Urwald? Da fallen einem gleich Bilder vom Amazonas ein. Doch halt: Urwälder gibt es auch hier noch in Europa. Wir stellen sieben davon vor.
Wo Menschen leben, fallen Bäume. Sie müssen Platz räumen für Felder, ihre Stämme dienen als Rohstoff-Lieferant. Und wenn Wälder nachwachsen dürfen, dann nur unter strenger Aufsicht von Förstern und Jägern, die den Bestand kritisch kontrollieren und eingreifen. Es grenzt daher fast an ein Wunder, dass es sie heute immer noch gibt: Urwälder hier in Europa. Bereiche, in die der Mensch nicht vorgedrungen ist und die nun unter Schutz stehen. Wir stellen hier sieben sehenswerte vor.
Wir beginnen ganz im Osten. An der Grenze zwischen Weißrussland und Polen liegt der riesige Nationalpark von Białowieża. Das Besondere an diesem Urwald: Hier leben sogar noch Wisente, also die "europäischen Bisons". Zwischen den rund 5.500 Pflanzenarten streunen auch noch Wolfsrudel hindurch.
Bialowieza ist wohl der letzte wirkliche Urwald in Europa, der in tieferen Gebieten liegt. Seine Besonderheit erkennt auch die UNESCO an, die ihn daher auf der Liste der Weltnaturerbe führt.
Besuchen lässt sich dieser Urwald freilich auch, die Seite des Nationalparks gibt Tipps zu Aussichtspunkten und Touren durch den Wald, allerdings auf Englisch.
Es ist eine Sache Urwälder zu erhalten. Doch erlauben wir auch neuen Urwäldern sich Platz zu nehmen mitten in Deutschland? Genau das war ein Politikum in Bayern. Denn was passiert, wenn man sich nicht mehr um den Wald kümmert und ihn der Natur überlässt? Er stirbt! So passierte es eben auch im Bayerischen Wald, wo der Borkenkäfer sich zunächst durch die Monokulturen fraß und totes Holz hinterließ. Als "Deutschlands schlimmstes Waldsterben" bezeichneten viele das.
Aber wer sich für die Prozesse des Waldes interessiert, wer sehen will, wie sich aus totem Holz langsam neues lebendiges Holz erhebt, der ist im Nationalpark richtig. "Geburt eines Urwaldes" nennen das die Betreiber. Und zumindest einigen Wildtieren gefällt das so: Füchse, Dachse, Otter und Luchse sind hier heute wieder heimisch.
Auf der Webseite des Nationalparks können sich Besucher über die Möglichkeiten der Erkundung des künftigen Urwalds informieren.
Bergwald und dazwischen wunderschöne blaue Gletscherseen - das bietet der Nationalpark Biogradska Gora seinen Besuchern. Gelegen im Osten des Adria-Staates Montenegro erstreckt sich der Urwald bis auf Höhen von über 2.000 Metern. Seine Bäume sind teils bis zu 500 Jahre alt, dazwischen leben Hirsche und sogar noch Bären.
Am See Biogradsko befindet sich ein Besucherzentrum, von dem aus Wanderungen in den Park unternommen werden können. Infos dazu finden sich auf der Webseite des Nationalparks.
Mitten in Deutschland, nahe der Stadt Eisenach, gedeiht noch ein typischer Buchenwald. 30 verschiedene Baumarten haben dort eine Heimat gefunden und ausgerechnet dem kalten Krieg haben sie ihr Bestehen zu verdanken. Denn das Gebiet war jahrzehntelang ein militärisches Sperrgebiet und Menschen waren dort nicht willkommen, außer welche mit Uniform. Und so siedelten und erhielten sich hier viele Tiere und Pflanzen.
Heute gehört der Hainich in das über drei Länder übergreifende Welterbe "Buchenurwälder der Karpaten und Alte Buchenwälder Deutschlands". Von den Besucherzentren aus gehen geführte Touren in den Wald hinein, auf denen Teilnehmer Wichtiges und Wunderbares über den alten Buchenwald lernen. Infos auf der Webseite.
Schon 1935 wurde dieser Nationalpark in den Karpaten im Südwesten Rumäniens gegründet. Heute bietet er nicht nur hohe Gipfel, teils über 2.500 Meter, sondern auch einen kaum berührten Wald mit Buchen und Fichten. Den Schutz genießen aber nicht nur die Bäume. Denn im Retezat haben Wölfe, Bären, Hirsche, Luchse, Füchse, Wildkatzen, Steinadler und viele andere ein Rückzugsgebiet gefunden.
Richtig erschließen lässt sich der Park durch ausgiebige Wanderungen. Anfahrt, Informationen und Sicherheitshinweise auf Englisch gibt es auf der Webseite des Parks.
Das Gebiet in Österreich ist schon deswegen bemerkenswert, weil es in Mitteleuropa den größten Überrest eines Urwalds darstellt. Es liegt im südwestlichen Niederösterreich und grenzt an die Steiermark. Eingebettet in das Wildnisgebiet Dürrenstein ist es streng geschützt. Dass es noch so gut erhalten blieb, hat es den Rothschilds zu verdanken, dessen Name der Wald nun trägt. Denn Albert von Rothschild hatte bereits 1875 verfügt, dass der Wald unangetastet bleiben solle. Heute wachsen die Buchen, Tannen und Fichten teils auf über 60 Meter hinauf und leben mehrere hundert Jahre.
In den Rothwald dürfen Besucher nicht alleine. Es gibt aber Exkursionen, die Termine sind auf der Webseite veröffentlicht.
Gehen wir ganz in den Westen Europas, auf die kanarischen Inseln. La Gomera ist vulkanischen Ursprungs. Im Prinzip ist die Insel ein Berg im Meer. Unten eher trocken, doch oben am Gipfel fangen sich Wolken und benetzen den dortigen Lorbeer-Wald. Das ist der Nationalpark Garajonay.
Der Urwald hat seinen Ursprung im Tertiär-Zeitalter, das bis vor 2,6 Millionen Jahren währte. Damals gab es diese Lorbeer-Bäume in weiten Teilen Europas. Heute existieren solche Bestände nur noch auf den Kanaren, den Azoren und wenigen anderen Inseln.
Die Lorbeer-Wälder lassen sich übrigens hervorragend durchwandern. Klare Wege führen hindurch und bringen einen teils zu Aussichtsplattformen, die einen Blick auf alte Vulkankegel gewähren. Am besten schließt man sich einer geführten Wanderung an, denn die Tourguides erzählen viel Wissenswertes über die Wälder. Die Wandertouren werden von verschiedenen Anbietern auf der Insel organisiert.
Der Besuch eines Urwalds ist nur eine Möglichkeit, eine unvergessene Reise anzutreten. Mehr Tipps und Inspiriationen sind im Buch "Ultimative Reiseziele: Die Top-500-Liste von Lonely Planet" zu finden.
Schau es Dir doch hier einmal an.
Text: Stephan Goldmann