Zu Hause leben inzwischen die meisten von uns einigermaßen nachhaltig. Aber wie steht es mit dem Reisen? Wir zeigen, wie einfach das funktioniert.
Was bedeutet es eigentlich, nachhaltig zu reisen? Beginnt die nachhaltige Reise, sobald man am Zielort ankommt? Oder bereits an einem regnerischen Dienstag im Büro, während man sich verzweifelt eine Ausflucht in wärmere Gefilde erträumt? Geht es nur darum, den ökologischen Fußabdruck gering zu halten oder auch darum, der Gemeinschaft am Urlaubsort etwas zurückzugeben?
Es ist ganz leicht zusammengefasst: Nachhaltiges Reisen bedeutet, verantwortlich zu reisen und in jeder Hinsicht bewusste Entscheidungen zu treffen. Und das heißt keinesfalls, auf Annehmlichkeiten zu verzichten oder umständlich zu planen. Wir haben eine Liste praktischer Tipps zusammengestellt, mit deren Hilfe nachhaltiges Reisen ganz einfach wird. Am Wichtigsten sind der Wille und die Lust auf eine andere, bewusstere Art der Urlaubsgestaltung.
In Städten wie Venedig, Barcelona oder Dubrovnik oder auf Inseln wie Santorini belastet der Overtourism die Infrastruktur längst bis zum Kollaps. Zahlreiche Strände in Malaysia und auf den Philippinen wurden bereits zerstört und Naturwunder in den USA, Island oder Japan in Mitleidenschaft gezogen. Wer also seine nächste Reise nachhaltig planen möchte, sollte weniger ausgetretene Pfade gehen. Dabei reicht es oft schon, sich nur ein wenig über die touristischen Hotspots hinaus zu bewegen bzw. sich von ihnen zu entfernen.
Europäische Hauptstädte wie Tallinn, Ljubljana, Tirana oder Belgrad bieten eine jahrhundertealte Architektur, hippe Kunstszenen und viele verwinkelte Straßen, die darauf warten, entdeckt zu werden, ohne dass man sich dabei durch Menschenmassen schieben muss oder Gefahr läuft, von Selfiesticks aufgespießt zu werden. Im Süden Europas lässt sich dem Gedränge in Barcelona hervorragend bei Ausflügen ins Umland ausweichen. Und auf dem amerikanischen Kontinent sind Kanadas Nationalparks genauso atemberaubend wie die in den USA, mit nur einem Bruchteil der Menschenmassen im Nachbarland.
Wer dennoch den Verlockungen der touristischen Highlights nicht widerstehen kann, reist am besten in den entsprechenden Nebensaisons. Im Winter sind die Kanäle von Venedig im stillen Nebel sogar wesentlich romantischer und die Karlsbrücke in Prag lässt sich dann mit etwas Glück sogar menschenleer fotografieren. Auch wer die Sagrada Familia von Barcelona sehen möchten, entscheidet sich besser für eine Reise außerhalb der Sommermonate oder der Schulferien.
Dann sind die Städte wesentlich entspannter zu entdecken und man selbst leistet einen Beitrag dazu, die Region in der Hauptsaison zu entlasten und die Nebensaison zu unterstützen. Das trifft besonders für Gegenden zu, in denen das Auskommen für regionale Touristikunternehmen und Einheimische außerhalb der Hauptsaison schwierig ist. Wer also den Zeitpunkt seiner Reise unter diesem Aspekt wählt, unterstützt die Wertschöpfung der gewählten Region.
Zug, Flugzeug, Auto - welches Reisemittel ist das Beste? Wir kennen einen Teil der Antwort längst: Flugreisen sind der natürliche Feind des nachhaltigen Reisens, gleich nach den Kreuzschiffsfahrten. Die Schweden haben sogar einen neuen Ausdruck geprägt, "flygskam" - das "Flugschämen". Leider gibt es zum Fliegen manchmal keine Alternative, wenn man nicht gerade den ganzen Jahresurlaub am Stück nehmen möchte, um New York oder Tokyo zu besuchen. Die beste Lösung ist trotzdem, weniger zu fliegen. Statt drei oder vier kurze Städtereisen pro Jahr mit dem Flugzeug zu unternehmen, kann man genauso gut Ziele anpeilen, die sich mit Bahn und eigenem Auto erreichen lassen.
Wer Economy reist, schont die Umwelt. Die erste Klasse kann schnell einen doppelten CO2-Fußabdruck bedeuten. Mit Direktflügen lassen sich unnötige Emissionen vermeiden. Auf der Webseite der Umweltorganisation Atmosfair lässt sich gezielt der ökologische Fußabdruck des geplanten Fluges berechnen und vergleichen. Im Zielland angekommen, sind Busfahrten statt Inlandsflüge nicht nur die nachhaltigere Wahl, sie ermöglichen auch ein intensives und beglückendes Eintauchen in Landschaft und Kultur.
Umweltbewusstes Wohnen, auch im Urlaub, hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen. Inzwischen ist es fast überall im Bewusstsein angekommen: Was gut für den Planeten ist, ist auch gut für die Wertschöpfung von touristischen Regionen. Daher gibt es weltweit vermehrt Hotels, die auf Nachhaltigkeit setzen. CO2-neutrale Unterkünfte werden beispielsweise im Olakira Camp in der Serengeti geboten, im Wiener Hotel Stadthalle oder dem Kong Arthur in Kopenhagen, das zu den Arthur Hotels gehört, einer der weltweit ersten klimaneutralen Hotelgruppen. Noch nachhaltiger lässt sich Urlaub auf Zero Island machen, einer Touristen-freundlichen Insel in Schweden, die es geschafft hat, in nur einem Jahr komplett klimaneutral zu werden.
Wenn es um Plastikmüll geht, befolgt beispielsweise das Angama Mara in Kenia eine strikte Politik ohne Plastik. Die Gruppe EDITION Hotels startete die Kampagne "Stay Plastic Free", um Einwegkunststoffe aus der Hotellerie zu entfernen. Hier sind noch mehr Tipps zum plastikfreien Reisen.
Unternehmen wie AccorHotels finanzieren regionale Programme, mit denen Bäume gepflanzt werden, und geben somit der jeweiligen Region etwas zurück. Im Jahr 2016 pflanzte die internationale Hotelgruppe im Rahmen ihres globalen Plant for the Planet-Programms in Großbritannien fast 17.000 Bäume, finanziert durch die Einsparungen von etwa 270.000 Euro, die durch die Wiederverwendung von Handtüchern statt Versand an die Wäscherei erzielt wurden.
Die Unterkunft direkt beim Gastgeber zu buchen, in unabhängigen, lokalen Restaurants zu essen und in kleinen Geschäften oder auf dem Markt einzukaufen, trägt maßgeblich zur Wertschöpfung innerhalb der lokalen Gemeinschaft bei, statt große Konzerne zu unterstützen. Sozial orientierte Reiseveranstalter wie I Like Local setzen beispielsweise die Dollars der Touristen ein, um in 19 Ländern Asiens und Afrikas ein nachhaltiges Einkommen für Reiseleiter und Gastgeber vor Ort zu erzielen. Die Philosophie von Gründerin Sanne Meijboom ist: "Viele Menschen in Asien und Afrika können nicht direkt vom Tourismus in ihrem Land profitieren - und immer mehr Gäste suchen nach authentischen Reiseerlebnissen. Wir verbinden diese beiden Punkte miteinander." Jeder Reisende kann auf diese Weise das Authentische erleben und die einheimischen Anbieter vor Ort, die das ermöglichen, profitieren zu 100% von dem Geld, das diese Erfahrung ermöglicht.
Auch die kolumbianische Reiseagentur Impulse hat eine soziale Unternehmensphilosophie und nutzt den Tourismus, um die Region nachhaltig zu stärken. "Indem wir die lokalen Gemeinschaften aktiv einbeziehen, ermöglichen wir Erfahrungen, nach denen Reisende sich sehnen", sagt Nikola Kelch. "Das stärkt Wirtschaft und Kultur und fördert den sozialen Wandel, der notwendig ist, um materielle und psychologische Armutskreisläufe zu durchbrechen." Ihre Leidenschaft ist es, den Gemeinden zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Das funktioniert mit jeder gebuchten Tour ein Stück besser.
Der beste Weg, die eigene Abfallmenge zu reduzieren, besteht darin, weniger Abfall zu produzieren. Das fängt beim zielgerichteten Packen des Reisegepäcks an, in das wiederverwendbare Gegenstände gehören. Das können Edelstahltrinkbecher und Mehrweg-Lunchboxen sein, ebenso wie eine wiederverwendbare Wasserflasche, eigenes Besteck und die gute alte Stofftragetasche für den Einkauf unterwegs. Wer seine Ohrstöpsel, Schlafmaske und einen großen Schal mitnimmt, der am Strand später auch als Pareo dient, braucht im Flugzeug nicht auf die in Plastik verschweißten Bordutensilien zurückgreifen.
Es ist vielleicht verlockend, für Instagram mit wilden Tieren zu posieren. Aber mal im Ernst, muss das sein? Mega Star Kim Kardashian bekam einen Shitstorm, als sie auf Bali mit einem Elefanten poste. Kein nachhaltig orientiertes Elefantenschutzgebiet lässt zu, dass die Tiere berührt oder geritten werden. Für Shows und Ausritte hingegen werden die Tiere oft brutal und systematisch misshandelt, damit sie sich den Menschen fügen und Reiter akzeptieren. Unabhängig davon können sogar "harmlose" Selfies die Tierwelt bedrohen.
Laut der Organisation World Animal Protection (WPA) werden beispielsweise Tiere im Amazonasgebiet "aus der Wildnis gerissen, damit Touristen Selfies für Instagram und andere soziale Medien machen können". Tiere sollten jedoch nicht zur Unterhaltung des Menschen missbraucht werden, sondern so frei wie möglich von menschlichen Eingriffen sein. Wer wild lebende Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum sehen möchte, wählt Organisationen und Nationalparks, die ethische und nachhaltige Führungen bieten, wie beispielsweise Elefantenschutzgebiete oder Freiwilligenprojekte zum Schutz der Meere. In Thailand gehört dazu beispielsweise das Boon Lott's Elephant Sanctuary (BLES) in Sukhothai.
Der beste Weg, nachhaltig zu reisen, ist also achtsamer zu sein. Dabei gilt es, die Tatsache zu respektieren, dass man in einem fremden Zuhause Urlaub macht. Der nächste Schritt ist dann, darüber nachzudenken, wie man selbst aktiv werden und sich positiv einbringen kann.
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Original-Artikel: Sasha Brady/Lonely Planet international
Deutsche Fassung: Ines Wagner