InterviewWas ich als reisende Foodjournalistin gelernt habe …

© Celia Topping
© Celia Topping

Anissa Helou stammt aus dem Libanon und arbeitet als Chefköchin und Foodautorin in London. Sie schreibt über die Küche und Esskultur des Nahen Ostens, des Mittelmeerraums und Nordafrikas.

 

So etwas wie eine islamische Küche existiert zwar nicht, dafür gibt es in der islamischen Welt zwei Grundnahrungsmittel: Brot und Reis. In einigen Ländern ist es das eine oder das andere. Gegrillte Fleischspießchen sind das Leitmotiv.

 

Gastfreundschaft ist in muslimischen Ländern so wichtig, dass man meist mehr kocht als nötig, falls Familie oder Freunde vorbeikommen. Es gehört zum Glauben der Menschen, gastfreundlich zu sein. In Marokko sitzt man um einen runden Tisch, damit sich unerwartete Gäste jederzeit dazusetzen können.

 

Die meisten Leute denken nicht an Muslime, wenn sie an Indonesien denken, obwohl es das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt ist. Das indonesische Essen ist ganz anders als das Essen im Nahen Osten, aber Saté ist die indonesische Version des Kebab.

 

Die iranische Küche ist eine der besten; sie fasziniert mich total. Sie ist sehr komplex, aufwendig, ausgeklügelt und raffiniert. Die Art und Weise, wie Iraner den Reis zubereiten, ist wunderbar: Er ist sehr luftig, und der knusprige Boden ist fantastisch. Es gibt so viele verschiedene Arten, Reis zu kochen.

 

In Kaschmir genoss ich bei der Schwägerin eines Freundes ein außergewöhnliches Essen. Ein Gericht war besonders toll: Yakhni – in Joghurt gekochtes Fleisch. Im Grunde ist es dasselbe Gericht wie Laban Immo im Libanon, was so viel wie „in der Milch seiner Mutter“ bedeutet. Ihre Variante war sensationell.

 

Bei Soul Food denke ich an Pasta mit Bottarga (Meeräschenrogen). Teuer, aber einfach und schnell zubereitet. Oder libanesische Mahshi (gefülltes Gemüse), deren Zubereitung eine Ewigkeit dauert.

 

Meine Mutter hat mir nicht wirklich beigebracht, wie man kocht. Aber weil ich in der Küche ihr persönlicher Plagegeist war, lernte ich, ohne unterrichtet zu werden. Mit Begeisterung sah ich den schönen Händen meiner Mutter zu, wie sie die leckersten und perfektesten Fatayer-Dreiecke formten und sie dann vorsichtig auf ein Backblech legten. Als ich jung war und den Libanon verließ, kochte ich nicht gerne, weil ich nicht wollte, dass ein Mann für seine Mahlzeiten von mir abhängig ist.

 

Zuerst wollte ich eine Schriftstellerin wie Simone de Beauvoir werden. Nur durch Zufall bin ich Foodautorin geworden. Ich dachte mir, ich könnte ein Buch über libanesisches Essen nach den Rezepten meiner Mutter schreiben, das vielleicht nützlich für junge Libanesen wäre, die wegen des Bürgerkriegs in den 70er- und 80er-Jahren das Land verlassen mussten.

 

Die Köche in Ländern mit ausgeprägter Esskultur sind sehr einfallsreich. Sie werfen selten etwas weg und sind Meister der Improvisation.

 

Ich habe eine Leidenschaft für Messer. Da gibt es dieses riesige türkische Hackmesser namens Zirh (im Bild oben). Ich habe es in der Stadt Gaziantep gekauft und es hängt in meiner Küche an der Wand – alle sind entsetzt, wenn sie es sehen!

 

Essen ist ein großartiges Gesprächsthema. Ich habe 20 Jahre lang in der Kunstszene gearbeitet. Mein Leben unterwegs war glamourös, aber ich habe die Menschen nie wirklich kennengelernt. Man spricht über Kunst, aber nicht mit jedem. Über Essen kann man mit jedem reden.

 

Weitere Reiseinspiration, von kulinarisch bis abenteuerlich ...

findest du in der Oktober/November-Ausgabe 2020 des Lonely Planet Magazins. Außerdem im Heft: Herbst in Europa, das Beste von Valletta, entlang der Panoramaküste Norwegens und vieles mehr.

 

Alle Infos zum Magazin findest du hier.

 

nach oben