Ein vulkanischer Wolkenkratzer, Traumstrände, feinste Schokolade sowie eine aufregende Tier- und Pflanzenwelt: Die abgeschiedene Inselnation São Tomé und Príncipe an Afrikas Westküste punktet mit Weltklasseerlebnissen – und den entspanntesten Bewohnern on earth.
Die Insel Príncipe ist zu 90 Prozent mit Regenwald bedeckt, von den Vulkanspitzen bis zur Nordküste mit ihren vielen Buchten. Wo die Wälder auf die See treffen, recken sich die Palmen in schrägen Winkeln nach draußen, als möchten sie die leeren Strände mit einem enthusiastischen „Ta-da!“ ankündigen.
Die vielen Strände auf der Insel variieren von herrlich abgelegen und einsam bis zu lebendigen Fischerorten. An der Praia de Santa Rita kann man über ein kleines Riff schnorcheln und nach Papageifischen, Barrakudas und dem Goldenen Scheinschnapper Ausschau halten. Westlich davon findet man am Praia de Coco nur die Fußstapfen einsamer Wanderer und träger Hunde im Sand. Praia Banana schließlich, das einst als Kulisse für eine Bacardiwerbung diente, ist bis auf ein paar hektische Tropenvögel völlig ausgestorben. Türkises Wasser schwappt gegen Basaltblöcke und eine Kokosnuss schaukelt auf der Oberfläche. Für eine Palme war das alles zu viel; die hat das pure Glück glatt umgehauen.
Weiter östlich, an der Praia dos Burros, sitzen kartenspielende Jugendliche auf umgedrehten Booten, während Jungen im seichten Wasser Flickflack springen; sie brüllen vor Lachen und sitzen eingegraben im Sand. Vor den klapprigen Pfahlhütten liegen fliegende Fische zum Trocknen in der Sonne. „Bondja ô!“, ruft ein Fischer mit breitem Lächeln. Er kommt auf mich zu für ein Gespräch über die hiesige Sprache, das Forro. Die Amtssprache ist Portugiesisch, doch 85 Prozent der Leute sprechen eine der drei Kreolsprachen. „Bon-jow-ooh“, singt er, die Vokale seines Morgengrußes dehnend. Dabei lacht er, wie zum Beweis, dass ein herzliches Saotomesisches Willkommen genauso einladend ist, wie ein Tag in der Sonne am Strand.
Info: Alle Strände sind öffentlich, mit Ausnahme jenes des Resorts „Bom Bom Island“ (ca.19 €; bombomprincipe.com) und der Praia Banana, die man via Roça Belo Monte (belomontehotel.com) erreicht.
Nach ein paar Tagen habe ich mich an all die Tiere gewöhnt, die mir begegnen. Graupapageien rascheln zwischen den Blättern, Schlangen winden sich zwischen den Zweigen, Flughunde flattern zu ihrer Nachtbleibe, Webervögel bauen ihre Nester am Wegrand und langschnabelige Eisvögel wippen von Wurzel zu Wurzel.
Die Inselgruppe ist nie Teil eines Kontinentes gewesen; da wundert es nicht, dass es viele lokale Tierarten gibt. Größenmäßig ist der Archipel mit den Galapagosinseln und Hawaii vergleichbar. Manche Arten bleiben rätselhaft. So kann niemand erklären, wie die acht Froscharten mit ihrem aktiven Stoffwechsel und ihrer Intoleranz für Salzwasser hier gelandet sind.
Der Golf von Guinea, in dem die Inseln liegen, ist auch reich an Meerestieren, vom Buckelwal bis zum Flugfisch. In der Tiefe leben Blaue Marline, manchmal jenseits der 750 Kilo, und Segelfische mit ihren prächtigen blauen „Segeln“ auf dem Rücken.
Auf den Inseln legen vier verschiedene Meeresschildkrötenarten ihre Eier ab: Lederschildkröte, grüne Meeresschildkröte, Karettschildkröte sowie Oliv-Bastardschildkröte. Es wurden auch Unechte Karettschildkröten gesichtet, jedoch nicht an Land.
Auf São Tomé hat die Legesaison begonnen. Ich gehe nachts an den Praia Grande, um dieses Naturereignis aus der Nähe zu bestaunen. Tausende Landkrabben schlurfen durch den roten Schein unserer Stirnlampen. Als wir näher kommen, schwingen manche Krabben, so groß wie Frisbees, gefährlich ihre übergroßen rechten Zangen. Am Ende einer langen Schleifspur finden wir eine erschöpfte Grüne Meeresschildkröte. In der vergangenen Stunde hat sie sich über die Flutlinie geschleppt, ein Loch ausgehoben und 120 Eier gelegt. „Am Anfang sind sie so hart wie Ping-Pong-Bälle, später werden sie weicher“, flüstert die Umweltschützerin Vanessa Schmett. Sie vermisst das Gehäuse und befestigt eine Markierung unter einer Pfote. Die Schildkröte ignoriert sie, atmet tief durch und fängt an, ihre Eier mit Sand zu bedecken. „Ihr Start ins Leben ist schwierig, doch die Jungen halten auch viel aus“, erklärt sie. Sie befreit eine Pfote, die sich in einem Palmblatt verfangen hat. Endlich schleppt sich die Schildkröte wieder ins Meer, ohne einen Blick für den wunderbaren Sternenhimmel über ihr.
Info: Wale sind von Juli bis Oktober aktiv; Schildkröten legen ihre Eier ab November, die Jungen schlüpfen im Dezember. Vögel kann man das ganze Jahr gut beobachten.
Die Tour entlang der abgelegenen Ostküste São Tomés führt an einer Reihe Fischerdörfer und schwarzer Strände vorbei. Frauen legen ihr Bettzeug zum Trocknen auf sonnengebleichtem Wrackholz aus. Jugendliche surfen auf ramponierten Schaumstoffbrettern, während Schulkinder den vorbeifahrenden Pickups zuwinken und „Ola!“ und „Amiga!“ rufen. Zwei junge Frauen gehen mitten auf dem Weg mit Erntemessern in der Hand und Stofftaschen voller Obst auf dem Kopf. Eine grinst und fragt: „Sie genießen die Natur von São Tomé? Willkommen!“
Für derlei herzliche Begrüßungen und angenehme Gespräche muss man unterwegs öfters anhalten, doch das Tageslicht nimmt ab und das Ziel ist in Sicht: Ich möchte näher an den vulkanischen Wolkenkratzer, der sich über der Insel auftürmt.
Er ist beinahe ständig in Nebel gehüllt. Pico Cão Grande (portugiesisch für „Große Hundespitze“) ist ein 668 Meter hoher Monolith, der sich im Süden der Insel aus dem Regenwald erhebt. Dies ist der schönste aller Vulkankerne, die den Archipel durchbohren und die sich bildeten, als Magma in einem Vulkanschlot erkaltete.
Von vielen Stellen auf São Tomé tut er sich ganz plötzlich vor einem auf: als eine Art Monument am Ende eines schnurgeraden Weges, als Unterbrechung des einförmigen Grüns einer Palmölplantage, oder über dem dichten Blätterdach im Wald sich erhebend, als eine Ausgeburt des Erdinneren.
Gerade, als ich den perfekten Aussichtspunkt in einer scharfen Wegkurve erreiche, klart der Nebel plötzlich auf und taucht den Pico in ein goldenes Licht und das umliegende Blättermeer in zauberhaftes Grün. Ein ganz besonderer Moment der Stille. Neben dem unregelmäßigen Gezwitschere eines Webervogels höre ich auf einmal den sanften Rhythmus von Sportschuhen: ein Herr marschiert in strammen Schritten den Weg entlang. „Tudo bem?“, fragt er, ob alles in Ordnung ist. „Léve, léve“, antworte ich. Er grinst.
Text: Jo Keeling, Fotografie: Justin Foulkes
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