Transsilvanien lebt vom Ruf des Vampir-Fürsten Dracula. Dabei hat die rumänische Region so viel mehr zu bieten als Blutsauger. Eine Reise ins faszinierende Osteuropa.
Transsilvanien ist das von Mythen umwitterte, geheimnisvolle Land der blutrünstigen Vampire und heulenden Wölfe. Was sich nach Fantasy und Fiktion anhört, ist ein echter Ort, eine Region in Zentralrumänien. Der weniger mysteriöse Name ist Siebenbürgen, weniger besonders ist die Region deshalb nicht. "Das Land hinter dem Wald" ist noch immer ein kaum entdeckter "Lonely Planet".
Packt den Knoblauch vorsichtshalber ein - hier sind unsere Tipps für eine der faszinierendsten Regionen Osteuropas.
Bram Stokers Vampir-Roman aus dem Jahr 1897 wurde vom jahrhundertealten Aberglauben und den realen Heldentaten von Vlad Dracula inspiriert. Der walachische Adelige aus dem 15. Jahrhundert, bekannt durch seinen mörderischen Spitznamen Vlad Ţepeş, "der Pfähler", soll bis zu 80.000 Feinde aufgespießt haben
Trotz der blutrünstigen Geschichte gilt er in Siebenbürgen jedoch als Held. Deshalb sind die Einheimischen auch nicht durchweg begeistert vom blutigen Ruf der Region, denn sie hat wesentlich mehr zu bieten. Dennoch ist das Schloss des Grafen Dracula die Hauptattraktion Siebenbürgens. Nach Jahren einheimischen Widerstandes kündigte der rumänische Tourismusverband an, den "Vampirtourismus" mit europäischen Mitteln auszubauen.
Besucher sind vor allem von den Bergen, den endlosen Laubwäldern, saftigen Weiden und Wildblumenwiesen beeindruckt. Die Reise durch Siebenbürgen, das als "die letzte wirklich mittelalterliche Landschaft in Europa" beschrieben wird, fühlt sich an, als ob man die Zeit um 100 Jahre zurück dreht. Pferdekarren holpern über Feldwege, während Hirten ihre Herden hüten und Dorfbewohner im Sonnenschein Heu wenden oder im Schatten des Ziehbrunnens ruhen. Am Abend sitzen alte Frauen vor den Häusern und spinnen Wolle mit der Handspindel, während die Männer rauchend Karten spielen.
Bei dieser romantischen Vorstellung darf eines nicht vergessen werden: das bedeutet auch eine schlechte Infrastruktur, sodass Reisen Geduld erfordert. Zugverbindungen sind langsam, eine bessere Wahl sind Busse, Fahrpläne gibts bei Autogari. Noch flexibler ist, wer sich ein Auto mietet, beispielsweise über Autonom. Das Verkehrsaufkommen ist nicht gerade die Herausforderung, schon eher die kratergroßen Schlaglöcher und streunenden Hunde.
Deutsche Händler kamen im 12. Jahrhundert, um die Region gegen die Tataren und Türken zu verteidigen. In den folgenden Jahrhunderten bauten sie sieben Festungsstädte, daher stammt der deutsche Name der Region, Siebenbürgen. Außerdem entstanden Hunderte von beeindruckenden Wehrkirchen. Zu den Sehenswürdigkeiten gehören die pastellfarbene Stadt Sighişoara (Schäßburg) und die Kirchen von Biertan (Birthälm) und Viscri (Deutsch-Weißkirch), die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören. Während die mittelalterliche sächsische Architektur überlebt hat, schrumpft die deutschsprachige Bevölkerung. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus Ende 1989 flohen rund 90 Prozent nach Westdeutschland, nur die Alten blieben.
Im östlichen Siebenbürgen ist eine kuriose Art von Zungendreher-Ungarisch die Standardsprache. Es ist vor allem in Städten wie Miercurea-Ciuc, Târgu Mureş und Cluj-Napoca und den Grafschaften Covasna und Harghita weit verbreitet. Die Region war seit mehr als tausend Jahren mit Ungarn verbunden, bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, als es mit Rumänien vereint wurde. Heute machen die ethnischen Ungarn rund 19 Prozent der Bevölkerung Siebenbürgens aus. Etwa die Hälfte von ihnen sind Székely, von denen man annimmt, dass sie von Attilas Hunnen abstammen.
Siebenbürgen hat eine Reihe von Ferienorten, die berühmt für ihre Heilwasser sind. Man traut ihnen allerlei positive Wirkungen zu. So sagt der Volksmund dem Mineralschlamm und warmen, salzigen Wasser des Bear Lake in Sovata nach, dass es gegen Unfruchtbarkeit hilft. Das milde Wasser von Ocna Sibiului in der Nähe von Sibiu (Hermannstadt) soll gut gegen Arthritis sein.
Manche Heilanwendungen erfordern auch eine Portion Mut. In Covasna gibt es eine sogenannte Mofette, eine "Sauna" mit vulkanischen Gasen wie Kohlendioxid und Schwefel, die sich positiv auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirken. Die Patienten stehen bis zu 20 Minuten darin, während das schwerere Kohlendioxidgas um ihre Knie wabert und von der Haut absorbiert wird. Da das Einatmen des Gases tödlich sein kann, ist eine ärztliche Aufsicht dabei.
In den ringförmig um Siebenbürgen angeordneten Karpatengebirgen Făgăraș, Retezat, Bucegi und Piatra Craiului, dem Königsteingebirge, leben Wölfe, Luchse und Europas größte Braunbärenpopulation. Rund 5.000 Bären durchstreifen die Eichen- und Buchenwälder. Während der kommunistischen Periode boomte die Population, weil Diktator Nicolae Ceauşescu der einzige Mensch war, der jagen durfte.
Es gibt unterschiedliche Reservate, in denen Bären mit einem Ranger in der Wildnis beobachtet werden können. Das größte seiner Art in Europa ist das Bärenreservat im Stramba Tal nördlich von Zărnesti. Verschiedene Reisegesellschaften bieten Touren in die Reservate an, wie CN Tours. Wer nicht so scharf darauf ist, einem Bären in der Wildnis zu begegnen, besucht das Libearty Bear Sanctuary in der Nähe von Braşov (Kronstadt). Dort werden mehr als 70 Bären betreut, die aus Käfigen und Zirkussen gerettet wurden.
Der Erbe des britischen Throns besuchte Siebenbürgen 1998 zum ersten Mal und kehrt seitdem regelmäßig zurück, um sich für den Erhalt ländlicher Dörfer zu engagieren. Eine handvoll Bauernhäuser, die er gekauft und originalgetreu restauriert hat, sind über Transsilvanien Castle zu mieten.
Die Gästehäuser in den abgelegenen Dörfern Viscri im Kreis Brașov und Zalánpatak im Kreis Covasna sind mit farbenfrohen, lokal handgefertigten Holzmöbeln und Teppichen ausgestattet. Prinz Charles kann sogar Verwandtschaft mit dem berühmtesten Sohn der Region beanspruchen: laut Genealogen ist er über 16 Generationen ein Urenkel von Vlad Dracul.
Während die meisten siebenbürgischen Straßen mit Schlaglöchern gepflastert oder gar unbefestigt sind, ist die Transfăgărăş Straße das Gegenbeispiel. In den 70er Jahren auf Ceauşescus Befehl als Militärroute gebaut, schlängelt sie sich über die hoch aufragenden Berge des Făgărăş. Sie führt im Zickzack durch ein karges Tal zum Bâlea See und durch einen 900 m langen Tunnel, bevor es weiter durch die Wälder der Walachei geht. Aufgrund des starken Schneefalls in der Hochgebirgsregion ist die Straße nur ein paar Monate im Jahr geöffnet, in der Regel von Ende Juni bis Anfang Oktober.
Die Siebenbürger beginnen gern ihre Mahlzeit mit einem Schluck Palincă, einem Brandy, der traditionell aus Pflaumen hergestellt wird. Bei etwa 45 Prozent oder mehr, wenn es sich um die hausgemachte Version handelt, ist der doppelt destillierte Tropfen ein echter Rachenputzer. Er wird bei Raumtemperatur serviert und in einem mit einem herzlichen Noroc oder Egészségére genossen, dem Wort für “Prost” auf Rumänisch oder Ungarisch.
Wohlgemerkt, Palincă ist nicht nur der Starter für das Abendessen. Einheimische begrüßen gerne ihre Gäste damit und die meisten glücklichen Anlässe werden mit einem ordentlichen Schluck begossen. Wer jetzt neugierig geworden ist, hält nach Straßenständen mit dem hausgemachten Feuerwasser Ausschau oder stoppt in Teo's Distillery in Sighişoara, um unterschiedliche Obstbrände zu verkosten.
Auf einem bewaldeten Gipfel, verziert mit Türmchen und Türmen thront die Burg Bran - wie auf dem Umschlag des beliebtesten Vampir-Romans. Die Burg aus dem 14. Jahrhundert in der Nähe von Braşov ist ein echter Hingucker und zieht die Massen entsprechend an. Die wirklichen Wurzeln von Vlad waren allerdings in der alten Festung von Poienari in der Walachei, die der Fürst von versklavten Türken bauen ließ. Heute steht nur noch eine Ruine, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen ist, also ein Ziel für echte Hardcore-Fans.
Wer nicht durch Bran schlendern möchten, fährt 50 km südlich in das Bergdorf Sinaia. Das märchenhafte Schloss Peleş ist die größte Konkurrenz Neuschwansteins und wurde 1875 als Sommerresidenz für König Carol I. erbaut. Mit Bus oder Zug von Braşov (Kronstadt) aus, dauert die Fahrt etwa eine Stunde.
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Deutsche Fassung: Ines Wagner
Original-Artikel: Lara Brunt