Autobahnen haben sich zu einladenden Parks entwickelt, aus Schlachthöfen wurden Kunsträume und ehemals vernachlässigte Kinos beherbergen heute Restaurants und Bars: Bienvenida in einer der spannendsten Metropolen Europas, deren Einwohner nur so sprühen vor Energie.
Als Alexandre Dumas, der Autor der drei Musketiere, im 19. Jahrhundert Madrid besuchte, schrieb er, dass der Plaza Mayor über „das schönste und am besten bemalte Gewölbe“ verfügt, das er je gesehen hatte. Er meinte den weiten spanischen Himmel. „Dumas hat verstanden, dass unser Firmament mit seinen Sternen und Wolken besonders bezaubernd ist“, sagt Ana Llorente, Reiseleiterin und Geschichtsprofessorin an der Centro Universitario Villanueva, und deutet nach oben. „Es hat etwas Magisches.“
Die Atmosphäre und das Klima Madrids ziehen die Menschen nach draußen, und ein moderner Dumas hätte viele Möglichkeiten zum Sternegucken, darunter die „Picalagartos Sky Bar“. „Das ist ein neues Konzept für Madrid“, sagt Ana, die am Rande der Dachbar des Hotels „NH Collection Madrid Gran Vía“ steht. Sie deutet auf die Gran Vía hin, eine der bedeutendsten Straßen der Stadt. „Vielleicht wollten wir Möglichkeiten finden, jede Ecke zu nutzen, und so suchten wir auch die Vogelperspektive. Von hier aus kann man den Kontrast zwischen verschiedenen Gebäuden sehen, von Hochhaustürmen, die auf der Skyline von Manhattan basieren, bis hin zu den orangefarbenen, gefliesten Dächern dort drüben, die aus einem Dorf in Kastilien stammen könnten.“
Spektakulär wie die Aussicht ist die Verwandlung ganzer Stadtteile. Sie wurden überarbeitet, um mehr Platz im Freien zu schaffen. Wie der Madrid Río, Europas anspruchsvollstes Begrünungsprojekt. Für mehr als vier Milliarden Euro wurden Autobahnen unter die Erde gelegt und 33.000 Bäume gepflanzt. So entstand auf mehr als zehn Kilometer Länge der Grüngürtel im Zentrum Madrids, der sich beidseitig am Fluss Manzanares entlangschlängelt.
Der Autobahnring M-30 wurde unterirdisch in ein Labyrinth von Tunneln verlegt, sodass der daraus resultierende Raum heute ein XL-Park ist, der die zuvor durch die Straße getrennten Viertel zusammenführte. Wenn duheute dort entlang spazierst, siehst du Menschen, die auf Rollschuhen und per Rad durch gepflegte Gärten streifen, du kommst an Skateparks und Tennisplätzen vorbei, atmest die Düfte von Pinien und Lavendel ein und hörst Vogelgesang. Im Fluss selbst tummeln sich verschiedene Arten von Schwänen, Enten und Silberreihern, die sich in ihrem natürlichen Lebensraum wieder eingefunden haben.
„Vor zehn Jahren galt das gesamte Gebiet als Vorort von Madrid“, sagt Ana. „Jetzt ist es ein Treffpunkt für Paare und junge Familien geworden. Es repräsentiert eine Erneuerung von Orten, die wir Madrileños einst nicht genutzt haben.“Beeindruckend: 45 Prozent von Madrid gelten als Grünflächen, der zweithöchste Anteil aller Städte der Welt (Prag ist die Nummer eins).
Doch nicht jede freiwerdende Fläche wird in einen Park verwandelt. Beispiel: El Campo de la Cebada im Viertel La Latina ist besonders spannend – wegen seiner Neuheit sowie der vielfältigen Nutzung. Hinter den mit Graffiti verzierten Wänden finden Basketballspiele genauso statt wie politische Kundgebungen. Der urbane Raum liegt gut anderthalb Kilometer nördlich von Madrid Río und grenzt an den alten Bauernmarkt an der Plaza de la Cebada. Er entstand fast zufällig, als die Gemeinde ein altes Schwimmbad abgerissen hat und das Geld für den Neubau ausging. Es ist ein Ort, sagen Einheimische, der „für und von Nachbarn“ geschaffen wurde. Bei Madrids Liebesaffäre mit dem Leben im Freien geht es eindeutig darum, Bereiche zu schaffen, in denen die Bürger sich begegnen können.
Text: Kevin Eg Perry, Fotografie: Adrienne Pitts
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