Wer zwischen sattgrünen Baumwipfelkronen spaziert, gewinnt weit mehr als eine neue Perspektive. Schwindelfrei sollte man allerdings sein.
Die Wälder spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, den ganzen Planeten und alle seine Bewohner - auch uns - am Leben zu erhalten. Noch tiefer als bei einem Waldspaziergang kann man in ihre Welt eintauchen und ihre grüne Kraft spüren, wenn man sich in luftigen Höhen entlang der mächtigen Gipfel bewegt. Wem dort oben die Erfahrung zuteil wird, wie der Wald lebt und atmet, wird ihm die Anerkennung zollen, die ihm zusteht. Bei einer Wanderung zwischen den Dächern der Baumriesen verändert sich die Sicht auf ihre überlebenswichtige Aufgabe - und magische Schönheit.
Baumwipfelwege eröffnen Reisenden nicht nur eine neue Perspektive auf die Orte, die sie besuchen. Sie ermöglichen ihren Besuchern auf umweltverträgliche Weise in Augenhöhe mit Vögeln und anderen Wildtieren zu treten. Wer schwindelfrei ist und bereit für die aufregende Erfahrung, leicht schwankende Hängebrücken zwischen erhöhten Plattformen hoch in den Baumkronen zu überqueren, wird von den folgenden elf “Canopy”-Spaziergängen auf der ganzen Welt begeistert sein.
In fast 70 Metern über einer tiefen Schlucht in Ruandas Nyungwe Nationalpark bieten die 160 Meter lange stabile Hängebrücke und diverse Plattformen aus Metall einzigartige Aussichtspunkte. Von der Höhe aus lassen sich nicht nur die 13 unterschiedlichen heimischen Primatenarten wie beispielsweise Schimpansen erleben. Auch unzählige Vogel- und Schmetterlingsarten sowie zahlreiche andere Wunder der Fauna und Flora sind in diesem üppigen Nationalpark zu Hause. Den Baumwipfelweg erreicht man nach einer etwa einstündigen Wanderung auf dem Igishigishigi Trail. Er ist über eine geführte Tour für umgerechnet etwa 50 Euro zugänglich. Am Startpunkt werden von den Guides Wanderstöcke angeboten. Aufgrund des häufigen Regens auf dem Weg, der auch steile Abschnitte umfasst, empfiehlt es sich, diese Hilfe anzunehmen.
Wenn die Nacht in Rotorua, Neuseeland, hereinbricht, werden die Baumriesen im Redwood Nationalpark auf der Nordinsel mit Licht und Magie lebendig. Ein sanfter Aufstieg über eine kurvenreiche Rampe bringt die Besucher zur ersten von 27 Plattformen, die durch sichere, schwingende Brücken miteinander verbunden sind. Das erdige Aroma der Küstenmammutbäume und das stimmungsvolle Licht hängender Laternen verstärken das märchenhafte Erlebnis, in bis zu 20 Metern über dem mit Farn bedeckten Waldboden zu gehen.
Noch surrealer wird der Spaziergang durch die Projektion von Walen, deren Hologramme die Bandbreite der vielfältigen Ökosysteme Neuseelands symbolisieren. Wer Glück hat, sieht vielleicht sogar einen nachtaktiven Kiwi durch das Unterholz schießen. Im Nationalpark steht mit seinen fast 116 Metern der höchste Baum der Welt. Er ist 1.260 Jahre alt und sein Stamm hat einen Durchmesser von über 4,60 Meter. Kein Wunder, dass er nach einem Titanen der griechischen Mythologie benannt wurde: "Hyperion”. Der Eintritt zu den Redwoods Nightlights kostet etwa 17 Euro, geöffnet wird bei Einbruch der Dämmerung.
Der Baumhaus-Weg der Arbor Day Farm in den USA ist vielleicht nicht so hoch, aber er zelebriert mehr als die Schönheit und Notwendigkeit von Bäumen. Hängebrücken verbinden elf unterschiedliche Baumhäuser miteinander. Der Höhepunkt dieser Wanderung zwischen den Wipfeln ist ein riesiges, hängendes Trampolin, das erste seiner Art in Nordamerika. Ein Teil dieses Baumabenteuers wurde speziell für Rollstuhlfahrer entwickelt. Der Eintritt beträgt etwa elf Euro, Teile davon fließen in ein weltweites Baumpflanz-Projekt der Farm.
Angesichts der Sensibilität - und manchmal der tödlichen Gefahren - des ältesten Regenwaldes der Welt gibt es keinen besseren Weg, den Daintree Nationalpark in Queensland zu erkunden, als von oben. Etwa elf Meter über dem Boden können die Besucher auf den teils barrierefreien Wegen nach Kasuaren und Baumkängurus Ausschau halten, ohne das Wurzelsystem am Boden zu zerstören.
Ein 23 Meter hoher Turm führt auch über den Baldachin hinaus. Das Ticket im Wert von umgerechnet 24 Euro ermöglicht sieben Tage lang den Zutritt zum gesamten Daintree Discovery Center, einschließlich des Turms. Der Aereal Walkway im Daintree National Park wurde 1981 gegründet und 1998 zum Weltkulturerbe erklärt.
Die Wunder des Waldes und der Architektur vereint gekonnt der ungewöhnliche Baumwipfelpfad Schwarzwald. Er schlängelt sich über eine Strecke von 1.250 Metern auf einer Höhe zwischen acht und 25 Metern über dem Waldboden. Herzstück ist der 40 Meter hohe Aussichtsturm. Auch Rollstuhlfahrer und Familien mit Kinderwagen können bei einer sanften Steigung von sechs Prozent problemlos entlang der Spiralkonstruktion in die Höhe gelangen und die Aussicht genießen. Der Eintritt beträgt elf Euro.
In diesem ersten Baumwipfelweg Costa Ricas gibt es Hängebrücken in sagenhaften 70 Metern Höhe, die bis zu 236 Meter lang sind. Sie ermöglichen Besuchern des Monteverde Sky Walks, die Breite der Artenvielfalt auf allen Ebenen des Regenwaldes zu erleben. Einheimische Naturführer vermitteln interessante Einblicke in die reiche Artenvielfalt des Regenwaldes und seiner Fauna und Flora. Affen und farbenfrohe Tukane gehören zu den vielzähligen Tieren, die den üppigen Dschungel ihr Zuhause nennen. Der Eintritt kostet etwa 35 Euro. Es gibt einen weiteren Sky Walk in Arenal.
Als Anfang 2019 Buschbrände Tasmanien verwüsteten, wurde der Tahune Airwalk glücklicherweise so weit verschont, dass er Ende des Jahres wieder geöffnet werden konnte. Gäste betrachten dieses UNESCO-Weltkulturerbe aus einer Höhe von fast 30 Metern über dem Waldboden und sogar 50 Metern über dem Huon-Fluss, während sie einen 619 Meter langen Weg entlanggehen. Dieser ist auch für Rollstuhlfahrer geeignet und sogar Hunde dürfen an der Leine Höhenluft schnuppern. Der Eintrittspreis liegt bei etwa 18 Euro. Den Airwalk zu gehen dauert weniger als eine Stunde, er ist täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet.
Wer den größten Regenwald der Welt, den Dschungel des Amazonas, besucht, sollte ihn unbedingt einmal aus jedem möglichen Blickwinkel betrachten. Der Canopy Walkway der Explorama Lodge in Peru bietet dazu die einmalige Gelegenheit. Er führt die interessierten Besucher auf einer Höhe von 35 Metern und über eine Distanz von einem halben Kilometer entlang von 14 der größten und eindrucksvollsten Bäume der Region. Aus deren Blätterwerk erklingen die Stimmen von unzähligen der 4.000 Vogelarten des Amazonas. Für Gäste der ExplorNapo Lodge in Explorama und der ACTS Field Station ist die Erkundung des Canopy Walkway inbegriffen.
Die in ihrer Größe beeindruckenden kalifornischen Küstenmammutbäume lassen sich am Mount Hermon auf den Baumwipfelwegen bestens erkunden. Der vielseitige Hochseilgarten fordert mutige und abenteuerlustige Besucher heraus, während sie die typischen einheimischen Riesenbäume des Staates kennen und schätzen lernen. Hoch oben zwischen den Kronen der Baumriesen befinden sich mehrere Wege und Stationen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade - von schwingenden Baumstämmen bis zu gigantischen Kletternetzen. Für umgerechnet knapp 70 Euro können Besucher die unvergleichlichen Santa Cruz Mountains in Kalifornien von oben betrachten - in Gelassenheit oder mit hoch gepeitschtem Adrenalinspiegel, je nach Belieben und Fähigkeiten.
Die Singapurs Supertrees und der OCBC Skyway in den Gardens by the Bay sind weniger ein Fest der Natur als vielmehr ein Ausflug in die einzigartige Herangehensweise des Landes an Gegenwartskunst und Industriedesign. Die gigantischen, märchenhaft aussehenden Baldachine sind zwischen 25 und 50 Meter hoch. Der Gehweg selbst befindet sich unterhalb ihrer “Wipfel”, auf 22 Höhenmetern.
Neben den Marina Bay Sands und dem Panoramablick von Außen auf die Gärten bietet sich von diesen luftigen Spazierwegen aus ein herrlicher Blick auf Singapurs Schönheit. Der Zugang zum Skyway kostet etwa 5 Euro. In den Abendstunden, zwischen Einbruch der Dämmerung um 17 Uhr und 20.30 Uhr, wenn die Licht- und Soundshow läuft, sind die meisten Leute unterwegs.
Einer der klaren Vorteile, wenn man ein Zimmer in der Borneo Rainforest Lodge bucht, ist der freie Zugang zum Tree Top Canopy Walk. Der Fußweg führt die Besucher auf 22 Metern über dem Dschungelboden über eine Länge von 183 Metern durch den 130 Millionen Jahre alten unberührten Regenwald Borneos. Luftige Brücken hängen zwischen fünf gigantischen Bäumen mit jeweils einer eigenen achteckigen Aussichtsplattform.
Das Geschrei der Vögel und Affen und auch das Aufblitzen anderer einheimischer Wildtiere zwischen den üppigen Gewächsen lassen die Besucher tief in die abgelegene Dschungel-Atmosphäre eintauchen. Die Lodge organisiert Führungen für ihre Gäste. Außerdem bekennt sie sich zu umweltfreundlichen Richtlinien und unterstützt den Schutz der Orang-Utans.
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Original-Artikel: Ali Wunderman/Lonely Planet international
Deutsche Fassung: Ines Wagner