Nach COVID-19 wird sich das Reisen verändern. Wie das aussehen kann, erzählen uns drei Globetrotter, die als Influencer das Reisegeschehen mitprägen.
Das Tragen einer Maske am Flughafen und im Flieger ist nicht die einzige Änderung, an die sich Reisende gewöhnen müssen. Es ist auch an der Zeit, die Art und Weise zu überdenken, wie wir reisen und was wir damit global bewegen.
Während wir uns an die neue Realität der Abstandsregelung und des stetigen Gebrauchs von Masken und Desinfektionsmittels gewöhnen mussten, hat auch die Reisebranche Anpassungen vorgenommen, um den Herausforderungen der globalen COVID-19-Pandemie gerecht zu werden. Das Reisen hat sich geändert – seitens der Veranstalter, Fluggesellschaften und Hotels ebenso wie der Urlauber.
Noch vor wenigen Monaten entschieden sich viele Reisende eher für eine Gastfamilie oder für Sofa Surfing anstelle großer Hotels oder holten sich unkompliziert Streetfood beim Straßenhändler, statt in einem größeren Restaurant oder einer Kette zu essen. Auch das wird sich jetzt wahrscheinlich ändern. Größere Unternehmen, die mit mehr Mitarbeitern ausgestattet sind, können die notwendigen Hygienestandards wesentlich leichter umsetzen als kleine Familienunternehmen, wo die meisten Arbeiten in den Händen Einzelner liegen.
Der erfolgreiche Blogger Nuseir Yassin, Gründer von Nas Daily und Autor von "1000 Tage um die Welt", legte mit seinen Videos eine steile Karriere hin, während er um die Welt reiste, mit den Menschen unterschiedlichster Kulturen sprach und Tipps für Essen, Unterkünfte und seine Erfahrungen teilte. Heute meint er, dass es weitaus schwieriger wird, weiterzumachen wie bisher. "Es wird künftig komplizierter, beim Reisen Ressourcen zu teilen, es wird weniger Flüge geben, während die Preise steigen", fasst er zusammen, "und die Leute werden vermehrt lieber privat unter sich bleiben wollen, statt sich in größeren Gemeinschaften auszutauschen."
Aber das muss gar nicht mal so schlecht sein. Die neuen, globalen Richtlinien zu den Abstandsregeln können so den begrüßenswerten Nebeneffekt haben, dass sich Veranstalter wesentlich mehr Gedanken um Nachhaltigkeit und Erhalt ihrer ursprünglichen Natur und Kultur machen müssen. Massentourismus wird damit vielleicht allmählich zum Auslaufmodell. "Stell dir den Angkor Wat mit einem Ticketingsystem vor, das die Anzahl auf ein Zehntel der Besucherzahlen begrenzt, die sich vor COVID-19 an solchen touristischen Highlights gedrängt haben, oder Santorini mit einem Drittel der Menschenmenge."
Auch Jon Whitby, General Manager bei World Nomads, sieht die Änderungen im globalen Reiseverhalten positiv. "Wer nicht rechtzeitig bucht und keine Möglichkeit hat, die "Hot Spots" zu bereisen, wird nach Alternativen suchen und dabei die Freude entdecken, abseits der ausgetretenen Pfade unterwegs zu sein."
Laut Jon werden Reisende auch motivierter sein, die Gemeinschaften vor Ort zu unterstützen, nachdem sie die Auswirkungen der durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen Schäden erleben. "Der Tourismus, der Millionen von Menschen weltweit aus der Armut befreit hat, hat auch die Kraft für positive Veränderungen", ist er sich sicher. "In Zukunft werden Reisende ihr Geld mit Bedacht ausgeben, damit es den größtmöglichen Nutzen bei der Unterstützung lokaler Unternehmen und Gemeinschaften hat."
Sozial verantwortliches Reisen wird mit COVID-19 kurzfristig möglicherweise etwas schwieriger sein. "Wir werden uns aber auf eine neue Normalität einstellen und langfristig werden dann immer mehr Reisende umwelt- und sozialverantwortliche Entscheidungen treffen", meint er.
Alyne Tamir ist Gründerin von Girls Gone Global, einem Reiseblog, auf dem Frauen auf der ganzen Welt über das Reisen und unterschiedliche Frauenfragen diskutieren. Sie war in Bhutan, als das Land seinen ersten Fall von COVID-19 bekam, der bei einem anderen amerikanischen Touristen gefunden wurde. "Die Einheimischen zögerten sehr, was Kontakte untereinander und mit Reisenden wie mir betraf", erinnert sie sich. "Sie machten sich in erster Linie Sorgen um ihre eigene Sicherheit und hielten Abstand."
Die Erfahrung Alynes zeigt die Veränderung deutlich: Früher waren wir gewöhnt, dass Dienstleister wie Unterkunftsbetriebe, Restaurants oder Touranbieter den Reisenden bedienen. "Jetzt werden diese Dienste wahrscheinlich das Wohlergehen der Einheimischen in den Vordergrund stellen", ist ihre Auffassung. "Daher müssen wir uns mehr als zuvor an die lokalen Gegebenheiten anpassen."
Wenn es um Gesundheit und Sicherheit geht, erwartet Jon Whitby deutlich mehr Reisende, die die Dinge selbst in die Hand nehmen und weniger dem Zufall überlassen: "Da die Reiseversicherungen aufgrund des Coronavirus in den Nachrichten so prominent sind, erwarten wir einen Anstieg dieser Zahl."
Reisen ist im Laufe der Jahre immer einfacher geworden. Ein Last-Minute-Flug war schnell gebucht, die Tasche gepackt und beim Landen konnte man spontan entscheiden, wie es weiter geht. Wahrscheinlich wird der Aufwand für die Reiseplanung wie auch die Reise selbst jetzt wieder etwas aufwendiger, was bedeutet, dass wir unseren Fokus verschieben müssen, um das Beste daraus zu machen.
"Wir reisen nicht vordergründig wegen des Ortes, wir reisen für den Zweck", meint Nuseir Yassin aus eigener Erfahrung der unzähligen Reisen, auf denen er seine erfolgreichen Social-Media-Videos gedreht hat. Jetzt ist er darauf eingestellt, dass sich seine Rolle als Content-Ersteller im Reisebereich ändern wird. "Ich werde mich weniger darauf konzentrieren, jeden schönen Strand oder jedes tolle Hotel anzuschauen, sondern vielmehr die Art des Reisens und den Effekt auf die dortigen Menschen und ihre Kultur hervorheben."
Er meint, dass wir wahrscheinlich alle weniger reisen werden. Darum ginge es zunehmend darum, sich den Grund zu vergegenwärtigen, warum wir eigentlich reisen, damit wir es besser schätzen können.
Für Alyne Tamir bedeutet das, sich wieder mehr vom digitalen zum analogen Leben zu bewegen und mit sich selbst und der Natur zu verbinden. Rückblickend findet sie es alarmierend, dass sie schon vor der Pandemie zu sehr auf ihr Handy fixiert war, zu oft Inhalte postete und zu stark auf die Technik angewiesen war. Darum wird sie künftig umdenken: "Ich möchte irgendwohin gehen und mich nicht mehr so viel mit Elektronik beschäftigen, sondern einfach da sein und den Ort genießen."
Immer mehr Menschen fahren Rad, weil sie nach Alternativen zu öffentlichen Verkehrsmitteln suchen. Dementsprechend verändern sich auch die Städte und ihre Infrastruktur, um das Radfahren zu unterstützen. Sobald uneingeschränktes Reisen wieder möglich ist, werden die Leute wahrscheinlich weiterhin überfüllte Ziele vermeiden. Es hängt von jedem einzelnen ab, ob das bedeutet, insgesamt mehr Zeit inmitten der Natur zu verbringen oder Orte zu wählen, die zumindest weniger frequentiert sind. Das bedeutet auch, dass die Reisenden noch bewusster Entscheidungen über ihre nächsten Ziele treffen. Dabei wird es möglicherweise weniger um das Reiseziel selbst gehen, als darum, was die Reise auf persönlicher Ebene zu bieten hat.
Während viele Branchen wie der Einzelhandel oder die Gastronomie nach Wegen suchen, um zum Ausgangszustand zurückzukehren, wird die Reisebranche Schritte in Richtung einer neuen Normalität gehen. Denn die Veränderungen, die das Reisen betreffen, werden nicht vorübergehend sein. Wir alle tragen eine Verantwortung gegenüber den lokalen Gemeinschaften unserer Urlaubsziele sowie für den Umweltschutz und die Natur.
Reisen verändert sich. Reisen verändert aber auch das eigene Selbst. Der Reiseführer "Der Sinn des Reisens" zeigt 120 prägende Erfahrungen in aller Welt. Schau doch einmal hier hinein.
Original-Artikel: Alicia Schneider/Lonely Planet international
Deutsche Fassung: Ines Wagner