Verlassene Orte wirken gespenstisch. Verfallene Mauern und zurückgebliebene Gegenständen erzählen von den einstigen Bewohnern - und beflügeln die Fantasie.
Oftmals wirkt die unheimliche Stille, die verlassene Orte umgibt, mit einer einzigartigen Energie. Kein Wunder, dass der "Dark Tourism" boomt. Er scheint tief im Inneren der Besucher eine verborgene Seite anzusprechen und spielt mit der Neugier und dem Entdeckergeist. Auf der ganzen Welt verstreut liegen mystisch wirkende, verlassene, oftmals gespenstige Orte.
Manche davon sind alt, andere vor noch gar nicht so langer Zeit verlassen und die Präsenz von Leben wirkt in einer faszinierend morbiden Art geheimnisvoll weiter. Von ehemaligen Industriegebieten bis zu verlassenen Geisterstädten, die nahezu in Vergessenheit geraten sind, üben diese Orte weiterhin eine magische Anziehungskraft aus. Wir stellen sieben dieser Orte auf der ganzen Welt vor. Sie haben außergewöhnliche Geschichten zu erzählen.
Bekannt auch als Battleship Island, auf Japanisch Gunkanjima, ist Hashima Island eine ehemalige Siedlung aus der Ära des unterseeischen Kohleabbaus vor der Küste von Nagasaki. Gegründet Ende des 19. Jahrhunderts, war die 16 Hektar große Insel einst Heimat von über 5.000 Arbeitern und ihren Familien, bevor sie 1974 endgültig geschlossen wurde.
Heute ragen bröckelnde Fassaden wettergegerbter Ruinen in die verlassene Insellandschaft. Die Natur holt sich die verfallenen Gebäude langsam zurück. Gras wuchert über sie hinweg, während Falken über der gespenstig wirkenden Gegend kreisen.
Manche Szenen wirken möglicherweise bekannt. Das kommt daher, dass auf Hashima Island einige Einstellungen für den James-Bond-Film "Skyfall" im Jahr 2012 gedreht wurden. Auf der Insel lag das Hauptquartier von Bonds Gegner und Bösewicht Raoul Silva. Für Interessierte starten im Hafen von Nagasaki Touren zur Insel. Das verlassene Gelände ist abgesichert. Metallgeländer säumen die Gehwege innerhalb des sicheren Bereiches, der während der Touren besichtigt wird.
Der 26. April 1986 hat sich weltweit in die Erinnerung der Menschen eingebrannt. An diesem Tag ereignete sich im Kernkraftwerk Tschernobyl ein verheerender Unfall, der traurige und mahnende Weltgeschichte schrieb. Infolgedessen wurden knapp 50.000 Menschen aus der unmittelbaren Umgebung des Kraftwerks und der nahe gelegenen Stadt Pripyat evakuiert.
Heute ist die Sperrzone noch immer gespenstig ausgestorben. Pripyat ist eine Geisterstadt, in der Wohnhäuser, Geschäfte, Krankenhäuser und Schulen noch haargenau so daliegen, wie sie bei der eiligen Evakuierung zurückgelassen wurden. Der unheimliche Ort zieht trotz der Tatsache, dass die Strahlungswerte immer noch höher als normal sind, Neugierige an. Es werden autorisierte Touren rund um die Sperrzone angeboten. Das mehrteilige TV-Drama "Tschernobyl", das 2019 lief, erwies sich als Katalysator für ein aufkeimendes Interesse an der Geschichte und den Hintergrund der nuklearen Katastrophe und ihrer Folgen.
Das durchaus liebenswerte Geisterstädtchen in Kalifornien ist ein echter Magnet und zählt jedes Jahr Hunderttausende Besucher. Kein Wunder, denn es bietet eine einzigartige Reise in die Vergangenheit. Einzigartig deshalb, weil sich die Gebäude und Utensilien in einem Zustand eines "aufgehaltenen Verfalls" befinden - und damit auch unglaublich fotogen sind.
Seit den 1940er Jahren sieht ein Verwalter nach dem Rechten, weshalb der Ort nie Plünderungen oder Vandalismus zum Opfer fiel. Bodie wurde ebenso schnell zur Geisterstadt, wie es zuvor im Zuge des Goldrausches aus dem Boden gestampft wurde. Einst lebten hier bis zu 10.000 Einwohner. Heute ist der Ort eine Zeitkapsel, die das Gefühl des Wilden Westens konserviert.
Das Eastern State Penitentiary war bis 1971 eines der berühmtesten Gefängnisse der Welt, nicht zuletzt, weil darin der berüchtigte Gangsterboss Al Capone untergebracht war. Heute befindet sich der Gebäudekomplex inmitten der Stadt Philadelphia in einem Ruinenzustand, samt heruntergekommenen Flügeln und verlassenen Wachtürmen. Trotzdem ist das Gefängnis täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet - und zwar für Führungen. Seit 1994 ist es ein Museum und gibt Einblick in das vergangene Gefängnisleben.
Die Zelle Al Capones ist einer der Höhepunkte der Tour. Sonderveranstaltungen finden zu verschiedenen Terminen des Jahres statt, eine Dauerausstellung informiert über das aktuelle amerikanischen Gefängnissystem. Regelmäßig sind außerdem Kunstinstallationen zu sehen. Die Website vermittelt einen anschaulichen Eindruck aller Aktivitäten und den online Ticketverkauf. Von Mitte September bis Halloween verwandelt sich das Gefängnismuseum in ein wunderbar gruseliges Spukhaus.
Die kleine Stadt Oradour-sur-Glane, ungefähr 20 Kilometer von Limoges entfernt, war Schauplatz eines der schlimmsten Kriegsverbrechen der Nazis in Frankreich. Als die Truppen der Deutschen einmarschierten, massakrierten sie dort 642 Menschen, darunter 193 Kinder. Nur eine Frau und fünf Männer überlebten, weil sie sich an diesem Tag in der benachbarten Stadt aufhielten.
Der Ort blieb seither unberührt und dient als stummes Mahnmal. Neben den verrosteten Autokarosserien und den Ruinen des Städtchens sieht man noch Straßenbahngleise und Stromleitungen aus der Vorkriegszeit. Heute verwaltet das Centre de la Mémoire die Anlage und informiert umfangreich über die entsetzlichen Geschehnisse, um den Opfern zu gedenken. Zahlreiche Ausstellungen mit Zeitzeugendokumenten begleiten die Besichtigung des Geländes.
Dorasan ist ein gespenstig stiller Bahnhof ohne Reisende und Züge. Das 2002 fertiggestellte Gebäude befindet sich nur wenige hundert Meter entfernt von der südlichen Grenze der Demilitarisierten Zone (DMZ). Das "neutrale Gebiet" wurde im Juli 1953 nach dem Waffenstillstand zwischen Nord- und Südkorea eingerichtet. Der Bahnhof steht als Symbol für eine mögliche Zukunft, in der die koreanische Halbinsel eines Tages wieder vereint sein könnte.
Im Jahr 2015 wurde die Dorasan Unification Platform hinzugefügt, auf der in einem alten Zugwaggon eine Ausstellung über die deutsche Wiedervereinigung gezeigt wird, während eine Uhr die Stunden seit der Teilung des Landes zählt. Die Station ist Teil einer Tour durch die DMZ, die von unterschiedlichen Unternehmen der Region durchgeführt wird.
Houtouwan liegt etwa 60 Kilometer von Shanghai entfernt. Einst war es ein blühendes Fischerdorf. Die örtliche Kommune baute schöne neue Häuser auf einem Berghang mit Blick auf die malerische Bucht. Der wirtschaftliche Aufschwung der 1980er Jahre führte jedoch zu besseren Löhnen und Chancen in anderen Teilen des aufstrebenden Landes. Das Dorf wurde schließlich von seinen etwa 3.000 Einwohnern verlassen und fiel in eine Art Dornröschenschlaf.
Heute ist Houtouwan ein beliebter Ort für Touristen, Fotografen und Tagesausflügler, die sich dorthin wagen, um das üppige Grün und die Vegetation zu sehen, die die Gegend vollständig zurückerobert haben. Das Dorf zählt mit seinen überwiegend von wilden, grünen Wein überwucherten Häusern zu den fotogensten verlassenen Orten der Welt.
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Original-Artikel: James Gabriel Martin/Lonely Planet international
Deutsche Fassung: Ines Wagner