In Europa gibt es großartige Routen für Radfahrer. Für jeden etwas: vom Freizeitsportler bis zum Radprofi. Wir stellen acht wunderschöne Touren vor.
In Europa, präziser gesagt in England, wurde 1885 das "moderne Sicherheitsfahrrad" erfunden und in die ganze Welt getragen. Kein Wunder, dass in Europa noch immer die berühmtesten Radrennen stattfinden - von der Tour de France und der Giro d‘Italia bis zu eintägigen "Klassikern" wie Paris-Roubaix. Wer sich Alpenpässe hocharbeiten und über Kopfsteinpflaster rattern möchte wie die Radprofis wird seine Freude an dem neuen Lonely Planet Buch ebenso haben wie Menschen, die einfach gern Rad fahren. Es heißt "Legendäre Radtouren in Europa - die 50 spannendsten Touren des Kontinents”. "Legendär" ist auch längst eine internationale Szene, die das Bikepacking - eine Art Rucksackwandern mit dem Fahrrad - für sich entdeckt hat.
Das neue Buch bietet für jegliche Art Radbegeisterte etwas. Von leichten Touren (im Hinblick auf Gelände, Entfernung, Wetter) bis anspruchsvoll (steilere Anstiege, längere Strecken, weniger Pausen). Es will Neugier auf neue Radstrecken wecken und zeigen, dass es keine bessere Art gibt, einen Ort, eine Kultur und ihre Menschen zu erleben als mit dem Fahrrad. Wir stellen acht Touren aus ganz Europa vor.
Quer durch das Dovrefjell-Gebirge, Heimat einer der letzten wilden Rentierherden Europas, führt der Styrkeprøven-Radmarathon. Die 543 Kilometer lange "Kraftprobe" in den Wäldern und Bergen Norwegens gehört zu den ältesten und anspruchsvollsten Radmarathons der Welt. Über 6.000 Menschen starten an sechs verschiedenen Orten. Die Originalstrecke von Trondheim nach Oslo ist die renommierteste.
Als der norwegische Kriegsheld Erik Gjems-Onstad das Rennen 1967 ins Leben rief, hatte es nur 100 Teilnehmer. Heute fahren rund 1.500 jährlich die volle Strecke. Die meisten starten am Abend und legen die Strecke in weniger als 24 Stunden zurück. Das Rennen ist anspruchsvoll, doch die traumhafte Landschaft entschädigt für die Mühen. Der Styrkeprøven führt über ein Hochplateau, das von den höchsten Gipfeln des Dovrefjell-Gebirges umgeben ist, einschließlich der 2.286 Meter hohen Snøhetta.
Unser Tipp: Wer die Nacht durchfahren möchte, sollte Licht, einen zusätzlichen Akku für den Fahrradcomputer und das Handy einpacken. Ebenfalls empfehlenswert: eine gute, wasserdichte Jacke sowie Arm- und Beinwärmer.
Vom Brandenburger Tor in Berlin bis zum Rathaus in Kopenhagen beträgt die Entfernung genau 700 Kilometer. Die Strecke führt vorbei an malerischen Seen, durch alte Wälder und übers Meer zu den buchtenreichen Inseln Dänemarks. Entlang der Route liegen zahlreiche Campingplätze und über Bett+Bike gibt es zertifizierte fahrradfreundliche Unterkünfte. Obwohl die Tour das ganze Jahr über machbar ist, liegt die schönste Reisezeit zwischen Juni und September. Die Strecke eignet sich auch für Anfänger, da es keine großen Steigungen gibt. Es reichen ein Tourenrad, wasserdichte Kleidung und Sonnenschutz. Alle Infos unter Bikeway Berlin-Kopenhagen.
Unser Tipp: Es gibt nicht so viele Einkaufsgelegenheiten, deshalb ist es ratsam, die Wasser- und Essensvorräte immer aufzufüllen, besonders beim Campen.
Auf dem Wayfarer-Pass wurde Radgeschichte geschrieben - hier wurde der Offroad-Radsport erfunden. Der Mann, der in der Wildnis von Wales als Erster überhaupt den Asphalt hinter sich ließ, hieß Wayfarer. Bereits bei den Radlern der 1930er- und 1940er-Jahre war das Fahren von einem Tal zum anderen auf den rauen, unbefestigten Strecken sehr beliebt. Sie stachelten sich gegenseitig an, immer wildere Routen zu erkunden. Einige Klassiker sind inzwischen asphaltiert, aber es gibt noch viele Pässe, die erobert werden wollen. Start und Ziel der 75 Kilometer langen Streckenrunde ist Chirk. Wayfarer und seine Freunde übernachteten damals im West Arms Hotel in Llanarmon Dyffryn Ceiriog, das nach wie vor ein behaglicher Landgasthof ist. Mehr Infos bieten Rough Stuff Fellowship, der Anfield Bicycle Club und der Club des Cent Cols
Unser Tipp: Mit einer Karte im Maßstab 1:25.000 kann man hervorragend nach abrupt endenden Bergstraßen suchen, die ein Pfad über den Gipfel verbindet. Für die Ausrüstung sind mindestens 35 mm-Reifen, Clickies oder Flat-Pedal-Schuhe angebracht.
Die zweitägige Gourmet Tour durch den malerischen "Bauch von Frankreich" weckt in jedem Radfahrer den Weinliebhaber. Die 88 Kilometer lange Strecke von Chalon-sur-Saône nach Dijon führt durch prächtige Weingüter und lohnt sich daher besonders im Sommer. Dann hängen die Trauben verführerisch an den Reben. Erst im September zur Erntezeit sind die Straßen voller Erntewagen. Weinfeste finden hingegen das ganze Jahr über statt. Die Genusstour ist besonders berühmt für die köstlichen, mit Wein gekochten Gerichte wie coq au vin, boeuf bourguignon und sein vegetarisches Äquivalent, oeufs en meurette. Unterkünfte gibt es von prachtvollen Châteaux bis zu preiswerten Hostels. Food-Autorin Felicity Cloake verrät ihre besten Tipps auf der Seite Burgundy by bike. Sie hat sich auf einer 2.253 Kilometer langen Radreise auf die Suche nach kulinarischer Perfektion in Frankreich begeben.
Unser Tipp: Die Touristeninformationen in Beaune, Nuits-Saint-Georges und Dijon bieten eine Liste mit Weingütern, die Besucher willkommen heißen. Und: Korkenzieher und viel Wasser einpacken.
Die Felswände der Dolomiten ragen steil über malerischen Tälern. Dort verlief bis auf Höhen bis zu 3.500 Metern eine der dramatischsten Fronten im Ersten Weltkrieg. Landschaft und Geschichte ergeben somit eine perfekte Kombination für spannendes Bikepacking. Von Bressanone (Brixen), wo Start und Ziel liegt, geht es hinunter zum südlichsten Zipfel des Lago di Alleghe, während eine Dolomiten-Sensation nach der anderen auftaucht: hohe Pässe, imposante Felswände und eine Handvoll der insgesamt 18 Dreitausender in dieser Gebirgskette. Auf der etwa einwöchigen Rundtour über 262 Kilometer wechseln sich ruhige Radwege und Singletrails mit von Fels übersäten Abfahrten ab. Auf Bikepacking gibts die ganze Route als GPX-Datei.
Unser Tipp: Ein Rad mit mindestens 2,6-Zoll-Reifen, Werkzeug und selbst im Sommer warme, wasserdichte Kleidung mitnehmen. Von Juni bis Ende August ist Hochsaison. Im September sind die Wege weniger frequentiert. Die einzige Seilbahn (hinter Malga Ciapela) schließt allerdings am 2. September, also entsprechend planen.
Mit 21 Gipfeln über 2.000 Meter und über 150 Pässen ist die Insel Korsika so etwas wie das Eldorado für Radfahrer. Entlang der Küste, die mit Fischerdörfern und genuesischen Aussichtstürmen übersät ist, winden sich aussichtsreiche Straßenstücke. Die Radreise durch Frankreichs "Île de Beauté" im Mittelmeer führt sogar über einen Teil der Strecke, die bei der 100. Tour de France gefahren wurde. Start und Ziel der 452 Kilometer langen Rundtour ist Bastia. Die beste Reisezeit ist im April, Mai, Juni, September und Oktober. Im Hochsommer ist es zu heiß. Eine empfehlenswerte Verlängerung der Tour um 25 Kilometer führt von Porto aus nach Süden bis Piana über die berühmten "Calanches". Umfangreiche Informationen gibt es bei Corsicacyclists.
Unser Tipp: Wenn sich bei der Fahrt um Cap Corse der Hunger einstellt, ist die L’Auberge du Chat qui Pêche in Canari ein toller Ort. Und am Abend unbedingt lokale Weine, vor allem aus der Region Patrimonio, ausprobieren.
Die Trans-Dinarica bringt Radfahrer ins Herz einer Kultur, die sich seit Jahrhunderten nicht verändert hat. Darum gehört sie zu den spannendsten Europäischen Radtouren. Der Beginn der Route liegt in Slowenien. Dort locken Abenteuer, Geschichte und Gastronomie. Es lohnt, sich noch ein wenig umzusehen. Der geschichtsträchtige "Weg des Friedens" erinnert an den Ersten Weltkrieg und im Gletscherwasser der Soca kann man herrlich Kajak fahren. Zudem ist der Landstrich entlang der italienischen Grenze bis nach Kroatien Sloweniens Weinanbaugebiet Nummer Eins. Die Strecke endet nach 1.220 Kilometern in Sarajevo, Bosnien & Herzegowina. Die schönste Zeit für die Radtour ist in der Nebensaison im Frühjahr und Herbst. Alle wichtigen Infos gibts auf der Seite der Transdinarica.
Unser Tipp: Wer nicht mit dem eigenen Fahrzeug samt Radträger anreist, leiht unkompliziert ein Rad in Ljubljana (Slowenien) bei Visit GoodPlace, in Zagreb (Kroatien) über VMD Adventure Travel, in Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) über GreenVisions.
Die EuroVelo 6 verläuft über 4.600 Kilometer von der Atlantikküste bis zum Schwarzen Meer und verbindet zehn Länder quer über den Kontinent: Frankreich, die Schweiz, Deutschland, Österreich, die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien und Rumänien. Jede Etappe hat ihre Highlights. Kein Abschnitt jedoch ist bisher derart übersehen worden wie die 1.782 Kilometer südlich von Budapest bis zum Schwarzen Meer an der Donau entlang. Die Strecke führt auf Landstraßen, Rad- und Dammwegen vorbei an zahllosen Dörfern, Bauernhöfen und Weinbergen von Kroatien über Serbien und Bulgarien nach Rumänien und endet in Constanta. Statt der üppigen Beschilderung, Bistros und Boutiquen des westlichen Teil der EV-6-Route punktet die Ost-Strecke mit günstigen Übernachtungsmöglichkeiten und herzlicher Gastfreundschaft. Wer die Befreiung vom Tourismus sucht und stattdessen Verlangsamung, Selbstgenügsamkeit und tolle Landschaften finden möchte, ist hier goldrichtig.
Unser Tipp: Auf den unterschiedlichen Straßenbelägen funktioniert am besten ein Mountain- oder Trekkingbike. Es reicht, das Allernötigste in Bikepacking-Taschen mitzunehmen, wie Regenklamotten, etwas zum Anziehen am Abend, eventuell ein Zelt und Kochutensilien. Die beste Reisezeit ist vor und nach der Sommerhitze.
Ganze 50 Radrouten in und durch Europa präsentiert der Reiseführer "Legendäre Radtouren in Europa". Schau doch einmal hier hinein.
Text: Ines Wagner