Grüner TourismusUrlaub mit gutem Gewissen

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Was bedeutet es eigentlich, wenn man nachhaltig und fair reisen möchte? Schnell wird klar: Man kann nicht alles richtig machen. Aber vielleicht helfen ein paar Expertentipps.

Richtig anreisen

Es gibt vorbildliche Menschen, die aus Umweltgründen nur zu Orten fahren, die man auf dem Landweg erreichen kann. Das ist löblich, denn An- und Abreise per Pkw oder Flieger setzen viele Treibhausgase frei. Die beste Wahl, um sich von A nach B zu begeben, sind tatsächlich Bahn und Fernbus. Flugzeuge gelten als Klimakiller. Doch um viele wundervolle Orte auf der Welt zu erkunden, muss man nun mal in die Lüfte steigen, wenn man (und wer hat das schon?) nicht endlos lange Urlaub hat.

Wer sein "CO2-Karma" verringern möchte, kann freiwillig einen Ausgleich an die Klimaschutzorganisation "Atmosfair" zahlen (zum Beispiel ca. 300 Euro für die Strecke Hamburg-Neuseeland und zurück). Mit dem Geld werden Umweltprojekte finanziert (atmosfair.de). Genutzt wird diese Spendenmöglichkeit noch wenig. Unter Kritikern gilt sie eh als "Ablasshandel", der das gute Gewissen quasi erkauft.

Experten raten Fernreisenden, so lange wie möglich am Zielort zu bleiben. Freitags nach Miami jetten und sonntagsabends zurück gilt als Umweltsünde. Reisedauer und -entfernung sollten im richtigen Verhältnis stehen. Gleiches gilt für die Spritztour im Auto. Es ist besser, eine Woche vor Ort zu sein, als drei Wochenend­touren zu planen. Und falls Sie Kurztrips unternehmen, fahren Sie nicht allein. Mitfahrer vermittelt unter anderen BlaBlaCar.

Vor Ort mobil sein

Es muss nicht immer der Mietwagen sein! Regionale Busse sind generell schadstoffärmer - und günstiger. Mancherorts gibt es gute Alternativen: So können Schwarzwald­urlauber beispielsweise mit der Gästekarte "Konus" umsonst den öffentlichen Nahverkehr nutzen. In Werfenweng im Salzburger Land sind Touristen mit Shuttle-Taxis, Go-Carts und E-Scooters kostenlos unterwegs. In Metropolen wie New York oder Hamburg kann man günstig Stadträder mieten.

Geprüfte Unterkünfte

Wenn Hotels ein Schild mit dem Text "Der Umwelt zuliebe Handtücher mehrfach benutzen" aufstellen, schwimmen sie nicht zwangsläufig auf der Öko-Welle. Minimumkriterien für umweltbewusste Hotels sind diese: Biospeisen auf dem Büfett, Ökotextilien in Betten und Bad, Abfallvermeidung und sauberer Strom. Diese und weitere Voraussetzungen erfüllen die Häuser des Verbandes der "Bio-Hotels" (biohotels.info). Vorreiter in Österreich ist das Tiroler Landhotel "Stern" (hotel-stern.at). Die wenigen Emissionen, die der Betrieb produziert, werden durch Förderung von Klima­schutz­projekten ausgeglichen. "Unsere Urlauber suchen Ruhe und authentische Erlebnisse", sagt Hotelier René Föger. Mit guten Ideen unterstützt er das Umwelt­bewusstsein seiner Gäste.

Die können während ihres Urlaubs Öko-­Punkte sammeln, indem sie Wasser statt Limonade trinken oder den Fernseher ausgeschaltet lassen. Am Ende gibt's eine Urkunde. "Wir wollen Nachhaltigkeit mit den Gästen leben", sagt Föger, der sich über eine steigende Nachfrage freut. Generell gilt: Je einfacher eine Unterkunft ist, desto geringer sind die Auswirkungen auf die Umwelt. Das ist einleuchtend: Eine Pension verbraucht weniger Energie als eine Bettenburg. Wer bei Portalen wie airbnb.com oder 9flats.com eine private Wohnung bucht, unterstützt zudem die Einheimischen.

Umweltfreundliche Ziele

Nicht nur Hotels, auch Destinationen setzen auf das grüne Gewissen. Als "Alpine Pearls" (alpine-pearls.com) haben sich 28 Regionen zusammengeschlossen, die sanften Tourismus in den Alpen unterstützen. Costa Rica will komplett CO2-neutral werden. In Bhutan wird Umweltschutz in der Schule gelehrt. Und Norwegen lancierte Gütesiegel für umweltfreundliche Urlaubsorte. Die Uckermark in Nordost-Deutschland wurde als nachhaltigste Tourismusregion ausgezeichnet, unter anderem weil man dort mit einem Esel durchs Land streifen kann (Infos auf tourismus-uckermark.de).

Engagierte Veranstalter

Bereits seit 1998 propagiert der Verband "Forum Anders Reisen" nachhaltigen Tourismus, der auch wirtschaftlich und sozial gerecht ist. Auf forumandersreisen.de findet man mehrere Veranstalter, die das Thema ernst nehmen. Auf den grünen Zug aufgesprungen ist auch der Branchen-Riese TUI. Das Unternehmen verleiht einen Umwelt-Preis unter seinen Vertrags-Hotels. Einer der Gewinner ist das "Tigaiga" (tigaiga.com) auf Teneriffa, das eine Solaranlage betreibt.

Gütezeichen-Dschungel

Mehr als 400 Siegel gibt es für nachhaltige Unterkünfte und Reisen. Allerdings sind sie wenig bekannt, werden für unterschiedliche Schwerpunkte vergeben. Außerdem wird keines staatlich überprüft. Das Siegel "CSR Tourism Certified" gilt als zuverlässig. Es zeichnet Ver­anstalter aus, die neben Umweltschutz faire Arbeitsbedingungen in den Reiseländern garantieren. Die Umweltdachmarke "Viabono" (viabono.de) teilt wie bei Elektrogeräten Gastbetriebe in Klima-Effizienzklassen von A bis F ein. 20 Gütesiegel stellt "Tourism Watch" vor (tourism-watch.de). Auf label-online.de sind nahezu alle Label und ihre Bedeutung erklärt.

Nachhaltige Erlebnisse

Was den Abenteuerwert betrifft, sind Öko-Touren oft klassischen Pauschalreisen überlegen. Kleine Gruppen, landestypische Unterkünfte und lokale Küche schaffen inten­sivere Begegnungen mit Land und Leuten. Es muss auch nicht ein puristisches "Zurück zur Natur" sein: Das "Watt" ist die erste Umwelt-Disko in Rotterdam (sustainabledanceclub.com). Der Strom wird durch die Bewegung der Gäste auf der Tanzfläche erzeugt. Macht Spaß und schadet der Umwelt nicht.

Text: Hilke Maunder

Expertenmeinungen

Wolfgang Strasdas, Professor für Nachhaltiges Tourismusmanagement an der Hochschule Eberswalde und freier Tourismusberater:
"Wenn man beim Reisen alles 'richtig' machen will, sollte man Folgendes beachten: Nur auf Fernreise gehen, wenn man viel Zeit hat, sonst lieber Urlaub in der Nähe machen, umweltfreundliche Verkehrsmittel benutzen, für ihre Nachhaltigkeit zertifizierte Anbieter bevorzugen, regionale Speisen, Produkte und Dienstleistungen kaufen."

Jörn W. Mundt, ehemaliger Leiter des Studiengangs Reiseverkehrs­management an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und  Autor von "Tourism and Sustainable Development":
"Es gibt kein nachhaltiges Reisen - es sei denn, man ist zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Segelboot unterwegs. Nachhaltig wäre eine Reise nur dann, wenn die dafür aufgewendete Energie erneuert und deren Emissionen neutralisiert würden. Die Verwendung fossiler Energieträger für die Verkehrsmittel macht Ersteres unmöglich und Letzteres schwierig."

Antje Monshausen, Tourismusreferentin bei "Brot für die Welt" und Leiterin der Arbeitsstelle "Tourism Watch":
"Auch wenn sich viele Urlaubsange­bote nachhaltig gestalten lassen, bei einigen Produkten steht die Ökobilanz in keinem Verhältnis zum Reiseerlebnis, beispielsweise bei Kurz-Städtetrips mit dem Flugzeug, Heli-Skying oder Kreuzflügen. Hauptargumente bei der Reisewahl sind für viele Ziel und Preis. Da bleiben Ökologie und Fairness leider noch zu oft auf der Strecke."

      Extratipp

      Weniger ist mehr, auch beim Reisen. Je schwerer der Koffer ist, desto mehr CO2 verbraucht das Flugzeug oder das Auto. Nahezu ohne Gepäck reist der US-Amerikaner Rolf Potts um die Welt. Seine Pack-Tipps verrät er auf rtwblog.com.

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