Der perfekte Trip Ost-IslandEisriesen hautnah erleben

Seehund beim Sonnenbaden auf dem Eis ©Matt Munro
Seehund beim Sonnenbaden auf dem Eis ©Matt Munro

Auf Entdeckungstour zu den verborgensten Ecken des nordischen Inselstaates: Bei einer Schlauchbootfahrt auf dem Jökulsárlón Gletschersee geht es vorbei an Eisschollen, schwarzen Sandstränden und relaxten Robben.

Wer aus dem Osten kommt, kann die weiße Masse des Breiðamerkurjökull, einem Ausläufer von Europas größtem Gletscher Vatnajökull, nicht verfehlen. Wie ein allmächtiges Eismonster windet er sich an Bergen und Moränen entlang, bis er mit voller Wucht auf den Jökulsárlón-Gletschersee trifft. Erst aus der Nähe merkt man dessen gigantisches Ausmaß. Die Bucht ist 300 Meter tief und damit Islands tiefster Punkt. In den frühen Morgenstunden versammeln sich die Hobby-Fotografen am Ufer, um mit ihren Kameras den Sonnenaufgang einzufangen, der die erhellten Eisberge im Wasser spektakulär spiegelt. Der Jökulsárlón entstand 1950, seitdem hat das Abschmelzen des Gletschers, der sich bis zu 910 Metern erhebt und ins weite Hinterland führt, rasant zugenommen. Jedes Jahr zieht sich der Breiðamerkurjökull rund 150 Meter zurück und gibt mit alarmierender Geschwindigkeit Eis ins Wasser ab. Dabei werden die schwimmenden Schollen entlang des Sees mitgezerrt – bis sie schließlich im Gezeitenkanal landen, der den See mit dem Atlantik verbindet. Von den Wellen zertrümmert, werden sie als kleine Eispartikel zum Strand zurückgespült. Wie Diamanten auf schwarzem Samt leuchten sie im Sonnenlicht. Deshalb auch der Name Diamond Beach.

Kapitänin Guðný Helgadóttir beobachtet das Wasser vom hölzernen Pier aus. Sie sucht den sichersten Weg, um die Besucher so nah wie möglich an die Gletscherzunge zu bringen. „Bei viel Wind rücken die Eisbrocken wie Schafe einer Herde zusammen, allerdings nicht heute“, sagt sie und zeigt auf den Hindernisparcours aus Eisbergen. „Durch die Bewegung des Gletschers verändert sich die gesamte Küstenlinie, wodurch ständig neue Formationen entstehen.“

Wer sie hautnah erleben möchte, muss hinaus aufs Wasser. Guðný tut dies jeden Nachmittag für die Ausflügler. Heute lenkt sie ihr Schlauchboot so, dass man einige erstaunlich schöne Exemplare fast berühren kann. Manche sind mit schwarzen Adern durchzogen – Reste vulkanischer Asche, die die Eisbrocken wie zerbrochene Spiegel aussehen lassen.

Guðný glaubt, dass jeder seine eigene Persönlichkeit hat. Der eine ähnelt einem Drachen, ein anderer einem Krahn oder einer Rakete. Der größte Brocken mag so hoch sein wie eine Kirche, dennoch sind in diesem Moment alle Augen auf die kleinsten Eisdiamanten gerichtet. Sobald nämlich die Sonne auf sie fällt, verwandeln die Stückchen ihre Farbe in Türkisblau und funkeln um die Wette. Während ein Schwarm Möwen über dem Boot kreischend umherfliegt, erklärt Guðný, warum es im arktischen Leben nicht immer so idyllisch zuging wie es gerade den Anschein macht. Jökulsárlón war der letzte Teil Islands, der Strom erhielt, und Guðnýs Familie musste lange Zeit jenseits der Zivilisation den Alltag in der rauen Natur meistern. „Die Flüsse waren zu gefährlich, um sie zu überqueren, also nahmen meine Vorfahren den Weg über den Gletscher“, sagt sie und bringt ihr Boot zum Halten. „Mein Urgroßvater ist im Eis verschwunden. Aber es gibt ein Sprichwort in Island: Was der Gletscher nimmt, gibt er auch wieder zurück.“

Als ob es eine nordische Gottheit soeben entschieden hätte, brechen in diesem Moment die Wolken auf und der Himmel färbt sich gold. Wildgänse flattern auf. Es ist Zeit für die letzte Bootsfahrt des Tages – hinaus zu Islands besonderen Schätzen, den natürlichen Kronjuwelen.

Unsere Reisetipps

  • Im Dorf Djúpivogur am Berufjörður liegt das Hótel Framtíð, untergebracht in einem renovierten dänischen Kaufmannshaus. Es gibt ein Fischlokal sowie eine gemütliche Bar mit antiker Orgel (DZ ab ca. 120 €; hotelframtid.com).
  • Guðný Helgadóttir ist die Kapitänin der Gletscherlagunen-Touren (icelagoon.is). Eine Schlauchbootfahrt auf dem See kostet ca. 75 € pro Stunde und ist im Zeitraum von Mai bis Oktober möglich.

Noch mehr tolle Tipps...

... zu Island findest du in der Oktober/November-Ausgabe 2018 des Lonely Planet Magazins. Wir nehmen dich mit ins Künstlerstädtchen Seyðisfjörður, besteigen die Berge von Borgarfjörður Eystri und wandern über den Gletscher des Vatnajökull Nationalparks.

Alle Infos zum Magazin findest du hier.

Text: Mike MacEacheran l Fotografie: Matt Munro

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