Paphos, ZypernSonne, Sand und dreitausend Jahre Geschichte

Petra tou Romiou oder ‚Aphroditefelsen‘, östlich von Paphos © Gabriel Robek / Shutterstock
Petra tou Romiou oder ‚Aphroditefelsen‘, östlich von Paphos © Gabriel Robek / Shutterstock

Paphos hat mehr zu bieten als nur schöne Strände. Die alten Griechen wussten das: Sie gründeten ihre heilige Stadt ein Stückchen landeinwärts auf der Landzunge bei Kouklia, mit Panoramablick auf das funkelnde Mittelmeer. Das moderne Paphos liegt hingegen direkt an der Küste und ist mit seinen 2400 Jahren vergleichsweise jung.

Ein Großteil der Besucher lässt sich von Sonne, Sand und Meer anlocken, und davon hat Zypern sicherlich eine Menge zu bieten. Durchschnittlich an 326 Tagen jährlich strahlt hier die Sonne vom Himmel. Doch darüber hinaus kann man sich auf der Insel kaum bewegen, ohne über eine antike Ruine oder einen Schauplatz griechischer Mythen zu stolpern. Anders als die Touristenorte Agia Napa oder Protaras ist Paphos dabei eine richtige mediterrane Stadt, inklusive Lebensmittelläden, vor denen sich das frische Gemüse stapelt, und mit Höfen voll blühender Geranien. 

Kulturhauptstadt Paphos

Mit seiner über 3000 Jahre zurückreichenden Geschichte war Paphos ein klarer Kandidat für die Europäische Kulturhauptstadt 2017. Auf der Bühne des antiken odeon (Amphitheater) traten spätestens seit dem 2. Jahrhundert vor Christus Schauspieler auf und ein Fruchtbarkeitskult lässt sich ins Neolithikum zurückverfolgen. Kein Wunder, dass die alten Griechen diesen Küstenstreifen als Geburtsort der Aphrodite ansahen, der Göttin der Liebe.

Jedes Jahr in Juli und August werden Tragödien von Aeschylus, Sophokles, Euripides, Aristophanes und anderen in klassischer Amphitheater-Atmosphäre aufgeführt, wenn das Internationale Festival der Antiken Griechischen Tragödien stattfindet (greekdramafest.com). Im September, während des Aphrodite-Festivals (pafc.com.cy), dreht sich auf der Bühne im mittelalterlichen Kastell alles um Opern. 2017 findet eine regelrechte Kulturschlacht statt, mit Kunstausstellungen, Performances und klassischen Konzerten inmitten antiker Ruinen an den zahlreichen Ausgrabungsstätten der Stadt. Auf der Website zu Paphos 2017 (pafos2017.eu) findest du eine Programmübersicht.

Eine Geschichte aus zwei Städten

Die griechische Tradition, Städte in zwei Teile zu teilen, reicht zurück bis 500 Jahre vor Christus. So berichten Herodot und Plato von Städten, die in parallel existierende Gemeinden aufgeteilt wurden: einen kato (unteren) Teil an der Küste und einen ano (oberen) Teil landeinwärts. Im antiken Mittelmeer, in dem es vor Kriegsschiffen kämpferischer Großmächte nur so wimmelte, machte es eben Sinn, einen Fluchtort in den Bergen zu haben. Diese Tradition ist auf Zypern noch sehr lebendig.

Wenn Besucher von Paphos sprechen, meinen sie meist Kato Paphos, das sich rund um einen Sandstein-Hafen erstreckt und von einem byzantinischen Kastell bewacht wird, sowie eine Reihe von Stränden, die besonders bei britischen Sonnenanbetern sehr beliebt sind. Ano Paphos oder Ktima, das sich 16 Kilometer landeinwärts befindet, ist dagegen der bevorzugte Wohnort der Einheimischen, die das kühlere Klima der Höhenlage und die Ruhe abseits von Strandbars und Touristenkneipen genießen.

Das am Strand gelegene Kato Paphos ist ein klassischer Mittelmeer-Ort mit Sonnenschirmen und Straßencafés, aber man muss nicht lange suchen, um Überreste aus der Frühgeschichte der Region zu finden. Die felsige Landzunge nördlich des Hafens ist ein einziger riesiger Abenteuerspielplatz für Geschichtsbegeisterte. Die Ruinen, die sich im Archäologischen Park Paphos befinden, sind Überreste der einstigen Hauptstadt Zyperns, die im 4. Jahrhundert von einem Erdbeben zerstört wurde.

Unzählige prunkvolle Mosaiken

Die Ausgrabungsstätten beherbergen eine Menge griechisch-römischer Schätze – Säulengänge, Thermalbäder, ein antikes Amphitheater – aber die Hauptattraktion befindet sich unter den Füßen der Besucher. Das unumstrittene Highlight der Stätte ist das Haus des Dionysos, eine römische Villa, deren aufwendige Mosaiken das Cover von „Schöner Wohnen“ aus dem Jahr 200 hätten zieren können. Die kunstvollen Bodenverzierungen bilden alle möglichen Szenen ab, vom Wechsel der Jahreszeiten zu Darstellungen des Dionysos, des wilden Weingottes. In Nachbarvillen gibt es Mosaik-Darstellungen von Poseidon, Achilles und Theseus und dem Minotaurus zu sehen.

Einen kurzen Spaziergang in östliche Richtung entfernt befindet sich die frühchristliche Basilika der Panagia Chrysopolitissa (Unserer Lieben Frau von Chrysopolis). Sie wurde auf dem Höhepunkt der Macht der Stadt erbaut, bevor Erdbeben und arabische Piraten die Stadt in Schutt und Asche legten. Die heutige Kirche wurde nur auf einem kleinen Teil der ursprünglichen Basilika errichtet, die – wie einige Kirchen auf Zypern – bereits in der Bibel erwähnt wurde. Eine der Säulen auf dem Gelände wurde angeblich benutzt, um den Apostel Paulus zu foltern. Seine Widerstandskraft bewegte den römischen Gouverneur dazu, zum Christentum zu konvertieren.

Wenn die Herrscher von Paphos es schon zu Lebzeiten nicht schlecht hatten, so kann man doch sagen, dass sie nach ihrem Tod erst recht in Luxus schwelgten. Ungefähr 2 Kilometer nördlich von Kato Paphos wurden über sechs Jahrhunderte Königsgräber in den Fels gehauen, um die Herrscher der alten Stadt auf ihrer Reise ins Jenseits zu beherbergen. Die hübschen Mausoleen wurden aus einer Felsnase herausgearbeitet und orientierten sich an der ägyptischen Tradition, Gräber so prachtvoll wie die Häuser der Lebenden zu gestalten – mit riesigen, von Säulen umgebenen Lichthöfen und Grabnischen, die einer kompletten Familie Platz boten. Ein warmer, trockener Wind weht über den Ausgrabungsort, der charmant zugewuchert ist und von Pauschalreisegruppen oft übersehen wird.

Rendezvous mit Aphrodite

Seit uralten Zeiten sind Zyperns Besucher besessen von Aphrodite, und die antike griechische Göttin der Liebe ist auf ewig mit Paphos verknüpft. Je nachdem, welcher der griechischen Schriften man Glauben schenkt, entstammt die mächtige Gottheit entweder der Vereinigung von Zeus und Dione, oder sie wurde aus dem Schaum des Meeres geboren nachdem Uranus, der Himmelsgott, von Kronos mit einer Sense entmannt worden war. Der Schauplatz dieser übernatürlichen Empfängnis soll die Küste östlich von Paphos bei Petra tou Romiou gewesen sein, wo eine marmorne Felsnadel vor einem einsamen Kiesstrand dramatisch aus der See ragt.

Dabei handelt es sich unbestreitbar um einen hübschen Ort, einen tieferen Einblick in den Aphroditenkult bekommt man allerdings in Kouklia, wo die Griechen ursprünglich den Ort Paphos gründeten. In einem hübschen Anwesen aus Zeiten der Lusignan befindet sich das Palaepaphos-Museum (mcw.gov.cy) am Ort des ursprünglichen Aphrodite-Heiligtums, einem der wichtigsten Pilgerzentren der antiken Welt. Um die Ruinen wieder zum Leben zu erwecken, benötigt man zugegebenermaßen ein wenig Fantasie, aber die Ausstellung im Museum ist eine gute Einführung in den Kult um Aphrodite.

Um der Göttin der Liebe noch näher zu kommen, überquert man die Landbrücke nach Polis auf der anderen Seite der Halbinsel Akamas. Kurz hinter der Stadt beginnt ein Wanderweg, der sich zwischen Johannisbrotbäumen und wilden Thymiansträuchern zu den Bädern der Aphrodite schlängelt – einer versteckten Quelle, in der die Göttin unter den lüsternen Blicken von Adonis gebadet haben soll, dem Gott der Schönheit und des Verlangens.

Zeit für einen Imbiss

Einen krönenden Abschied dieser Reise durch die zypriotische Kultur findest du in Ktima, in dem durch und durch mediterranen Restaurant Kiniras Garden. Der familiengeführte Betrieb befindet sich unter schattigen Bäumen im Innenhof eines klassischen steinernen Stadthauses und ist ein stolzes Mitglied des Vakhis-Programms, das sich für den Erhalt traditioneller zypriotischer Rezepte und insularer Küchen-Skills einsetzt. Umgeben von Statuen und plätschernden Brunnen kann man hier Spezialitäten wie Zalatina genießen, eine traditionelle, mit Schweinsfüßen gespickte zypriotische Presswurst in Sülze.

Unten in Kato Paphos gibt es gleichermaßen authentische zypriotische Menüs bei Hondros, nur wenige Meter von der Ausgrabungsstätte Kato Paphos entfernt. Hier schlemmen alle das traditionelle Ofto Kleftiko – Lammhaxe oder -schulter, die mit Zitronensaft und Zimt langsam in einem Lehm-Ofen gegart wird, bis sich das Fleisch verlockend zart vom Knochen löst. Dieses Gericht könnte als Ausdruck der wechselvollen Geschichte von Paphos gelten, zentriert auf einem Teller: Es vereint griechische, römische und osmanische Einflüsse.

Veröffentlichung: Juni 2017, deutsche Bearbeitung: Sarah Uhrig / Lonely Planet Deutschland

 

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