Die quirlige Stadt mit ihren sagenhaften Souks ist längst kein Geheimtipp mehr - umso wichtiger, behutsam mit ihr umzugehen. Unsere Tipps für einen nachhaltigen Aufenthalt.
Eine Perle mit magischer Anziehungskraft ist Marrakesch für Reisende aus aller Welt. Jedes Jahr strömen zahllose Touristen in die rosarote Stadt, um die Medina zu entdecken, die lebhaften Souks nach Schätzen abzusuchen, die märchenhaften bunten Fliesen der alten Moscheen zu bewundern und Köstlichkeiten an den Imbissständen von Djemaa El Fna zu genießen.
Der Massentourismus ist mittlerweile zu einem ernsthaften Problem geworden. Umso wichtiger, dass die Besucher beim Durchstreifen des verzweigten Labyrinths aus Gassen und Souks einen minimalen Fußabdruck hinterlassen.
Verantwortungsbewusstes Reisen bedeutet, sich der ökologischen, sozialen und kulturellen Auswirkung seines Aufenthaltes bewusst zu sein. Reisende können dem Massentourismus entgegenwirken, indem sie Entscheidungen darüber treffen, wo sie übernachten, einkaufen, essen und welche Sehenswürdigkeiten und Stätten sie erkunden, während sie die Kultur der Einheimischen respektieren und bewahren.
Dazu gehört insbesondere, auf jegliche Erlebnisse zu verzichten, die Menschen oder Tiere ausbeuten, den eigenen Abfall zu reduzieren und die lokalen Gemeinschaften zu unterstützen. Werden ein paar einfache Regeln befolgt, kann jeder Reisende seinen Teil dazu beitragen, seinen Aufenthalt in der zauberhaften Stadt nicht nur authentisch, sondern auch nachhaltig zu gestalten. Wir zeigen nachhaltige Plätze Marrakeschs, die man genießen und zugleich zu Erhaltung der Kultur beitragen kann.
Das staunende Durchstreifen der verwinkelten Gassen mit ihren lauten, farbenfrohen und duftenden Eindrücken macht hungrig und müde. Dagegen hilft ein Berber-Mittagessen aus Linsensalat, Lammfleisch und Couscous auf der gemütlichen Dachterrasse des Henna-Cafés unter freiem Himmel.
Während der entspannten Mahlzeit mischen sich das chaotische Klappern der geschäftigen Medina-Straßen und der Gebetsruf am Nachmittag mit dem fröhlichen Schwatzen der Frauen, die die Hände und Knöchel ihrer Gäste mit natürlichen roten Henna-Mustern schmücken. Alle Einnahmen kommen der kulturellen Stiftung des Henna Café zugute, die kostenlose Bildungsangebote für die Bewohner von Marrakesch bereitstellt.
Der Djemaa El Fna ist der beliebteste Markt von Marrakesch, um nach schönem Kunsthandwerk zu stöbern, Live-Musik zu hören und Tee oder frisch gepressten Orangensaft zu trinken. Mancher Reisende ist schockiert, mitten im Markttreiben plötzlich von einem Tierbändiger einen an der Leine geführten Berberaffen in die Arme geworfen zu bekommen oder eine Schlange um die Schulter gelegt. Viele dieser Tiere leiden unter Misshandlungen, den meisten wurden die Zähne entfernt.
Wer nachhaltige Tierbegegnungen erleben möchte, besucht die Jarjeer Farm. Sie ist ein gemeinnütziger Zufluchtsort für mehr als fünfzig ältere, behinderte oder misshandelte Esel und Maultiere. Die Tiere dürfen ihren Lebensabend in Würde in den Ställen und auf den Koppeln verbringen. Besucher erfahren Wissenswertes über die Lebensgeschichten der Tiere von den jetzigen Besitzern, die in Marokko für den Tierschutz kämpfen.
Unbestrittener Publikumsliebling ist der Esel Thommy, der von der Tierschutzorganisation SPANA gerettet wurde. Er ist der selbsternannte Anführer des Rudels und "schreibt" den Jarjeer-Blog auf der Webseite seines Refugiums. Der Eintritt ist kostenlos. Spenden sind jedoch immer willkommen. Die Farm befindet sich am Fuße des Atlasgebirges in Douar Oumnas.
Fair-Trade-Souvenirs findet man auf dem von der Regierung geförderten Handwerkermarkt Ensemble Artisanal. Er befindet sich in einem traditionellen Gebäude aus rötlichem Tadelakt, dem typischen wasserfesten Gips, und ist mit wunderschönen Fliesen verziert. Henna-Maler bieten ihre Künste neben sanft plätschernden Springbrunnen an, während alte Meister ihren jungen Lehrlingen das altehrwürdige marokkanische Handwerk beibringen.
Einzigartige Erinnerungsstücke werden gern auch auf Bestellung angefertigt. Dazu zählen beispielsweise die farbenfrohen Berber-Teppiche, die von den Frauen der Genossenschaft von Hand auf alten Webstühlen hergestellt werden. Man kann Schustern bei der Arbeit zusehen, die Kamelleder-Babouche herstellen. Die typischen Hausschuhe mit ihren lebendigen Farben, Mustern und Ornamenten sind so berühmt wie beliebt. Näherinnen sticken auf Bestellung die Lieblingssätze oder Namen ihrer Kunden auf Strohtaschen oder Sonnenhüte. Im Ensemble Artisanal wird, im Gegensatz zu den Souks, nicht gefeilscht. Die Fixpreise sind fair.
Marokko hat inzwischen auch Plastiktüten verboten. Aber im Sinne der Nachhaltigkeit hat jeder bewusste Reisende ohnehin eine wiederverwendbare Tragetasche dabei.
Authentisch übernachten, das marokkanische Erbe im Herzen der Medina spüren und den ökologischen Fußabdruck klein halten? Das traditionelle Hotel Riad Dar Justo aus dem 14. Jahrhundert arbeitet umweltfreundlich. Das gereinigte Abwasser wird zur Pflege von Pflanzen und zur Versorgung von Toilettentanks verwendet und Sonnenkollektoren liefern die Energie.
Die Betreiber von Dar Justo setzen sich auch für soziale Nachhaltigkeit ein. Sie zahlen den Einheimischen, die sie beschäftigen, faire Löhne und unterstützen ihre Mitarbeiter bei der Aus- und Weiterbildung im Gastgewerbe. Die Zimmer sind mit handgeschnitzten Holz aus der Region verziert und sorgen für gemütliche Atmosphäre. Dem Aufenthalt wie in einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht setzt ein entspannter Tagesausklang im hauseigenen Hamam Le Bain Bleu die Krone auf.
Wer die Berberküche mit ihren exotischen Kräutern und Gewürze liebt, kann im Amal Center kochen lernen. Es wird gemeinnützig betrieben und bietet Kurse in der Zubereitung traditioneller Gerichte wie Tajine, Couscous oder Pastilla, dem beliebten herzhaft-süß gefüllten Gebäck. Amal bedeutet auf Arabisch "Hoffnung". Das Center hilft benachteiligten Frauen aus nahegelegenen Dörfern, den kostenlosen Kurs für die Kochausbildung zu besuchen, damit sie finanziell unabhängig werden können.
Es gibt eine weitere Filiale in der Nähe von Targa. Das Original befindet sich in Gueliz, nur wenige Blocks vom Jardin Majorelle entfernt. Es verfügt über ein wunderschönes Straßencafé, in dem hausgemachte Mahlzeiten serviert werden, die von den Auszubildenden mit Liebe zubereitet werden.
An der Schnittstelle von Nachhaltigkeit und Luxus liegt etwas außerhalb der chaotischen Stadt das königliche Le Palais Paysan. Die Mitarbeiter stammen aus benachbarten Dörfern und erhalten eine Ausbildung im Gastgewerbe. Im hauseigenen Bio-Obstgarten werden Früchte, Kräuter und Oliven angebaut, während die Hühner frei im Garten herumwandern. Weitere Produkte stammen von einheimischen Bauern in der Umgebung und jeden Morgen wird hausgemachtes Baladi-Brot aus dem Dorf geliefert. Sonnenkollektoren und ein Brunnen sind die ökologischen Energie- und Wasserquellen.
Besucher können entspannt im Pool liegen oder einen Kurs in arabischer Kalligrafie besuchen. Das Öko-Resort befindet sich in einer ruhigen Oase mit spektakulärem Blick auf das Atlasgebirge bei Kilometer 20 an der Route d'Amizmiz.
Das beliebte Café Clock befindet sich in einem klassischen Riad, das mit weißen Wänden modernisiert wurde. Farbenfrohe Gestaltung und gemütliche Sitzbereiche im gesamten Gebäude sowie auf der Dachterrasse laden die Besucher zum Relaxen ein. Die Speisekarte bietet traditionelle marokkanische Gerichte auch in Versionen für Veganer, Vegetarier, Gluten-Allergiker und diejenigen, die mutig genug sind, einen Kamelburger zu probieren. Essen, Musik und Kunst sind hier vereint, um das marokkanische Erbe zu feiern und die Traditionen durch kulturelle Veranstaltungen am Leben zu erhalten.
Die Konzerte im Café Clock sind unvergessliche, authentische Erlebnisse. Houariyat-Frauen aus Südmarokko singen im Rhythmus der Berbertrommeln. Gnaoua-Musiker erinnern an ihre versklavten Vorfahren, indem sie deren Musikerbe lebendig halten, mit dem diese einst in Fesseln Richtung Nordafrika fuhren. Die Lieder halfen ihnen, ihre Würde und Stimmung während der Gefangenschaft aufrechtzuhalten. Auch Geschichtenerzähler versammeln sich gern im Café Clock, um die tausendjährige mündliche Tradition arabischer Volksmärchen zu pflegen. Besucher können sogar lernen, das Oud zu spielen. Einer der Ladenbesitzer, Mohammed Semlali, gibt seine Kunst auf dem traditionellen Saiteninstrument gern weiter.
Um einen authentischen Einblick in das Leben in Marrakesch zu erhalten, kann man die engen Gassen der Medina auf einer von Frauen geführten Tour erkunden. Basma von GuruWalk beispielsweise ist in Marrakesch geboren und aufgewachsen und somit eine Expertin für die Exkursionen in die Labyrinthe der Stadt. Ihre Touren konzentrieren sich auf Geschichte, Ökotourismus und Kultur mit Zwischenstopps bei Genossenschaften, weniger bekannten Attraktionen und marokkanischen Straßenverkäufern.
Individuell können auch die Schwerpunkte Fotografie, Kunst, Musik, Geschichte oder Kultur gebucht werden. Basma ist ein wandelndes Lexikon und auf allen künstlerischen Gebieten bewandert. Obwohl der vierstündige Rundgang kostenlos ist, sind Trinkgelder natürlich gern willkommen. Der Treffpunkt befindet sich in der Nähe der Koutoubia-Moschee.
Den besonderen Kick auch - aber nicht nur - für Gruppenreisende findest du in unserem Buch "Der beste Moment deines Lebens". Schau es dir doch hier einmal an.
Original-Artikel: Lola Méndez/Lonely Planet international
Deutsche Fassung: Ines Wagner