Gleich sechs Festivals in einem Monat finden in Edinburgh statt. Von Klassik bis Experimentell, von Bühne bis Straße. Wir zeigen, was der schottische Sommer für die Seele bietet.
So kennen wir Edinburgh: Mittelalterliche Häuser, geisterhafte Friedhöfe und eine Burg, die alles beherrscht. Der Ort, in dem Harry Potter entstand, in dem Dudelsack-Musik die Royal Mile entlang wabert und in dessen Gassen berühmte Roman-Detektive schreckliche Verbrechen aufklären.
Doch Edinburgh lebt ein zweites Leben: das einer Hochburg für Kunst und Kultur. Denn jeden August verwandelt sich Schottlands Hauptstadt in eine Pilgerstätte für Kulturfreunde aller Spielarten. Bis zu sechs Festivals feiern dann gleichzeitig die Schaffenskraft aller Kontinente und Länder. Wer sie besucht, macht Urlaub für seine Seele.
Wir stellen die sechs Festivals im August vor und geben Tipps für die Reise.
Jedes Jahr verwandelt sich der Vorplatz der Edinburgh Castle in ein riesiges Stadion. Die hohen Tribünen bilden in der Mitte den Aufmarschplatz für die vielen internationalen Militärkapellen beim Royal Edinburgh Military Tattoo. Und nein: Es geht hier nicht um langweilige Marsch-Musik! Fliegende Gewehre, jonglierende Trommelstöcke, feuerspeiende Dudelsäcke … das sind nur einige der Höhepunkte aus dem Festival 2024. Langweile kommt nicht auf: Jedes Jahr wählt Edinburgh Military Tattoo ein neues Motto - Kaleidoskop, Voices, Sky is the Limit, Journeys. Das jeweilige Thema zeigt sich in den fantasievollen Lichtbildern, die an die Wand der Burg projiziert werden, und an der Auswahl der teilnehmenden Gruppen. Im Jahr 2025 feiert das Edinburgh Military Tattoo bereits sein 75. Jubiläum. Doch einige Festivals sind sogar noch älter als diese militärische Tradition.
Das Edinburgh International Festival ist der Dauerbrenner unter den Veranstaltungen. 1947 sollte das Feiern und Aufführen von Kunst den Lebensalltag der Schotten nach dem Zweiten Weltkrieg aufhellen. Heute hat sich das Festival zu einem Fixpunkt der schönen Künste weltweit gemausert. Es gibt klassische sowie Jazz-Konzerte, Tanz und Theater. Dabei werden die großen Bühnen der Stadt genutzt, wie die Usher Hall, das Edinburgh Playhouse oder die ehemalige Kirche "The Hub". Letztere befindet sich direkt an der zentralen Royal Mile und fungiert auch als Anlaufstelle für das Festival. Hier gibt es übrigens auch ein Café mit gutem Blick auf die bunte Straße darunter.
"Fringe" bedeutet "Rand". Gemeint ist hier der Rand des Edinburgh International Festival. Denn im Jahr 1947 wurden einige Künstler zum großen Festival nicht zugelassen. Sie reisten dennoch an und traten einfach auf eigene Faust auf - mit großem Erfolg. Aus dieser Frechheit wurde der Fringe, eine ergänzende oder manchmal gegenkulturelle Strömung, die zeitgleich mit dem großen Festival stattfindet. Straßenkünstler bevölkern dabei die Straßen: Feuerschlucker, Jongleure, Artisten, Musiker. Theater-Ensembles treten in Bars, alten Kirchen, kleineren Hallen auf oder am George Square auf. Beim Edinburgh Festival Fringe lassen sich viele alternative und spannende Gruppen oder Künstler entdecken.
Das Buchfest stellt die Liebe zum Lesen in den Mittelpunkt. Und es gibt den Besuchern jede Menge Futter und Platz, um diese Liebe zu feiern. War vor der Pandemie noch die George Street mit dem Charlotte Square der Mittelpunkt des Festivals, hat es jetzt eine neue Heimat im Edinburgh Futures Institute gefunden. Hier in alten Gemäuern mit modernem Dreh hören Besucher den vielen Autoren zu, die Romane, Autobiografien oder Sachbücher vorstellen. Die Bücher können gleich im großen Zelt gekauft und eventuell von den Autoren signiert werden. Auf dem offenen Platz mit vielen Stühlen und Bänken darf gelesen, gegessen und diskutiert werden. Tipp: Ein besonderes Highlight ist das alte Spiegelzelt aus der Art Deco-Epoche - unbedingt ansehen. Das Edinburgh International Book Festival ist anregend, gibt aber auch die Ruhe, sich in die Bücher und Geschichten zu vertiefen.
Ebenfalls schon 1947 wurde zum ersten Mal das Edinburgh International Film Festival veranstaltet. Es ist damit das älteste kontinuierlich stattfindende Filmfestival der Welt. Es gibt Filmemachern eine Bühne, egal woher sie kommen. So finden Besucher hier Streifen aus Iran, Taiwan, Mexiko und vielen anderen Ländern. Aber eben auch aus Schottland. Die Länge der Filme variieren von inspirierenden Shorts bis zweistündigen Epen. Einige kämpfen dabei auch um den ausgelobten Sean Connery-Preis. Das Edinburgh International Film Festival gewährt Einblicke in alle Ecken der Welt und der Seele. Und mit etwas Glück kann man sich im Anschluss an die Vorführung sogar direkt mit den Machern unterhalten.
Schottlands Hauptstadt fühlt sich jung, inklusiv und impulsiv an - auch dank der vielen Studenten. Sie erfinden und erforschen neue, mutige Formen der Kunst. Fordernd, anstrengend, aber auch inspirierend. Aus dieser Szene hat sich Großbritanniens größtes jährliches Festival für visuelle Kunst gebildet. Das Edinburgh Art Festival, das nun seit mehr als 20 Jahren mutigen Installationen und Aufführungen besondere Plätze verschafft. Auf Überraschungen müssen Besucher gefasst sein: So gaben die Stimmen-Performer von Prem Sahib zum Beispiel ihre Aufführungen im Eck einer Tiefgarage zum Besten. Die Wendeltreppe fungierte als Zuschauer-Tribüne.
Ein Unterschied zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich ist, dass die Briten früh zu Abend essen. Wer also eine Vorstellung um 20 Ihr bucht, sollte im gleichen Zuge etwas zu Essen gegen 18 Uhr andenken. Da Edinburgh im Sommer VOLL ist, ist es ratsam, das Restaurant vorzubuchen. Nach einer Abendvorstellung ist es schwer noch etwas zu finden. Denn viele Küchen servieren schon ab 21 Uhr nicht mehr, andere machen spätestens 22 Uhr zu.
Für Snacks Zwischendurch bieten die Festivals allerdings eine große Auswahl. Eine echte Fressmeile hat sich rund um den George Square etabliert. Hier können internationale Gerichte probiert werden. Ein persönliches Highlight sind die Honig-Chilli-Pommes-Frites von Slumdog Indian. Simpel und lecker. Natürlich gibt es auch weitere indische Spezialitäten.
Wen dagegen schon das Heimweh packt, der kann sich auch außerhalb der Festivalsaison bei On the Roll eine Krakauer oder eine Currywurst gönnen. Der Betreiber aus Hamburg vertritt hier erfolgreich deutsche Imbiss-Kultur.
Dass die Schotten nicht gut kochen können, ist übrigens ein längst widerlegtes Vorurteil. Gerade in der Gastronomie südlich von Edinburgh lässt es sich prima schlemmen.
Das Edinburgh Military Tattoo ist sehr beliebt. Karten sind schon gut ein Jahr vorher online zu buchen und können auch schnell ausverkauft sein. Vor Ort besteht kaum eine Chance. Bei den anderen Festivals ist es nicht so dramatisch.
Unterkünfte in Edinburgh sind im Sommer sowieso sehr begehrt und die günstigen sind schnell weg. Darum sollten Reisende so früh wie möglich buchen. Oft lohnt es sich schon im Oktober oder November des Vorjahres zuzuschlagen. Denn Juni, Juli und August sind stehen natürlich nicht nur bei Festivalbesuchern im Fokus.
Edinburgh ist die Stadt, in der fast alles innerhalb von 15 Minuten zu Fuß erreicht werden kann. Obwohl es natürlich öffentliche Verkehrsmittel wie Busse und eine Tram gibt, braucht es die in der Innenstadt nur selten. Der Vorteil: Geht man zu Fuß von Veranstaltung zu Veranstaltung, sieht man gleichzeitig die Schönheit der schottischen Hauptstadt. Es sei denn, man ist nicht so mobil. Für Rollstuhlfahrer ist aber zumeist für einen guten Zugang gesorgt, fast alle Veranstaltungen versuchen möglichst barrierefrei zu agieren - was bei einigen älteren Gebäuden schwierig ist. Meist gibt es auf den Buchungsseiten Hinweise dazu.
Nach dem Festival noch ein Roadtrip durch das Land der Kilts? Mit dem Lonely Planet Schottland Reiseführer entdeckst du die Highlands, Lowlands und Städte dieses magischen Landes.
Text: Stephan Goldmann