Die Sterne zum Greifen nah? In vielen Teilen der Welt sieht man den Sternenhimmel aufgrund der Lichtverschmutzung praktisch nie. Aber dann gibt es noch die Dark Sky Communities mit atemberaubender Sternenkulisse. Und dorthin lohnt die Reise.
Obwohl auf der Erde bereits die entlegensten Ziele kartiert und erkundet sind, bleiben die Sterne hoch oben am Himmel jedoch für uns, zumindest physisch, unerreichbar. Kein Wunder, dass unser Firmament uns immer wieder aufs Neue fasziniert. Wir versuchen, mit bloßem Auge die geheimnisvoll anmutende Milchstraße zu erkunden. Lassen uns von Sagen, Überlieferungen und Zeichen, die in Sternbildern geschrieben sind, verzaubern und oft sogar leiten. Theoretisch lässt sich der Sternenhimmel an jedem Abend von jedem Ort der Welt aus beobachten. Wenn nicht die Lichtverschmutzung in den Ballungsräumen, aber auch in dichter besiedelten ländlichen Räumen, der Sternenschau einen Strich durch die Rechnung machte. Deshalb zieht es immer mehr Reisende in die entlegenen Winkel und dunklen Ecken der Welt. Dort, wo die Landschaft nur dünn besiedelt ist und die lichterfüllte Zivilisation weit entfernt liegt, leuchtet der Nachthimmel in ganzer Pracht. Kein Wunder, dass der “Astro-Tourismus” in den letzten Jahren boomt.
Im Jahr 2001 startete die International Dark Sky Association (IDA) das Programm International Dark Sky Places (IDSP). Es weist Gemeinden, Naturparks und Schutzgebiete auf der ganzen Welt aus, die aktiv daran arbeiten, die Lichtverschmutzung zu verringern und die Sichtbarkeit des Nachthimmels zu gewährleisten. Weltweit gibt es mittlerweile 120 ländliche oder städtische Parks, Reservate und Schutzgebiete, welche vom IDA anerkannt sind. Hinzu kommen zahlreiche sogenannte Dark Sky Communities (DSC), die sich anhand strenger Tests zur Messung der Lichtverschmutzung qualifiziert haben.
Allein in den USA gibt knapp zwanzig solcher Dark Sky Communities. Sie bieten Reisenden die Möglichkeit, fernab von Menschenmassen und der Lichtblendung der Großstädte den unverfälschten Nachthimmel zu genießen. Angeschlossen ist eine gute touristische Infrastruktur aus Hotels und Restaurants, die den Astro-Tourismus zum unvergesslichen Erlebnis werden lassen. Wir haben zehn der schönsten Gebiete zusammengestellt, bei denen sich vom Tagesausflug bis zum einwöchigen Kurzurlaub der unverfälschte Blick auf den sternenfunkelnden Baldachin genießen lässt.
Bereits im Jahr 2001 wurde Flagstaff die weltweit erste Dark Sky Community. Mit diesem Status wurden die frühen Bemühungen der Stadt anerkannt, die auf eine erste Verordnung im Jahr 1958 zum Schutz vor Lichtverschmutzung zurückgehen. Das war damals echte Pionierarbeit, denn Flagstaff erließ damit eines der ersten derartigen Gesetze auf der ganzen Welt.
Vom Buffalo Park über das Anderson Mesa bis zum Sunset Crater National Monument und der Flagstaff Station des US Naval Observatory gibt es in dieser charmanten Stadt südlich von Arizonas San Francisco Peaks zahlreiche Orte, an denen Astro-Touristen Stopps einlegen und die Sterne hell erleuchtet am Himmelszelt sehen können. Ein Ausflug nach Flagstaff beginnt jedoch nicht erst mit dem Nachthimmel. Wer einmal da ist, sollte keineswegs einen Besuch im Lowell Observatory verpassen, wo der Planet Pluto entdeckt wurde. Ein weiterer Höhepunkt ist der kilometergroße Meteor Crater, der als die am besten erhaltene Meteoriten-Einschlagstelle weltweit gilt.
Mit seinen lediglich rund 600 Einwohnern macht Beverly Shores im Sternenlicht das wett, was ihm an luxuriösen Unterkünften und Restaurants fehlt. Die kleine Stadt ist auf drei Seiten vom Indiana Dunes National Park umgeben. Mit seiner Lage an der Küste des Lake Michigan in Indiana ist dieser jüngste Nationalpark Amerikas ohnehin eine Reise wert. Das Beste: Beverly Shores liegt lediglich eine Autostunde südlich von Chicago und ist auch bequem mit der South Shore-Bahnlinie erreichbar. In den Wintermonaten glitzert das Sternenlicht bereits ab 16.30 Uhr über der frostigen Seeoberfläche, während der Sommer ideal für nächtliche Picknicks und Sternbeobachtungen am Strand ist.
Die Felsformationen aus rotem Sandstein im Verde Valley in Sedona, Arizona, locken seit Generationen Menschen in die Region. Nicht nur bei Wanderern und Mountainbikern ist das Tal beliebt. Wegen der magnetischen Energiewirbel ist das Wanderparadies auch bei spirituell Suchenden ein Muss. Nachts blendet der Himmel geradezu in seiner ursprünglichen, atemberaubenden Schönheit. Kein Wunder also, dass es im Verde Valley sogar vier Dark Sky Communities gibt. Jede von ihnen hat eigene, einzigartige Lieblingsplätze zum Beobachten der Sterne. Und obwohl das Gebiet zu weit im Süden liegt, um einen Blick auf Nordlichter zu erhaschen, schwören die meisten Besucher auf die einzigartige Energie, die dort spürbar sein soll.
Die erste Dark Sky Community befindet sich in der Nähe von Sedona. Dort lässt sich der Himmel vom Two Trees Observing Area abseits der Route 89A am besten beobachten. Die nächste Community befindet sich in der Nähe des Dorfes Oak Creek, das nördlich des Red Rock Country im Coconino National Forest liegt. Bei einer Fahrt entlang der Verde Valley School Road eröffnen sich herrliche Ausblicke in den nächtlichen Sternenhimmel. Entlang des Weges gibt es an zahlreichen Ausgangspunkten Parkmöglichkeiten.
Wer unterm Sternenhimmel schlafen möchte, mietet sich in Camp Verde für die Nacht in einem der Sternenkapseln ein. Der Nachthimmel entfaltet sich in seiner ganzen Pracht über dem großen Bett, sodass Übernachtungsgäste gemütlich liegend die Sterne beobachten und unter den funkelnden Lichtern einschlafen können. Cottonwood ist bei denjenigen Sternenbeobachtern beliebt, die sich am Abend einfach eine Decke schnappen und im Freien sein wollen. Das Naturschutzgebiet Verde River Greenway State ist das ganze Jahr über Schauplatz für Sternenparties, wo sich Astro-Fans aus der ganzen Welt treffen.
New York hat die Hamptons, San Francisco hat das Weinland und Texas hat Hill Country, das beliebte Hügelland. Nur eine oder zwei Autostunden von Austin und San Antonio entfernt, ist die Gegend ein einfacher Tagesausflug oder angenehmer Wochenendausflug. Dripping Springs bildet das Tor zum Hill Country. Die meisten Besucher erkunden tagsüber die Landschaft auf den vielen Wanderwegen und schnappen sich nachts ein Teleskop. Ein Höhepunkt ist das Hamilton Pool Preserve, ein natürlicher kleiner See mit Wasserfall, in dem man sich je nach Jahreszeit abkühlen kann.
Dripping Springs war die erste Dark Sky Community in Texas, die das nahegelegene Wimberley Valley und die Horseshoe Bay dazu inspirierte, ebenfalls ihren unverfälschten Nachthimmel für Sternenbeobachtungen zu bewahren. Das Engagement von Dripping Springs für die Dunkelheit ist jedoch mehr als nur das Anziehen von Sternenguckern aus aller Welt. Der Mangel an Lichtverschmutzung bewahrt auch eine der schönsten Traditionen dieser alten Rancherstadt: sternenklare Nächte am Lagerfeuer.
In einer abgelegenen Ecke der Wüste Süd-Colorados und nur eine Autostunde von der boomenden Skistadt Telluride entfernt liegt Norwood. Eine günstige Kombination aus trockener Luft und tiefem Nachthimmel macht den Ort zum Traum für alle Sterngucker. In vielen Teilen des Landes trübt ein feuchter Dunst die Klarheit des Himmels. In Norwood stattdessen erleben die Besucher einen kristallklaren, funkelnden Sternenhimmel.
Was Borrego Springs so besonders macht? Es ist die einzige kalifornische Stadt, die vollständig von einem State Park umgeben ist und damit eine Bastion der Zivilisation für alle, die an der Einsamkeit der Anza-Borrego-Wüste ermüden. Wer mit dem Wohnmobil unterwegs ist, kann sich nach einer langen Nacht im Schein der Milchstraße im Wohnmobil-Resort Springs at Borrego ausruhen. Das Resort verfügt über ein kleines Observatorium mit Teleskop-Ausstattung für sternenbegeisterte Camper. California Overland bietet Campingausflüge und geführte Touren zu den Geheimnissen des Nachthimmels an. Teleskope, Ausrüstung, Mahlzeiten und fachkundige lokale Astronomen sind inklusive.
Nachdem der Capitol Reef National Park im Jahr 2015 zum International Dark Sky Park ernannt wurde, war es auch für die Stadt Torrey am Eingang des Parks sinnvoll, nach den Sternen zu greifen. Inzwischen verwandelt sich das gesamte Gebiet jede Nacht in ein sternenklares Naturwunderland. Von Torrey aus geht es weiter auf dem Highway 24 in die historische Stadt Fruita Rural. Fruita wurde ursprünglich in den 1880er Jahren besiedelt. Noch heute blühen die Aprikosenbäumen, die einst von einer Handvoll Pionieren angepflanzt wurden. Wenn die Früchte reif sind, können Besucher in den Obstgärten einen leckeren Snack für Wanderungen auf dem sonnigen Hickman Bridge Trail oder dem Gooseneck Overlook mitnehmen.
Umgeben von den Skipisten der Idaho Rocky Mountains, bietet Ketchum eine Fülle von Ganzjahres-Abenteuern. Flüsse, die schroffe Gipfel hinunterstürzen, locken in den wärmeren Monaten Fliegenfischer, Wildwasserfahrer und Wanderer, die den Adrenalinschub lieben, an. Im Winter ist die Gegend ein Eldorado für Skifahrer. Sobald die Sonne im Dark Sky Reserve von Central Idaho untergeht, zu dem auch die nahe gelegene Stadt Sun Valley gehört, stehen die Sterne im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Fotografen strömen aus aller Welt in die Gegend, um Kometen, Meteore und die sprudelnde Milchstraße einzufangen. Orte wie Knob Hill, Sun Valley Lake und Redfish Lake bieten fantastische Aussichten und als Bonus Reflexionen des Nachthimmels in den stillen Berggewässern.
Auch wer das Thunder Mountain Pootseev Nightsky besucht, erlebt das Wunder eines einzigartigen Nachthimmels. Diese Dark Sky Community umfasst das gesamte Kaibab Paiute Reservat der Native Americans und ist damit auch die erste und einzige Dark Sky Nation der Welt. Und da die Grenze des Reservats nur etwa 80 Kilometer nördlich des Grand Canyon National Parks liegt, ist Thunder Mountain Pootseev Nightsky eine herrliche Ergänzung.
Für einen Tagesausflug vom Grand Canyon eignet sich eine Fahrt mit den Linien 89-N oder 67-N in Richtung Vermilion Cliffs National Monument. Auch wenn der Nachthimmel das eigentliche Ziel des Ausfluges ist, lohnt es sich, schon tagsüber die herrliche Landschaft des Kaibab National Forest zu erkunden. Das Pipe Springs National Monument vermittelt Wissenswertes über die indigene und mormonische Geschichte dieses Ortes. Nachdem die Sterne sichtbar sind, entfaltet sich ein magischer Sternenhimmel. Campen kann man im Kaibab Paiute RV Park & Campground.
Nur etwa 50 Kilometer südlich von Chicago ist Homer Glen eine Oase der Ruhe im Vergleich zu den hellen Lichtern der Stadt - und gut miteinander zu kombinieren. Ein perfekter Start in einen Tag voller Sternenbeobachtung ist beispielsweise der Besuch im Adler Planetarium. Danach kann man die Stars und Sternchen auf der Bühne einer der Broadway-Produktionen von Chicago ansehen und sich daraufhin auf den Weg nach Homer Glen machen, um sich von den Sternen am Himmelszelt verzaubern zu lassen. Im Winter sieht man den Sternenhimmel am besten in frischen, klaren Nächten. Dann ist es gut, warme Kleidung und eine Decke dabeizuhaben.
Gefallen gefunden am Sternezählen? Klare Sicht in den Himmel gibt es nicht nur in den USA. Das Buch "Himmelleuchten: Der ultimative Travelguide für den Blick nach oben" führt an gute Sternguckerorte. Schau es dir doch hier einmal an.
Original-Artikel: Leandra Beabout/Lonely Planet international
Deutsche Fassung: Ines Wagner