Zwischen Edinburgh und England liegt das schottische Grenzgebiet - hier kommen besonders Feinschmecker auf ihre Kosten. Eine kulinarische Grenzerfahrung.
Schottlands Geschichte ist wie ein gutes Steak: Deftig, oft auch blutig. Selten jedoch zäh und langweilig. Das Gebiet nahe der Grenze zu England, kennt diese blutige Seite ebenfalls sehr gut.
Nicht nur die englischen Könige schlugen immer zuerst hier zu (logisch), auch der Viehdiebstahl unter den angrenzenden Nachbarn war berüchtigt. Die sogenannten "Border Reivers" zogen beidseitig aus, um Rinder zu stehlen - dabei gingen sie nie zimperlich vor.
Die schottische Grenzregion befanden sich darum fast 300 Jahre lang in Unruhe. Noch heute deuten viele Orte auf diese Viehdiebe hin. Zum Beispiel der "Devil's Beeftub", des Teufels Fleischwanne, in der einige Räuber das gestohlene Vieh sammelten und versteckten.
Heute sind die Scottish Borders einer von zwei Verwaltungsbezirken, die sich die Grenze zu England teilen. Der andere ist Dumfries and Galloway. Mittlerweile friedlich kümmern sich die Bewohner heute lieber um die Qualität ihres Viehs als es irgendwo zu stehlen. Das brachte in den letzten Jahren eine Region zum Blühen, die neben Bergen, Burgen und Herrenhäusern auch mit einer ausgeprägten kulinarischen Landschaft lockt.
Galloway Rind ist berühmt für seinen Geschmack und das fruchtbare Farmland im Süden Schottlands erlaubt eine natürliche Viehhaltung. Rind, Lamm und Geflügel kommen vom Inland, Meeresfrüchte werden an der Küste gefischt.
Verarbeitet wird vor Ort. So haben sich in der Grenzregion auch Räuchereien niedergelassen, wie etwa die Teviot Game Fare Smokery. Nicht nur dass hier Lachs, Ente und Rind geräuchert und verkauft werden, im angeschlossenen Restaurant können Besucher sie gleich probieren.
Die Erzeugnisse der Region landen natürlich auch in den Töpfen und Pfannen der Köche in der Umgebung. Die veredeln die Produkte dann mit einfallsreich zubereiteten Beilagen und Soßen - vom Brunnekresse-Schaum bis zur Kürbiscreme.
Einige gute Adressen für ein gutes Essen in Südschottland: Das Cringletie House Hotel mit Blick auf Garten und Berge in der Ferne. Das Schloss Roxburghe bietet neben Übernachtungen und Golfplatz auch hervorragende Menüs an. Das Trigony House Hotel mit Unterkunft und Dinner.
Weiter im Westen glänzt das von drei Frauen betrieben The Boathouse in Glencaple nicht nur mit einer traumhaften Kulisse mit Blick auf den Fluss Nith, sondern auch mit grandiosen Gerichten. Zum Beispiel auch dem traditionellen Gericht Haggis - einem mit Innereien gefüllten Schafsmagen. Nur dass dieser Haggis vegetarisch ist.
"Als Koch musst Du heute nicht nur vegetarisch und vegan produzieren können, sondern auch für alle möglichen Nahrungsdiäten, die Kunden haben." Diesen Satz bläut Nick Morris in seiner Station House Cookery School in Kirkcudbright lernwilligen Hobby-Chefs ein. Bei seinen Demonstrationen und in seinen Rezepten finden sich Curry-Rezepte, die schon seit jeher vegan waren - und grandios schmecken. Er kocht aber nicht nur vegan, sondern wie es eben gerade gewünscht ist. An seinen Kurse können auch Touristen mit guten Englischkenntnissen nach Anmeldung teilnehmen.
Tatsächlich haben fast alle Restaurants mittlerweile köstliche vegane und/oder glutenfreie Gerichte mit auf der Speisekarte. Auch das hat sich seit den Viehdieben der früheren Jahrhunderte verändert.
"Sweet tooth" nennt man in Schottland die Naschkatzen. Deren Gelüste werden in Südschottland ebenfalls trefflich gestillt. Zum Beispiel durch den Moffat Toffee Shop - einem Laden, der über 20 selbstgemachte Bonbon-Sorten und insgesamt um die 1.000 Süßigkeiten verkauft.
Wer mehr auf der Schokoladenseite des Lebens stehen will, besucht Ruth Hinks. Sie trägt den Titel UK World Chocolate Master und produziert für ihren Shop Cocoablack herrliche Pralinen, Trinkschokolade und andere Süßigkeiten.
Aber vor dem Vergnügen kommt die Arbeit. Und so lassen sich bei Ruth auch Kurse zur Schokoladenverarbeitung buchen. Darin erfahren Teilnehmer Wissenswertes über die Welt der Kakaobohne ehe sie dann selbst den süßen Stoff verarbeiten. Das Ergebnis dieser Arbeit darf selbstverständlich dann mitgenommen werden.
Wer glaubt, der Schotte an sich trinke ausschließlich Whisky, liegt falsch. Gin hat wie überall in der Welt an Beliebtheit zugenommen und es ist nicht ungewöhnlich, dass man mehr Schotten mit Gin in der Hand begegnet als mit Whisky. Entsprechend nehmen auch die Gin-Brennereien zu.
In Dumfries & Galloway verlässt sich die Crafty Distillery ganz auf die Produkte der Region. Um das so weit wie möglich zu erreichen, gehen die Brennmeister einen ungewöhnlichen Weg: Während die meisten Gin-Destillerien Ethanol kaufen, um darin die Zutaten einzulegen, produziert Crafty Distillery auch den eigenen Spirit.
Interessierte können die Brennerei besuchen und eine Tour mitmachen. Danach gibt es freilich einen Gin-Cocktail und wer Hunger hat, kann mit Blick auf die Hügel regionale Snacks genießen.
Freunde des guten Hopfens werden in der Brauerei Born in the Borders fündig. Neben drei hauptsächlichen Bier-Sorten gibt es hier zusätzlich einen eigenen Gin und dazu passende Mixing Klassen. Einer der Brauer führt durch die Produktionsstätten und erklärt, wie der Geschmack ihres Bieres entsteht und worauf es ihnen ankommt.
Wir sind dennoch in Schottland und bei all dem Gin-Hype: Natürlich gibt es auch Whisky-Destillerien in den Lowlands. Vor kurzem etwa wurde die alte Johnnie Walker-Brennerei der Gegend wieder aufgebaut. Heute firmiert sie unter dem Namen Annandale. Mit ihren beiden Whisky Linien "Sword" und "Words" erinnert sie an die berühmten Söhne der Gegend: Robert the Bruce, der Schottlands Unabhängigkeit erkämpft hatte, und Robert Burns, der einer von Schottlands Nationaldichter ist. Freilich gibt es am Ende einer Tour auch einen Probierschluck.
Für die meisten Besucher startet Schottland nördlich der Städte Glasgow und Edinburgh. Nur selten verirren sie sich in den Süden. Die Reise in die Grenzregionen Schottlands lässt sich aber durchaus geschickt mit in eine Rundreise integrieren - man muss ja nicht jeden Fleck besucht haben.
Von Edinburgh Flughafen ist der Mietwagen freilich erste Wahl. Gruppen müssen allerdings nicht selbst fahren. Sie können etwa einen Tourbus mieten, wie zum Beispiel den Spezialisten Ian von Border Journeys.
Touristen, die mit dem eigenen Auto oder dem Wohnmobil kommen, legen meist in Hull oder Newcastle an. Auf dem Weg nach Norden passieren sie die Borders und Dumfries and Galloway ganz natürlich.
Den besonderen Kick auch - aber nicht nur - für Gruppenreisende findest du in unserem Buch "Der beste Moment deines Lebens". Schau es dir doch hier einmal an.
Text und Fotos: Stephan Goldmann