Die Skandinavier schaffen es, mit nur einem Wort ganze Gefühlslagen auf den Punkt zu bringen. So sehr das dänische Wort „hygge“ für wohlige Atmosphäre steht und man schon beim Klang förmlich den Kamin knistern hört, so sehr macht einem die „Flygskam“ (Flugscham) ein schlechtes Gewissen. Denn dass Flugreisen der Umwelt schaden, ist unbestritten. Dennoch will Reisebloggerin Christine Neder nicht ganz darauf verzichten.
Greta Thunberg ist meine Heldin. Ich finde es bewundernswert, wie sie auf das Thema Klimaschutz aufmerksam macht. Doch leider braucht es nicht eine Person, sondern Millionen, am besten Milliarden, die ihren Beitrag dazu leisten. Beim größten Klimastreik dieses Jahr sind weltweit Hunderttausende auf die Straßen gegangen und haben gezeigt, dass sie etwas ändern wollen. Auch ich.
In meinem Klimaschutz-Zeugnis würde momentan stehen: Christine erledigt seit 20 Jahren die Aufgaben als Vegetarierin mit äußerster Sorgfalt und Genauigkeit. Besonders bemerkenswert ist ihre Umstellung auf vegane Kost vor vier Jahren. Sie zeigt hohes Engagement, wenn es um Second Hand Kleidung geht und erfüllt in vollem Maße die Anforderungen im Bereich Zero Waste. Außerdem leistet sie überdurchschnittliche Arbeitsqualität und Initiative bei der Herstellung ihrer eigenen Reinigungs- und Kosmetikprodukte und versucht ihren Mitmenschen stets ein Vorbild zu sein. Große Defizite hat sie jedoch beim Thema CO₂-Emission.
Ja, ich fliege noch. Und es fühlt sich im Hinblick auf das Klima zunehmend schlecht an. Aber es hat auch so viele positive Nebeneffekte, auf die ich nicht verzichten kann und will. Ich liebe es, diese Welt zu entdecken. Es hat mich zu dem Menschen geformt, der ich bin. Keine TV-Dokumentation vermittel das Gefühl von Freiheit, das ich empfinde, wenn ich beim Sonnenuntergang barfuß unter Palmen tanze. Keine 3D-Brille kann authentisch das Schnorcheln über einem Korallenriff simulieren. Das Reisen schenkt unvergessliche Erlebnisse, durch die ich mich lebendig fühle.
Außerdem erkenne ich dabei meine Werte und wofür ich meine Stimme nutzen möchte: für Zero Waste und den Tierschutz. Nirgendwo bin ich derart gereift, wie bei längeren Aufenthalten an den fremden Ecken dieser Erde. Denn erst vor Ort entwickelt man ein wirkliches Verständnis für Menschen und Kulturen. Was auch nicht vergessen werden darf - viele Regionen leben vom Tourismus. Bräche er weg, gingen Existenzen zugrunde.
Trotzdem gestalte ich mein Reisen nachhaltig, suche meine Tipps über Ecosia, eine ökologische Suchmaschine, die ihre Gewinne verwendet, um Bäume zu pflanzen, buche Biohotels mit Ökostrom, unterstütze lokale Tourenanbieter und gehe in die Restaurants der Einheimischen.
Ich versuche unterwegs so wenig Abfall wie möglich zu produzieren und kompensiere über atmosfair meinen CO₂-Ausstoß durch eine Spende für Klimaschutzprojekte, um wenigstens irgendetwas auszugleichen.
Und man lernt dazu: Heute würde ich nie mehr drei Fernreisen im Jahr für je eine Woche buchen, sondern mich für eine Destination entscheiden und drei Wochen dort bleiben.
Es ist also gut, dass wir eine Greta Thunberg haben, die uns wachrüttelt. Doch wie hat die #plasticfree Instagrammerin Anne Marie Bonneau es treffend gesagt: „Wir brauchen nicht eine Handvoll Leute, die Zero Waste perfekt umsetzen. Wir brauchen Millionen von Menschen, die es unperfekt machen.“ Das Gleiche gilt auch für das Fliegen. Es muss nicht der totale Verzicht sein, sondern ein bewusstes Verhalten. Jeder kann seinen Beitrag leisten.
Text: Christine Neder, Fotografie: Christine Neder, Lilies-Diary.com
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