Wenig oder gar keinen Alkohol zu trinken ist einer der überraschendsten Trends des frühen 21. Jahrhunderts. Auch beim Reisen.
Immer mehr Menschen entdecken, dass sie auf Reisen keine alkoholischen Getränke brauchen. Sie empfinden ihre Erlebnisse sogar oftmals als reicher und unvergesslicher. Warum ist das so? Es scheint tatsächlich weitaus beglückender und bereichernder zu sein, sich mit der regionalen Kultur und den Gepflogenheiten vor Ort zu beschäftigen, als von Bar zu Bar zu hüpfen. Oder gar die Nächte damit zu verbringen, einer Flasche Bier oder Wein in einem Land nachzujagen, in dem traditionell kein Alkohol getrunken wird. Stattdessen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Getränke des Reiselandes kennenzulernen, die seit Jahrtausenden ohne Promille auskommen. Denn es hat seinen Grund, warum sie trotzdem - oder gerade deshalb - sehr beliebt sind.
Eine wachsende Zahl erwachsener Menschen hat erkannt, dass sich Alkohol auf ihre geistige und körperliche Gesundheit häufig negativ auswirkt. Ebenso wie Rauchen ist auch das Trinken von Alkohol heute nicht mehr so “in“ wie noch vor eins, zwei Jahrzehnten. Hashtags wie #soberlife, #sobercurious, #alcoholfreelife und #sobertravel sind inzwischen ebenso beliebt wie #nüchtern, #alkoholfrei, #ohnealkohol und #nullprozent. Und die Anhängerschaft des “sober Lifestyle“ wächst stetig.
Möglicherweise hervorgegangen aus der Wellness-Bewegung, geht es bei dieser neuen Nüchternheit eher um Echtheit als um Enthaltsamkeit. Viele Reisende fühlen sich ohne Alkohol authentischer und präsenter. Sie entwickeln eine neue Art Zugehörigkeitsgefühl, das nüchtern ehrlicher und echter ist, als im vorübergehenden Rausch.
Sich nach Einbruch der Dunkelheit ins Nachtleben zu stürzen und dabei auf Alkohol zu verzichten ist sicher eine der Situationen, die für viele zunächst eine neue Herausforderung ist. Wie tanzt und flirtet man oder lässt sich treiben "wohin die Nacht führt", ganz ohne ein paar Gläser Sekt oder ein paar Tequila-Shots? Wer einmal ausprobiert, beim Feiern nicht zu trinken, wird schnell feststellen: Musik ist ein wesentlich magischeres Elixier als die “grüne Fee“, der Absinth, Partydroge Nummer eins der Bohème vor etwa einhundert Jahren. Oder die In-Cocktails, Shots und Partydrogen von heute. Wer in fröhlicher Gesellschaft einen Nachtclub betritt, wird auch nüchtern schnell die Scheu verlieren und den Einstieg auf die Tanzfläche finden. Das Beste daran ist der nächste Morgen. Ohne einen fetten Kater oder unnötige Erinnerungen an Peinlichkeiten erwacht man bestens gelaunt und ist fit für die nächsten Aktivitäten.
Abgesehen von einem Abend in einer Bar in London oder einer durchtanzten Nacht in einem angesagten Club in Paris gibt es unzählige Aktivitäten für die Nacht, die eine geringere Herausforderung darstellen: Theateraufführungen, Stand-up-Comedy, Performances, Lesungen und Konzerte beispielsweise. Vielerorts haben die Buchhandlungen bis weit in die Nacht geöffnet und es gibt Veranstaltungen in Museen und Kunstgalerien außerhalb der Geschäftszeiten - alles hervorragende Gelegenheiten, eine interessante Nacht "ohne" zu verbringen. Auch nächtliche Spaziergänge oder ein unterhaltsamer Abend mit Reisegefährten und neuen Freunden sind wunderbare Gelegenheiten, sich zu amüsieren und dabei alkoholische Getränke nicht zu vermissen.
Ein nüchternes Leben ist für einen großen Teil der Welt nichts Neues. Aus Gründen der Sitte, Religion oder Kultur ist das Trinken in zahlreichen Ländern entweder ungewöhnlich, verpönt oder gar illegal und daher auch für Reisende nahezu unmöglich. Auch wenn man in vielen dieser Länder, beispielsweise im Nahen Osten, den Alkoholkonsum von Ausländern heute toleriert, werden alkoholische Getränke normalerweise nur in lizensierten Hotels und Restaurants angeboten. Dort zahlt man dann astronomische Preise. Warum also nicht gleich ganz verzichten, wenn man sich in einem Land aufhält, in dem Alkohol zu trinken nicht üblich ist. Und stattdessen in eine Welt voller Getränke einzutauchen, die man noch nie zuvor probiert hat?
Nicht nur die Briten lieben ihren Tee, für viele andere Kulturen der Welt ist das Teetrinken aber nicht nur eine ganztägige Angelegenheit, sondern eine Zeremonie, die mehr über die Kulturgeschichte eines Landes aussagt als jeder Museumsbesuch.
Sogar unter einem provisorischen Zeltdach in den Höhen des Atlasgebirges erhält ein überm Feuer gekochter Tee die aufwendige Zeremonie, um den Geschmack und die Wirkung zu voller Entfaltung zu bringen Schließlich wird er allen Anwesenden mit Freundlichkeit und Sorgfalt serviert.
Neben dem Teetrinken in weiten Teilen der Welt und der viel bewunderten Kaffeekultur Italiens bieten westasiatische Länder eine große Auswahl an erfrischenden Getränken, die Sharbat, Shorbot, Serbat oder Sorbet heißen. Eine Erfrischung am Nachmittag beispielsweise mit einem süßen Lassi auf Joghurtbasis oder herzhaften Doogh belohnt den Gaumen und ermöglicht eine Begegnung mit Einheimischen, die man an der Hotelbar beim Trinken treurer Biere nicht kennengelernt hätte.
1. Alkoholfreie Länder: In vielen islamischen Ländern gehört es zur Lebensweise, nicht zu trinken. Kontakte lassen sich am besten dort knüpfen, wo die Einheimischen bei Tee oder Sharbat beieinandersitzen.
2. Alkoholfreie Bars: In Städten wie Kopenhagen und New York tauchen jede Menge Bars und Pubs auf, in denen die Getränke keinen oder nur wenig Alkohol enthalten.
3. Soft-Cocktails: Nicht mehr die zweite Geige zu den "echten Getränken" - Barkeeper und Nachtschwärmer schwören gleichermaßen auf Mocktails.
4. Yoga- und Wellness-Retreats: Zum Programm gehört in der Regel eine gesunde Ernährung und Lebensweise. Viele der Retreats sind daher komplett drogen- und alkoholfrei.
5. Alkoholfreie Festivals: Sie haben sich noch nicht überall durchgesetzt, aber erfreuen sich immer größerer Beliebtheit bei Menschen, die nach alternativen Lebensstilen suchen und bei Familien, die den üblichen Kater der Festivalszene nicht vermissen.
6. Natur pur: Camping in freier Wildbahn bedeutet in der Regel, alles mitzunehmen. Das ist aus Platzgründen oft nur das Nötigste. Eine gute Gelegenheit, auch den Alkohol hinter sich zu lassen.
7. Kombucha-Zeit: Kombucha wird auf den Streetfood-Märkten und Musikfestivals in den USA meist aus einem Fass gezapft - wie Bier.
8. Zero Alkohol Raves: Von Morning Gloryville bis No Lights No Lycra steht das Tanzen im Mittelpunkt. Weltweit werden es mehr dieser alkohol- und drogenfreien Festivals.
9. Nüchterne Sessions: auch in Deutschland werden in großen Städten immer öfters multisensuelle Zero-Alkohol-Clubveranstaltungen mit DJs und unterschiedlichen Performances, die alle Sinne anregen, veranstaltet.
10. Alkoholfreie Tourismusunternehmen: Reiseveranstalter wie Sober Vacations International haben begonnen, Touren speziell für Leute zu organisieren, die auf Alkohol verzichten.
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Original-Artikel: Tasmin Waby/Lonely Planet international
Deutsche Fassung: Ines Wagner