SzeneDie Kreativen von Maboneng

Wandporträt der Sängerin Yvonne Chaka Chaka von Vhils (Alexandre Farto), ©Oliver Berry
Wandporträt der Sängerin Yvonne Chaka Chaka von Vhils (Alexandre Farto), ©Oliver Berry

Im Osten von Johannesburg gelegen, hat sich das heruntergekommene Township Maboneng zu einem aufstrebenden Ort mit Galerien und ungewöhnlichen Kunstprojekten entwickelt. Wir treffen eine Kreative, die für die Wiederbelebung der No-go-Area von einst steht.

 

Es ist Sonntag und der Wochenendmarkt von Maboneng ein Rausch aus Farben, Gerüchen und Stimmen. Straßenverkäufer beugen sich über brutzelnde Grills und blubbernde Töpfe, Musiker schmettern Bob-Marley-Melodien und Tanztruppen bewegen sich zu Stammesrhythmen. Vor der Kulisse aus roten Ziegelsteinwänden biegen sich die Tische unter afrikanischem Kunsthandwerk, Bildern von Wildtieren, T-Shirts mit politischen Parolen und Nelson-Mandela-Porträts. Es ist chaotisch, ohrenbetäubend und voller Leben.

 

So ausgelassen-fröhlich ging es hier nicht immer zu. Maboneng liegt am südöstlichen Rand des Zentrums von Johannesburg, umgeben von einer betonierten Fläche mit leerstehenden Lagerhäusern, Fabriken und mit Graffiti versehenen Brücken. Zu Zeiten der Apartheid war Maboneng eines der berüchtigtsten Tabuviertel des Landes, eine Brutstätte der Kriminalität, der Armut und des städtischen Verfalls. Doch in den letzten zehn Jahren ist Maboneng zum Mittelpunkt des größten Stadterneuerungsprojekts von Südafrikas Mega-Metropole geworden. Heute ist es ein Magnet für Künstler, Handwerker, Bildhauer und Designer, die diesen einst zweifelhaften Bezirk zum kreativen Hotspot gemacht haben.

 

„Maboneng zeigt, was man mit Leuten erreichen kann, die gemeinsam mit einer positiven Vision Veränderungen herbeiführen wollen”, sagt Bheki Dube, ein Reiseführer, der Touren durch Maboneng anbietet und außerdem die Hauptherberge des Hipster-Viertels, „Curiocity Backpackers“, betreibt. „Maboneng ist mehr als nur ein Ort. Es ist eine Philosophie. Und wir stehen erst am Anfang”, sagt Bheki und stellt uns drei Locals vor, die Teil dieser Entwicklung sind.

 

Die Dreadlock-Künstlerin: Zinze Ndwandwe

Unweit der Fox Street, Mabonengs Hauptverkehrsader, gibt Zinze Ndwandwe ihrer neuesten Kreation in einem Friseursalon den letzten Schliff. „Ich bezeichne mich nicht als Friseurin“, sagt sie und führt den Trimmer mit der Selbstsicherheit einer Künstlerin, die einen Pinsel schwingt. Vielmehr sieht sie sich als „Designerin von Dreadlocks nach Maß“. „Ich kreiere viele Arten von Frisuren, aber Dreadlocks sind meine große Leidenschaft.“ Zur Demonstration knüpft sie ein Band am Hinterkopf auf, das ein Bündel glänzender, tiefschwarzer Filzlocken freisetzt, die mit Quasten, Bändern und farbigen Perlen umwickelt sind. Die längsten Stränge purzeln bis zu den Knien ihrer zerissenen Stone-washed-Jeans hinunter.

 

Mit ihrer üppigen Haarpracht, der immer guten Laune und dem ansteckenden Lachen ist Zinze bekannt wie ein bunter Hund in Maboneng, wo sie selbst fast alle beim Namen kennt. Seit ihren frühen Teenagerjahren schneidet sie Haare und betreibt inzwischen ihr eigenes Dreadlock- und Schmuckdesigngeschäft, neben Teilzeitauftritten als Model und Friseurin.

 

„Maboneng hat jetzt so eine großartige Ausstrahlung. Man kann die Energie förmlich spüren. Alleine wenn ich nur durch die Straßen laufe, bekomme ich unendlich viele Ideen“, sagt Zinze und schlendert die Fox Street entlang, vorbei an alten Lagerhäusern mit Backsteinmauern und tagesfrischen Straßenmalereien. Sie hat ein Mittagessen in ihrem äthiopischen Lieblingsrestaurant „Little Addis“ geplant, gefolgt von einer Kaffeepause im „Bertrand Café“ im Kolonialstil.

 

Für sie sind Dreadlocks die Art und Weise, wie sie ihre Kreativität zum Ausdruck bringt. Die Filzlocken seien ein zentrales Element der afrikanischen Kultur, aber viele Menschen hätten ihre Bedeutung vergessen. „Meine Aufgabe ist es, sie daran zu erinnern, dass sie afrikanischer Herkunft sind, sie zu feiern und zu erleben, wie wunderschön sie sein können. Meine Entwürfe verändern das Selbstbewusstsein der Leute. Das ist es, was mich jeden Tag neu motiviert.“

 

Luzwide: @Luzwide_locs

Little Addis: littleaddiscafe.wixsite.com/kassalittleaddiscafe

Bertrand Café: bertrand-cafe.business.site

 

Text & Fotografie: Oliver Berry

 

Noch mehr Locals aus Maboneng ...

findest du in der Februar/März-Ausgabe 2021 des Lonely Planet Magazins. Außerdem im Heft: Inselleben: Auf der Suche nach dem Paradies, Polarnacht in Schweden, Winter in den Bergen Polens und vieles mehr.

 

Alle Infos zum Magazin findest du hier.

 

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