Natur und Kultur im Westen Europas. Traumhafte Stadtviertel und eine zauberhafte Umgebung treffen in Galway auf Musik, Kunst und Kulinarik. Ein Besuch in Irlands "City of Tribes".
Warum Galway "City of Tribes" heißt? Weil einst 14 Patrizier-Familien die Geschicke der Stadt lenkten. Sie organisierten den Handel, bauten Häuser und stifteten Kirchen. Kurz: Sie machten die irische Stadt zu dem, was sie ist.
Heute spielen die Familien kaum noch eine Rolle. Galway ist dafür zu einer Drehscheibe für Reisende an die Westküste geworden. Die City ist quirlig, atmosphärisch, experimentell – sicherlich auch, weil viele Kunst-Studenten hier leben, lernen und kreieren. Sie vergessen dabei nie die irischen Traditionen, mischen sie aber gekonnt mit modernen und internationalen Einflüssen. Und das nicht nur in Galerien und auf Bühnen, sondern auch in den vielen Küchen der Stadt.
Galway ist also ein Geheimtipp für alle, die einen spannenden Mix aus Geschichte, Natur und Kultur an Irlands Westküste erleben wollen.
"Galway ist eher spanisch als irisch" spottete Dublins Oberklasse im Mittelalter. Nicht ganz zu Unrecht. Denn es gab derart starke Handelsbeziehungen zur iberischen Halbinsel, dass sich diese Einflüsse noch heute in einigen Namen widerspiegeln. So steht etwa am Fluss das "Spanische Tor", errichtet um 1700. Es führt hinaus auf die Promenade "The Long Walk", die mit ihrer bunten Häuserzeile als ein Wahrzeichen der Stadt gilt.
Auf der anderen Seite des Spanischen Tors beginnt das bunte und lebendige "Latin Quarter" - wieder eine Anspielung auf Galways Connection zum Süden Europas. In diesem Einkaufs- und Vergnügungsviertel schlägt das eigentliche Herz der Stadt. Bei gutem Wetter füllen sich die Stühle vor den Pubs und Restaurants mit Besuchern, während andere zum Shoppen durch die Fußgängerzone hasten. Immer begleitet vom Klang der Straßenmusiker, die alte und neue irische Lieder zum Besten geben.
Um die St. Nicholas’ Collegiate Church herum findet regelmäßig der kleine Galway Market statt. Hier bieten lokale Künstler Werke auf Leinwand, aus Glas, Holz oder Stein feil. Die evangelische Kirche selbst lohnt durchaus auch einen Blick in das Innere. Vor allem der Boden ist beeindruckend, besteht er doch aus den Grabsteinen des einstigen Friedhofs. Und angeblich soll einst sogar Christoph Columbus hier gewesen sein. Himmlisch klingen übrigens auch die Glocken im Turm, auf denen ab und an Melodien wie "Freude schöner Götterfunke" gespielt werden.
Deutlich jünger, dafür etwas opulenter zeigt sich die Galway Cathedral. Eine der wenigen Kathedralen, die in jüngster Zeit gebaut wurden. Erst 1965 weihte die katholische Kirche den Bau ein. Sowohl das Innendesign, als auch die Architektur verschmelzen gekonnt moderne und klassische Stilrichtungen. Das Licht der Buntglasfenster im Inneren ist einzigartig.
Etwas außerhalb des Zentrums liegt Salthill mit seiner Strandpromenade und einem alten Vergnügungspark. Besonders bemerkenswert: der Blackrock Diving Tower. Dieser Sprungturm ins Meer wurde bereits 1904 errichtet und in seiner heutigen Form 1953. Gerade seit der Pandemie hat sich hier wieder eine rege Schwimmgemeinschaft gebildet. Jeder kann hier hineinspringen. Aufwärmen können sich die mutigen Atlantikschwimmer dann im Blackrock Cottage, dem Café gleich bei dem Turm.
An Regentagen empfiehlt sich das Museum der Stadt. Hier erfährt der Besucher vieles über das Mittelalter und auch zu den 14 Familien Galways. Beklemmend: Der Bereich zur irischen Revolution vermittelt die traurige und zugleich befreiende jüngere Geschichte der Region. Eine Geschichte, die wenige in Mitteleuropa so kennen.
Etwas mehr Action gefällig? In Irland gibt es zwei typisch gälische Spiele: Hurling und Gaelic Football. Beide sind extrem schnell und brauchen ein gerütteltes Maß an Koordination und Fitness. Hurling ist eine Mischung aus Hockey und Lacrosse, Gaelic Football hat lustigerweise eher mit Handball zu tun. Alleine das Zuschauen bei diesen Spielen ist ein großer Spaß. Besser noch: Selbst an einem Training teilnehmen. Das macht Experience Gaelic Games möglich.
Zirka eine Stunde Fahrt, schon eröffnet sich vor einem die wilde Landschaft der Westküste mit ihren grünen Bergen, steilen Klippen und der rauen See. Ein oder zwei Tagesausflüge von Galway aus, bescheren Abwechslung vom wuseligen Stadtleben.
Eine der interessantesten Routen führt durch die Maamturk Berge, ehe sie zur Küste wieder absteigt und dort auf den Killary Fjord trifft. Dieser Einschnitt des Meeres zieht sich 15 Kilometer ins Land und wird teilweise 45 Meter tief. Grünen Bergen mit silbernen Flanken säumen seine Ufer. Auf einer Bootstour mit Killary Fjord Boat Tours bestaunen Reisende die ganze Schönheit vom Wasser aus. Mit etwas Glück sehen sie dabei sogar Delfine.
Am Land hingegen sind eher Schafe unterwegs. Produkte aus deren Wolle und wie sie entstehen, zeigt das Connemara Sheep and Wool Centre. Unter fachfrauischer Anleitung können Besucher selbst Wolle kämmen und Fäden spinnen.
Nur einen Steinwurf weit entfernt thront Kylemore Abbey über einem wunderschönen See. Der Begriff "Abbey" führt hier in die Irre, denn zu sehen ist ein opulentes Herrenhaus. Die Geschichte und Geschichten um das Anwesen sind - wie vieles in Irland - bittersüß und erzählen von Reichtum, Verschwendung, starken Frauen und schweren Schicksalsschlägen. Das Grundstück um die Abbey ist riesig und teils unerforscht. Noch heute legen die Ranger hier Pfade aus dem 19. Jahrhundert frei, die zugewachsen waren. Ein Kloster gibt es auf dem Gelände übrigens auch. Und ein echtes Highlight ist der ummauerte Garten mit seinen viktorianischen Gewächshäusern aus Eisen und Glas, sowie den symmetrischen Blumenbeeten.
Die Touren können mit dem eigenen oder einem gemieteten Auto unternommen werden. Umweltfreundlicher und stressfreier können Rundfahrten bei den Anbietern wie Citysightseeing sein.
Tipp: Essen am Misunderstood Heron. Der Foodtruck steht so, dass man über den Killary Fjord blickt. Die Betreiber verschmelzen geschickt irische und asiatische Einflüsse. Dabei achten sie auf Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit.
Galway ist eine Studentenstadt. Im Lernplan des College nehmen Musik, Kunst und Schauspiel einen hohen Stellenwert ein. In der bunten Szene vor Ort setzen sich diese Ansätze dann weiter durch. Ensembles wie die in Galway ansässige Druid Theatre Company sind mittlerweile weltberühmt. Tanz, Musik und Theater sind hier zwar immer fester Bestandteil des Lebens, doch jedes Jahr in den letzten zwei Juli-Wochen steigert sich Galway beim International Arts Festival in einen wahren Kulturrausch. Jede Bühne ist dann belegt und die Zuschauerreihen auch. 2023 wurden auf dem Festival 400.000 Teilnahmen an Veranstaltungen registriert.
In den Theatern laufen dann Stücke von Autoren wie Enda Walsh, der auch in Deutschland schon ausgezeichnet wurde, oder von afrikanischen Autoren wie John Maxwell Coetzee. Neben den großen Aufführungen gibt es immer wieder auch experimentelle und gewitzte Kunstversuche. Im Juli 2023 stand eine Bank an der Uferpromenade in Salthill bei Blackrock. Wer sich darauf setzte, konnte Auszügen aus Ulysses von James Joyce lauschen. Oder "Cloakroom", ein Audiostück, das in einer nachgebauten Garderobe eines fiktiven Tanzsaals spielt.
Bei den Traditional Music Showcases zaubern irische Musiker Jigs und Reels in traditionelle Pubs wie Monroe’s Tavern. Und lokal bekannte Bands wie die Saw Doctors bringen das große Festivalzelt zum Brodeln. Bildende Künste breiten sich derweil in und um Galerien und Museen aus. Teils mit gesellschaftlichen und politischen Botschaften. Bildhauer wie David Mach sind sich nicht zu fein, auch explodierende Autos zu modellieren. Fotografen wie Lorraine Tuck zeigen die Schönheit von Geschlechter-Diversität und Body-Positivity.
Mehr Körper-betont: Guru Dudu's Silent Disco Walking Tours - mit Kopfhörern und Tanzanimateurin geht es durch die Stadt. Ein Vergnügen für Groß und Klein. Ebenso wie der ikonische Umzug mit einem mechanischen Drachen in "Dragon - The Forgotten World".
Nach Futter für die Seele braucht es nun dringend etwas für den Magen. Und Galway lässt sich beim Essensangebot nicht Lumpen. Eine Mischung aus vielen verschiedenen Stilen sind in der Stadt repräsentiert - von teuer bis günstig, von Michelin bis Imbiss-Bude.
Einen guten Überblick über die kulinarischen Angebote bieten die Galway Food Tours. In gut zweieinhalb Stunden führen einen die Guides durch Geschäfte, Cafés und Restaurants. Jedes Mal gibt es dort kleine und größere Häppchen und Schlückchen serviert. Die Tour startet im Feinkostgeschäft McCambridge's Of Galway.
Im Top-Segment gibt sich Galway keine Blöße. Das Restaurant Aniar im Westen hat sich einen Michelin-Stern ergattert. Am Hafen serviert das Rúibín zeitgenössische Küche mit Zutaten aus dem Umland. Passend zur spanischen Geschichte gehört die Cava Bodega zu den Top-Adressen, auch weil es das zweite Restaurant des Kochs JP McMahon ist, der auch das Aniar betreibt. Rund um die Uhr bewirtet das Éan seine Gäste: morgens mit Gebäck, mittags mit saisonalen und raffinierten Gerichten, abends kommen noch ausgesuchte Weine hinzu. Wer es etwas bodenständiger mag, geht im Restaurant des Hotels von The Dean Galway oder das Kings Head Bistro.
Ein Getränk darf in Irland natürlich nicht fehlen: Der Whiskey! Die recht junge Micil Distillery im Vorort Salthill lädt auf Tastings ein. Es gibt neben Whiskey auch Gin und Poitín. Letzteres ist ein spezieller irischer Brand. Testen sollte man in jedem Fall den Irish Cream Liqueur.
Die meisten Reisenden kommen in Dublin mit dem Flugzeug an. Und natürlich lässt sich dort ein Mietwagen buchen. Für einen Besuch von Galway City braucht es das aber gar nicht. Umweltfreundlicher, stressfrei und schnell bringt einen der Citylink Expressbus in zweieinhalb Stunden direkt ohne Umsteigen in das Zentrum von Galway.
Der Auto-Verkehr in Galway City macht wenig Spaß, die Straßen sind schlicht überlastet. Darum ist auch Radfahren recht anspruchsvoll hier. Ausflüge auf das Land funktionieren hingegen auf zwei Rädern ganz gut, und es gibt auch einige Anbieter für die Radanmietung.
Die Innenstadt von Galway lässt sich am besten zu Fuß erkunden. Zusätzlich gibt es auch hier einen Hop-on-Hop-off-Bus, der auch in die Vororte wie Salthill fährt. Unterwegs sehen Besucher weitere Sehenswürdigkeiten wie etwa einige Art-Deco-Gebäude. Auch Rundtouren zum Killary Fjord und zur Kylemore Abbey ermöglicht dieser Anbieter. Alternativ bringt einen das Schiff Corrib Princess in eineinhalb Stunden über das riesige Lough Corrib - den größten Süßwassersee Irlands.
Je nach Budget gibt es verschiedene Möglichkeiten der Unterkunft. Sehr angenehm wohnt es sich im Boutique Hotel The Dean Galway. Neben dem charmanten Design lässt sich hier sogar ein Teil des alten Eisenbahntunnels der Stadt bewundern. Für den schmalen Geldbeutel bieten sich das Woodquay Hostel und das Sleepzone Hostel an.
Auf der Insel im Westen Europas gibt es noch so viel zu entdecken. Unser Reiseführer zeigt dir ihre ganze Schönheit.
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Text: Stephan Goldmann