Neben der atemberaubenden Landschaft und den darin lebenden Wildtieren ist es vor allem die reiche Kultur der Ureinwohner Alaskas, die eine Reise in den hohen Norden Amerikas so spannend macht.
Obwohl der nördlichste US-amerikanische Bundesstaat Alaska vor allem für seine schneebedeckten Berge, undurchdringlich dichten Wälder und eine faszinierende Tierwelt aus Bären, Elchen und Buckelwalen bekannt ist, zieht auch die reiche Kultur der Ureinwohner viele Reisende an. Ihre traditionsreiche Geschichte, ihre Weltanschauungen, die Sprache sowie die reiche Gesangs- und Tanztradition, ja ihre ganze Lebensweise, wurden über die Jahrtausende von diesem wild natürlichen, rauen Land geprägt. Deshalb spielen sie eine nicht wegzudenkende Rolle dabei, wie Besucherinnen und Besucher Alaska heute erleben. Denn wer in den hohen Norden der USA reist, lernt die Traditionen und Bräuche kennen, die die Ureinwohner seit Tausenden von Jahren aufrechterhalten.
Fairbanks ist das angestammte und unangefochtene Gebiet der unteren Tanana Dene Völker. Obwohl viele Alaska Natives in der Gegend von Fairbanks leben, ist die größte Mehrheit der Athabascan (Gwich'in, Koyukon, Lower Tanana und andere) und Iñupiaq hier ansässig. Das Hundeschlittenfahren ist eine Tradition der Ureinwohner Alaskas, die in dieser Region vor Jahrhunderten eingeführt wurde.
Im Spätwinter und zu Beginn des Frühjahrs feuern viele Fans ihre Favoriten bei den Sprint-Hunderennen an, etwa bei den dreitägigen Offenen Nordamerikanischen Meisterschaften Mitte März. Hundeschlittenführer und Zuschauer verfolgen gleichermaßen gespannt die Sprintzeiten, wählen ihre Lieblingsteams und -hunde aus und genießen allgemein das dringend ersehnte Tageslicht.
Etwas später im März lassen sich beim Festival of Native Arts an der University of Alaska Fairbanks die Gesänge und Tänze der Ureinwohner Alaskas miterleben und mehr über deren reiche Kulturen und Erzählungen erfahren. Besonders beliebt sind die Auftritte der Dena' Intertribal Dancers, welche die Lieder und Tänze der Athabascan aufführen. Die traditionellen Kleidungsstücke der Athabascan, wie Westen aus Elchfell oder mit Perlenstickerei verzierte Kleider, sind eine Augenweide für sich. In der Regel laden die Tanzgruppen gegen Ende der Aufführungen auch die Zuschauenden zum Mittanzen ein, damit auch diese die Kraft der Tänze und der Trommeln spüren können.
Hundeschlittenfahrten sind nicht der einzige Sport, der bei den Ureinwohnern Alaskas beliebt ist. Im Juli werden bei der World Eskimo-Indian Olympics (WEIO) zahlreiche traditionelle Sportarten vorgeführt. Bei diesen Spielen geht es hauptsächlich darum, die Fähigkeiten und die Vorbereitung auf das Überleben in der Region unter Beweis zu stellen. Dazu gehört beispielsweise der Wettbewerb im Filetieren von Fischen oder der beliebte Two-Foot-High-Kick, bei dem die Athleten mit beiden Füßen gegen einen an einem Seil hängenden Ball aus Robbenfell treten. Obwohl es sich um einen olympischen Wettbewerb handelt, bei dem es um Beweglichkeit und Kraft geht, ist die Kameradschaft ein ganz wichtiger Aspekt der Veranstaltung: Die Sportler feuern einander an und geben sich Tipps – denn das Überleben in den unwirtlichen Bedingungen der Wildnis ist nur als Gemeinschaft möglich. Bei den Olympics gibt es außerdem zahlreiche Auftritte von Tanzgruppen und die Wahl der Miss WEIO.
Noch mehr Tanz und Musik gibt es später im Jahr bei zwei wichtigen traditionellen Festen. Beim Athabascan Fiddlers Festival im November treten mehr als 80 Künstlerinnen und Künstler aller Altersgruppen auf, während Gäste aus aller Welt anreisen, um die Kultur, Traditionen und Musik der Athabascan zu feiern. Etwa zur gleichen Zeit findet der Gwich'in Athabascan Fiddle Dance statt, bei dem die Menschen die traditionellen Tänze Jig, Two-Step und weitere Tanzformen zeigen. Viele der Gwich'in-Tanzprofis tragen dabei wunderschöne perlenbesetzte Mukluks, die traditionell handgefertigten Stiefel aus Elchfell, und andere aufwändig verzierte Gewänder.
Ein Besuch im Landesinneren wäre nicht komplett ohne einen Besuch im Morris Thompson Cultural & Visitors Center. Hier befinden sich zahlreiche Exponate zum Lebensstil der Alaska-Indianer, Kunstwerke wie ein Torbogen aus Elch- und Karibu-Geweihen sowie geschichtliche Zeugnisse aus dem Landesinneren. Es lohnt sich, genügend Zeit mitzubringen, um die innovativen und handwerklich aufwändigen Perlenarbeiten der indigenen Künstler zu betrachten. Die kunstfertige Verarbeitung von Fischhäuten hat in den letzten 20 Jahren einen erneuten Aufschwung erlebt. So lässt sich zum Beispiel miterleben, wie Lachsleder zu Schmuck, Taschen und Körben wird, neben der Herstellung vieler anderer einzigartiger Gebrauchsgegenstände und Schmuckstücke.
Wer Ende Juni hoch in den Norden nach Utqiaġvik (ehemals Barrow) reist, erlebt ein Fest zu Ehren des Grönlandwals. Es ist vor allem ein Fest des Teilens, währenddessen die lokalen Iñupiat-Walfangmannschaften die gesamte Gemeinde mit unterschiedlichem Walfleisch versorgen. Dazu werden vor Ort zubereitetes Brot, Karibu- und Gänsesuppe und andere Köstlichkeiten geteilt.
Nalukataq bedeutet wörtlich "auf einer Robbenfelldecke auf und ab geworfen werden". Für die Hauptattraktion des Festes wird daher eine solche, große Decke aus Robbenfell wie ein Trampolin aufgespannt und die Mutigsten und Sportlichsten werden gemeinschaftlich hoch in die Luft katapultiert. Die Tradition stammt von den Jägern, die das Wild in der Ferne ausmachen mussten und daher im Team in die Lüfte geworfen wurden, um Ausschau zu halten. Die Iñupiaq stellen ihre Sportlichkeit unter Beweis, indem sie in ihren traditionellen Parkas wagemutige Sprünge und Tricks vollführen. Ein weiteres Highlight des Festes ist das Werfen von Süßigkeiten zur Freude der Kinder. Traditionelle Tänze schließen den Tag ab.
Der Tanz ist für viele Gemeinschaften der Ureinwohner Alaskas von zentraler Bedeutung. Es ist ein Weg, mündliche Traditionen, Kultur, Sprache und wichtige Lektionen für das Überleben von Generation zu Generation weiterzugeben – und eine gute Gelegenheit zum Feiern. In Mamterilleq (dem traditionellen Yup'ik-Namen für Bethel) findet im März das Cama-i Dance Festival statt. Das dreitägige Fest mit seinen zahlreichen Tänzen steht für die Yup'ik-Tradition der traditionellen Winterversammlungen. Der Name leitet sich vom Gruß "Cama-i!" ab. Die Tänzer der Yup'ik, Cup'ik und der St.-Lorenz-Inseln tragen oft leuchtende, geblümte Qaspeqs (Sommerparkas), Mukluks und Fell-Kopfschmuck mit Perlen.
In den Liedern werden Geschichten über die Robbenjagd oder historische Ereignisse erzählt. Das Festival bietet auch eine gute Gelegenheit, an den Verkaufsständen geschnitzte Masken, Schmuck und anderes Kunsthandwerk zu entdecken.
Jedes zweite Jahr findet Anfang Juni eine der größten Versammlungen der Ureinwohner Südostalaskas statt, wo die Kulturen der Tlingit, Haida und Tsimshian gefeiert werden. Celebration ist ein viertägiges Festival, das die Straßen von Juneau mit Ureinwohnern füllt, die ihr Erbe in den traditionellen Gewändern ihrer Clans präsentieren.
Auf dem Celebration gibt es traditionelles Essen, Kunst und Kunsthandwerk. Juneau liegt in den Heimatgebieten der A'akw Kwáan und T'aaḵu Kwáan und hat Vielfältiges an Kunst und Kultur zu bieten, darunter das Verarbeiten von Fichten- und Zedernholz, das Weben von Chilkat-Roben und kunstvolle gefertigte Totempfähle.
Viele Besucher Alaskas verschlägt es nach Anchorage, auch bekannt als Dena'ina ełnena, der traditionellen Heimat des Dena'ina-Volkes. Das Alaska Native Heritage Center, eine der größten Kultureinrichtungen des Bundesstaates, ist ein Muss für jeden, der hierherkommt. Das Center umfasst traditionelle Häuser, Versammlungsorte und Bauwerke der Alaska Natives, die man besichtigen kann. Die Guides erzählen Geschichten zu den Artefakten, die ihre Lebensweise erläutern.
Es gibt immer wieder Veranstaltungen, die sich mit den Traditionen des Tanzes und Geschichtenerzählens der Ureinwohner befassen. Ein kleines Kino zeigt Filme, die Einblicke in die traditionellen Handwerkstechniken geben – von der Fertigung von Kajaks bis zu aufwändig gearbeiteten, farbenfrohen Totempfählen.
Alaska gehört zu den Regionen, die es in Lonely Planets Best in Travel 2023 geschafft haben. Welche weiteren Städte, Länder und Regionen dabei sind, erfahrt Ihr hier.
Text: Angela Łot'oydaatlno Gonzalez/Lonely Planet International
Deutsche Bearbeitung: Ines Wagner