütehunde erledigen in hohem Tempo gehorsam die ihnen zugewiesenen Aufgaben.
Der Boss, der wiederum den Männern die Befehle gibt, ist Gordon Pringle, ein peitscheschwingender Mann mit einem tiefkrempigen Akubra-Hut, der schon als Kind die Fähigkeiten eines Stockman erlernte, mit dem Tourismus Millionen machte und Oprah Winfrey für einen Dreh ins Outback holte. 2008 kaufte er die 28.000 Hektar große Viehfarm und öffnete sie für Besucher und Backpacker. Die können mit einem „Work & Travel“-Visum beim Zusammentreiben der Herde mit Hunden, Pferden und Hubschraubern nicht nur zuschauen, sondern auch mit anpacken. Einige der Bullen sind „cleanskins“ – wilde, eigensinnige Rinder, im Busch geboren. Fühlen sie sich bedrängt, senken sie ihre Hörner und greifen an. Auch die Pferde sind keine domestizierten Gäule, sondern wurden aus „brumbies“, den verwilderten Rössern der frühen Kolonisten, oder heimischen Wildpferden gezüchtet.
Das staubige Weideland erstreckt sich im Schatten des Uluru von Queensland: Mount Mulligan. Der riesige Tafelberg ist zehnmal so groß wie das weltberühmte Wahrzeichen im Red Centre. Mal 200, dann wieder 400 Meter hoch, ragt er aus der Ebene empor. Für die örtlichen Kuku- Djungan-Aborigines gehört Ngarrabullgan, wie sie ihn nennen, als Geburtsort der Regenbogenschlange zu Australiens heiligsten Stätten. Jetzt kommen die Stockmen zurück, eine riesige Staubwolke im Gefolge. Eine Rinderschulter wird über dem offenen Feuer gegrillt. Gordon setzt sich auf einen breiten Baumstamm. „Es ist kein leichter Alltag“, räumt er ein. „Immer geht es um Leben und Tod.“ Er schaut hinter sich, wo sich der Berg zwischen rosa Lotusblüten im langsam dahinfließenden Hodgkinson River spiegelt. Dann zuckt er mit den Schultern. „So ist eben unser Leben.“
Text: Christa Larwood und Hilke Maunder
Noosa
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