Viele Metropolen haben zwar das Format von Hauptstädten, der Regierungssitz liegt aber woanders. Hier zehn typische Irrtümer.
In jedem Quiz gibt es eine Trickfrage, welche die Quizzer irrtümlicherweise dazu bringt, eine beliebte Metropole als Sitz der Staatsmacht zu bezeichnen, obwohl diese ganz woanders beheimatet ist. Kein Wunder: Es gibt eine Vielzahl attraktiver, heimlicher Hauptstädte auf der ganzen Welt, die nicht zu Unrecht unsere Herzenshauptstädte sind.
Wie lange wurde Berlin für die deutsche Hauptstadt gehalten - bis die Metropole endlich wieder dazu wurde? Anderen Städten geht es ebenso. Es sind Städte, die wir lieben und die weltweit für Hauptstädte gehalten werden - einfach, weil sie eine enorme Attraktivität, Sexappeal und Strahlkraft haben. Wir haben eine Liste der schönsten Irrtümer zusammengestellt - und zeigen, worin ihre große Anziehungskraft liegt.
Wer wie New York das kulturelle und finanzielle Zentrum eines Landes ist, wen interessiert es, nicht der eigentliche Regierungssitz zu sein? New York bestimmt nicht. In der glitzernden Weltstadt sprechen die 8,6 Millionen Einwohner, die den Schmelztiegel der USA als ihr Zuhause bezeichnen, erstaunliche 800 Sprachen.
Die Besucher werden von der eindrucksvollen Wolkenkratzerarchitektur angezogen und von einem Nachtleben, das weltweit seinesgleichen sucht. Und wenn eine Stadt schon die Heimat der Vereinten Nationen ist, wozu muss sie dann noch als Landeshauptstadt gelten - kann sie nicht auch so mit einigem Recht behaupten, quasi die Hauptstadt der Welt zu sein?
Wie schon die glitzernde amerikanische Kollegin verliert auch Sydney keinen Schlaf darüber, dass es nicht die australische Hauptstadt ist. Denn mal ehrlich: Wie vertraut klingt der Name Canberra in den Ohren? Da besteht kein Grund zur Eifersucht.
Die australische Hauptstadt ist ein funktioneller Ort voller Politiker, während Sydney die vor Leben pulsierende Stadt ist, in der die Bewohner zum Strand fahren, um sich zu bräunen und auf den Wellen zu reiten und das entspannte Lebensgefühl auch beim anschließenden BBQ im Sonnenuntergang zelebrieren. Wer die Nachkommen der ersten Bewohner der Stadt, der europäischen Siedler, und die neuen, international gemixten Sydneysiders fragt, wird eine einhellige Antwort bekommen: "Cranberra - was?"
Manchmal kann es eine befreiende Erfahrung sein, seinen Status als Hauptstadt zu verlieren. Bestes Beispiel ist Rio de Janeiro, das den brasilianischen Politikern 1960, als sie im Dschungel die neue Hauptstadt Brasilia errichteten, aus der Ferne mit den heißesten Partys ohne Tränen hinterher winkte. Denn Partys feiern, das können die Einwohner Rio de Janeiros, die Cariocas.
Ob es sich um die zwei Millionen Menschen handelt, die traditionell das neue Jahr am Copacabana-Strand begrüßen, um ausgelassene Feste in den Nachbarschaften oder die zahllosen traditionellen Samba-Schulen, die in jedem Jahr die Karnevalsmassen begeistern - hier wird das ganze Jahr über gefeiert. Also, was spricht dagegen, die heißeste Badebekleidung einzupacken und in die Partyhauptstadt der Welt nach Brasilien zu fliegen?
Istanbul tut sich schwer, sich damit abzufinden, dass es nicht mehr die türkische Hauptstadt ist. Unbestritten war die schöne Stadt am Bosporus über 1.500 Jahre lang das Herzstück zweier sagenhafter Großreiche - des Byzantinischen und des Osmanischen. Mit der Brücke über den Bosporus verbindet Istanbul Europa und Asien - und verströmt damit eine einzigartige Atmosphäre.
Dem Zauber der auf sieben Hügeln erbauten Stadt und ihrer märchenhaften Silhouette aus Kuppeln und Minaretten können sich nur wenige Reisende entziehen - und warum auch? Istanbul birgt eine außerordentlich große Anzahl von Architekturdenkmälern, die jeder großen Hauptstadt würdig sind - im Gegensatz zu Ankara, das 1923 Hauptstadt wurde. Noch heute sind es dieselben Monumente wie die berühmte Aya Sofya oder die Blaue Moschee, die Touristen und Einheimische gleichermaßen davon überzeugen, dass das wahre Herz der Türkei noch immer in Istanbul schlägt.
Okay, wir schummeln hier ein bisschen, weil Amsterdam gemäß der Verfassung tatsächlich die Hauptstadt der Niederlande ist. Der Regierungssitz befindet sich jedoch in Den Haag und während dort über die politischen Themen diskutiert wird, genießt Amsterdam die ganze Pracht, Kultur und Lässigkeit einer Hauptstadt, jedoch ohne die ganze Regierungsbürokratie. Genau das macht die Stadt so entspannt.
Am Koningsdag hingegen feiert ganz Amsterdam ausgelassen. Der Königinnen- und Königstag wird seit 1885 gefeiert und alle tragen zu Ehren der niederländischen Königsfamilie Orange. Der besondere Charme der Stadt ist nicht unbemerkt geblieben - Amsterdam hat sich in den letzten Jahrzehnten zum wahren Tourismusmagneten entwickelt. Auch für diejenigen, die meinen, die Stadt längst zu kennen, hält sie immer wieder Überraschungen bereit - beispielsweise bei einem Besuch der weniger bekannten Viertel oder außerhalb der Hauptsaison. Amsterdam ist definitiv ein großartiges Ganzjahresziel.
Sie mögen es leugnen, aber der Rest Neuseelands ist ein wenig eifersüchtig auf die größte Stadt des Landes, Auckland. Der Neid ging so weit, dass er sich in der umgangssprachlichen Bezeichnung JAFA für die Einwohner Aucklands niedergeschlagen hat. Wir sind an dieser Stelle zu höflich, um die Bedeutung zu erklären, wer sie nicht kennt, kann gern selbst nachschlagen. In der Zwischenzeit hat das Wort zahlreiche positive Umdeutungen gefunden und wird sogar von der Tourismusbranche promotet.
Doch der Neid verwundert nicht: Auckland hat tolles Wetter, schicke Restaurants und unendlich viele coole Bars. Fast ein Drittel der Bevölkerung Neuseelands lebt in Auckland und das Rugby Team ist legendär. Was nützt es dann noch, wenn Wellington das berühmte Beehive-Parlamentsgebäude und eine international anerkannte Filmindustrie hat? In Auckland steht mit dem Fernsehturm immerhin das höchste Gebäude der südlichen Hemisphäre.
Hier befindet sich eine großartige Kulisse genau an der Stelle, an der sich der Indische und der Atlantische Ozean treffen sowie die beeindruckende Silhouette eines der berühmtesten Berge weltweit. Hinzu kommt eine lebendige Mischung der Nationalitäten aus aller Welt, imposante Architektur, verführerische Kulinarik und ein äußerst lebendiges Nachtleben - würde man nicht denken, dass dies die Beschreibung einer perfekten Hauptstadt ist? Knapp daneben.
Die Republik Südafrika hat gleich drei Hauptstadtsitze: Kapstadt ist nur Sitz des Parlaments, ansonsten teilt es sich den Hauptstadttitel mit Pretoria (Verwaltung) und Bloemfontein (Justiz). Wir alle wissen jedoch, welche der drei Städte wir am liebsten besuchen würden.
Während Marrakesch im Laufe der Jahrhunderte zweimal Marokkos Hauptstadt war und nach wie vor das beliebteste Reiseziel des Landes ist, muss es sich heute damit begnügen, den geschäftigsten Platz Afrikas, Djemaa el Fna, zu beherbergen und die Grabstätte der sieben Heiligen Muslime zu sein.
Den Zauber aus tausendundeiner Nacht verströmt die märchenhafte Medina, die dicht bebaute, von Mauern umgebene mittelalterliche Stadt aus der Berberzeit. Zwischen ihren labyrinthischen Gassen finden sich geschäftige Souks. Auf diesen farbenprächtigen, quirligen Märkten wird mit traditioneller Kleidung, Töpferei und Schmuck gehandelt. Das maurische Minarett der Koutoubia-Moschee aus dem 12. Jh. ist das Symbol der Stadt. Hauptstadt von Marokko hingegen ist die Stadt Rabat - und mal ehrlich, was wissen wir darüber?
Wenn man einen Stadtnamen Kanadas im Kopf trägt, wird es in den meisten Fällen vermutlich Toronto sein. Mit fast der Hälfte der außerhalb Kanadas geborenen Bevölkerung (47 Prozent laut Volkszählung 2016) ist das größte städtische Zentrum des Landes die vielfältigste Stadt der Welt.
Ironischerweise ist der fehlende Hauptstadtstatus Torontos auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Stadt, als sie bereits einmal 1857 zur Hauptstadt gewählt wurde, zu Englisch war. Ironisch deshalb, weil gerade der Multikulturalismus das heutige Toronto am besten charakterisiert. Damals aber war es für die frankophonen Landsleute einfacher, Quebec zu akzeptieren, später ging der Hauptstadtstatus an Ottawa. Dennoch kann sich Toronto mit stolzem Vergnügen rühmen, diejenige kanadische Stadt zu sein, von der garantiert jeder schon einmal gehört hat.
Wenn die Bevölkerungszahl, die kulturelle Bedeutung und der finanzielle Einfluss dafür ausschlaggebend wären, was eine Hauptstadt ausmacht, wäre das ehemalige Bombay mit Sicherheit dabei. Imposante Überreste des früheren britischen Imperialismus wie das Gateway of India stehen im Gegensatz zu den Slums, in denen viele der rund 21 Millionen Einwohner des Großstadtgebietes leben.
Bollywood, die weltgrößte Filmindustrie, hat ihren Standort in Mumbai. Außerdem kontrolliert die Stadt den größten Teil der boomenden indischen Wirtschaft. Selbst wenn man den ausufernden Vorortgürtel nicht mitrechnet, ist Mumbai die größte Stadt Indiens und eine der bevölkerungsreichsten Städte der Welt. Trotzdem muss sich die Metropole mit diesem Superlativ begnügen, den Hauptstadttitel darf Delhi tragen.
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Original-Artikel: Clifton Wilkinson/Lonely Planet international
Deutsche Fassung: Ines Wagner