Der Oman zählt zu den sichersten und faszinierendsten Reiseländern der arabischen Welt. Unvergesslich ist eine Tour in das Leere Viertel, die größte Sandwüste der Erde. Folgen Sie den Spuren eines legendären britischen Entdeckers.
Schwer zu sagen, wann man im Leeren Viertel ankommt. Straßenschilder gibt es nicht, weil keine Straßen hineinführen. Die wiederum sind nicht vorhanden, weil man im Grunde nirgendwo hinfahren kann. Folglich kann man auch niemanden nach dem Weg fragen, denn in der Wüste ist weit und breit nicht die kleinste Hütte zu sehen. Und mit dem Handy lässt sich ebenfalls nichts anfangen – Mobiltelefone haben hier keinen Empfang.
Eines gibt es jedoch im Überfluss: Sand. Goldgelbe Körnchen, die sich zu pyramidenhohen Dünen auftürmen und gleichsam überallhin gelangen. Wer hier einen Tag lang herumläuft, hat genug davon in den Socken, um daraus eine mittelprächtige Sandburg zu bauen. Er knirscht beim Frühstück und beim Abendbrot zwischen den Zähnen. Man pult ihn sich aus der Nase, aus den Ohren und dem Bauchnabel. Und selbst als ich später nach meinem Wüsten-Abenteuer zu Hause bin, rieselt er noch als Andenken an eine der unwirtlichsten Regionen unseres Planeten aus dem Koffer.
Die Rub al-Chali – arabisch für Leeres Viertel – bildet noch vor der weitgehend felsigen Sahara die größte Sandwüste der Erde. Ihre endlosen Dünen bedecken eine Fläche etwa so groß wie Frankreich und erstrecken sich über Oman und Saudi-Arabien bis hin zu den Vereinigten Arabischen Emiraten. Weit im Nordwesten liegen die heiligen Moscheen von Mekka und Medina, im Nordosten die glitzernden Wolkenkratzer von Dubai und Abu Dhabi. Und im Süden erreicht man irgendwann die warmen Strömungen des Indischen Ozeans. Dazwischen ist das Nichts. Auf der Landkarte sieht das Leere Viertel aus, als hätte der Kartograf seinen Zeichenstift für ein Päuschen beiseitegelegt. Die Rub al-Chali ist eine Einöde, in die es nur wenige Seelen verschlägt, vergleichbar mit der Antarktis. Doch es gibt kein größeres Abenteuer als eine Reise in diesen unwirtlichen, aber verzaubernden Landstrich …
Ein heftiger Staubsturm zieht von der Golfküste Omans heran und peitscht über die Flanken des Hadschar-Gebirges hinweg. In Nizwa, gut 100 Kilometer landeinwärts, suchen die Spatzen Unterschlupf in den Wehrtürmen der Stadt. Die Händler in den Souks verrammeln ihre Läden, Gewürzsäcke voll mit Muskatnuss, Sternanis und Kreuzkümmel werden abgedeckt. Durch die sandgetrübte Luft hallt der Ruf des Muezzins zum Mittagsgebet.Ein heftiger Staubsturm zieht von der Golfküste Omans heran und peitscht über die Flanken des Hadschar-Gebirges hinweg. In Nizwa, gut 100 Kilometer landeinwärts, suchen die Spatzen Unterschlupf in den Wehrtürmen der Stadt. Die Händler in den Souks verrammeln ihre Läden, Gewürzsäcke voll mit Muskatnuss, Sternanis und Kreuzkümmel werden abgedeckt. Durch die sandgetrübte Luft hallt der Ruf des Muezzins zum Mittagsgebet.
Wer sich von Omans Nordküste aus auf den Weg ins Leere Viertel macht, muss zunächst das Hadschar-Gebirge überqueren, das sich gleich hinter der Hauptstadt Muscat entlang der Küste erhebt. Während die Sandstrände am Meer so heiß sind, dass man sich die Fußsohlen versengt, fällt auf den Gipfeln im Winter mitunter sogar Schnee. Nur ein paar Ziegen trotten durch die karge Region, in der noch in den 1940er-Jahren ein gefürchteter Imam herrschte. Für Fremde war das Gebiet gefährliches Terrain. Heute können Touristen die Gegend bedenkenlos erkunden. Guide Kareem steuert seinen Geländewagen die Straße zum mächtigsten Gipfel der Bergkette hinauf, den 3000 Meter hohen Jebel Shams. Zerfallene Wehrtürme ziehen vorbei, hoch über der Straße kleben die Lehmhäuser kleiner Bergdörfer an den Hängen. Das malerische Misfat etwa, das umgeben ist von sattgrünen Dattelhainen und Mangobäumen. „Die Gärten werden aus den Quellen der Berge bewässert“, erklärt Kareem, während er im Formel-1-Tempo die Serpentinen hinaufbrettert. „Sie speichern das Regenwasser, das hier über die Jahrhunderte gefallen ist.“
Oben auf dem Jebel Shams ist der Himmel klar und die Aussicht auf die zerklüfteten Felswände der Hadschar-Berge atemberaubend. Richtung Süden blickt man über eine ausgedörrte Ebene – am dunstigen Horizont beginnt das Leere Viertel.
An einem Morgen im Frühjahr 1949 hätte man von hier oben eine kleine Beduinenkarawane auf ihrem Weg aus der Wüste sehen können. Unter ihnen befand sich ein hagerer, verschrobener Mann mit schmalen Augen und geschliffenem Eton-Akzent. Wilfred Thesiger war Boxer, Reiseautor und Forscher in Personalunion und wurde als einer der letzten großen Entdecker Englands bejubelt. Unter dem dubiosen Vorwand, das Brutgebiet der Heuschrecken aufspüren zu wollen, die Afrika immer wieder heimsuchten, war er bereits seit vier Jahren mit Beduinen barfuß und mit Krummdolch bewaffnet durch die Rub al-Chali gezogen. So zumindest erzählt es Thesiger in seinem Buch „Die Brunnen der Wüste“ („Arabian Sands“). Jetzt wollte er auch die Berge erkunden. Doch daraus wurde nichts. Als der brutale Imam von seinen Plänen erfuhr, stellte er Thesiger vor die Wahl: entweder er suche umgehend das Weite oder er sterbe einen qualvollen Tod. So zog die Karawane zurück in die Wüste und ward nie wieder gesehen. Niemand folgte ihr. „Sogar Einheimische gehen manchmal in der Wüste verloren“, erzählt Guide Kareem mit einem Grinsen. „Das Leere Viertel ist ein gefährlicher Ort.“
Text: Oliver Smith, Deutsche Bearbeitung: Olaf Heise, Fotos: Justin Foulkes
Den vollständigen Artikel mit weiteren Informationen und beeindruckenden Aufnahmen finden Sie in der Juni-Ausgabe des Lonely Planet Traveller.