Genuss statt Fusel: Whisky, Gin, Rum und andere Spirituosen sind bei Kennern beliebt. Wir zeigen, wo die besten Hochprozenter herkommen und was sie ausmacht.
Weinanbaugebiete sind schon lange Anziehungspunkt für Reisende weltweit. Auch der Bier-Tourismus erlebt in den letzten Jahren einen Anstieg. Wer sich jetzt aber auf die Suche nach den originalen Herkünften bester Spirituosen macht, folgt einem neuen Boom - aus gutem Grund. Nicht umsonst wird vom Geist, vom Spirit, gesprochen, wenn es um Hochprozentiges geht.
Dann wird plötzlich klar, warum Tequila nicht als Shot gekippt wird oder der grüne Absinth aus der Verbannung zurückkehren durfte. Um einen torfigen Whisky oder einen süffigen Tawny-Port zu schätzen, muss er an der Quelle probiert werden - gerührt oder geschüttelt, mit einem Schuss Geschichte und einer Prise lokaler Kultur.
Unsere Reise führt von Pico Sours in Peru über Rum auf Barbados bis zu Gin in Wales. Hier sind unsere besten Tipps für die spirituose Entdeckertour.
Wird ein Schotte gebeten, seine Lieblings-Whiskys aufzuzählen, stehen garantiert ganz vorn auf seiner Liste einige Tropfen von der Insel Islay (ai-lah) in den Inneren Hebriden. Islay hat landschaftlich eine weichere Schönheit als Skye oder Mull. Das Außergewöhnliche auf Islay ist in den Destillerien zu finden, deren Namen oft mit kühnen schwarzen Buchstaben auf weißem Untergrund auf ein tosendes Meer hinausblicken.
Legendär sind die kraftvoll torfigen, mehrfach preisgekrönten Single Malts aus Ardberg, insbesondere der rauchige, komplexe 10-jährige Whiskey Ardberg TEN. Die Destillerie wurde 2015 einhundert Jahre alt und liegt im Süden der Insel, etwa fünf Kilometer nordöstlich von Port Ellen. Es gibt ein einladendes Besucherzentrum, in dem Besichtigungstouren und Verkostungen gebucht werden können.
Eine der kleinsten Destillerien Schottlands befindet sich ebenfalls auf Islay, sie heißt Kilchoman. Der gesamte Prozess erfolgt hier in Handarbeit, bis hin zum Abfüllen. Die 100% Islay-Whiskys von Kilchoman stammen aus heimischer Gerste. Die Besichtigungstour ist sehr informativ und die Verkostung großzügig. Es gibt auch ein gemütliches Café.
Eine der ältesten Destillerien auf Islay, Laphroaig, wurde 2015 sogar 200 Jahre alt. Die Destillerie mit ihren mehrfach preisgekrönten, reichhaltigen Whiskys bietet hochinteressante Touren. Das viereinhalbstündige Water-to-Whisky-Erlebnis beispielsweise führt die Besucher vom Torfabbau bis zum fertigen Whisky, bevor die Destillerie-Tour mit einer Verkostung abschließt.
Ein besonderes Erlebnis ist ein Besuch Islays in der letzten Maiwoche. Dann findet das einwöchige Fèis Ìle Festival statt. Bei diesem Islay Festival of Music and Malt öffnen die Brennereien ihre Tore mit speziellen Unterhaltungsprogrammen rund um den Whiskey. Dazu zählen auch die legendären Ceilidhs, Abende mit schottischer Dudelsackmusik und jeder Menge spirituoser und kulinarischer Köstlichkeiten. Rechtzeitig Unterkunft und Touren durch die Destillerien zu buchen lohnt sich.
Nur wenige Spirituosen haben einen so berüchtigten Ruf wie Tequila. Außerhalb von Mexiko wird Tequila paradoxerweise oft als Shot getrunken. Dabei hat dieses Getränk weitaus mehr zu bieten als das insbesondere in Deutschland verbreitete Party-Ritual mit Ablecken der salzbestreuten Handfläche samt Biss in die Zitronenscheibe. Echter Tequila wird aus dem fermentierten Saft der blauen Agave hergestellt, die im mexikanischen Bundesstaat Jalisco auf felsigen vulkanischen Böden wächst. Er wird am besten in kleinen Schlucken aus größeren Gläsern genossen, die sein Aroma richtig entfalten lassen.
Jeder echte Tequila-Liebhaber weiß, dass es drei Stufen des Alterns gibt: Blanco (rein, knackig und ungeplant), Reposado (weicher, für kurze Zeit in Eichenfässern gelagert) und Añejo (gealtert und komplex). Wer also in die Welt des Tequila eintauchen möchte, macht am besten eine Destillerie-Tour in Mexikos gleichnamiger Stadt oder in der Landeshauptstadt Guadalajara, die Besucher zu kleinen Produzenten in der sonnenverwöhnten Landschaft führt.
Der weltweite Durst auf Gin ist längst noch nicht rückläufig, im Gegenteil. Immer mehr Destillerien tauchen auf, mit immer kreativeren Produkten und Flaschengestaltungen, die einen Ehrenplatz auf dem Kaminsims verdienen.
Gin wird von den Briten seit Jahrhunderten geliebt und erreichte seinen Höhepunkt während der "Gin Krise" im frühen 18. Jahrhundert, die London buchstäblich in die Knie zwang. Die Regierung musste drastische Maßnahmen ergreifen, weil die Sterberate durch übermäßigen Alkoholkonsum zeitweise sogar die Geburtenrate überstieg.
Die Zeiten haben sich verändert und Gin ist längst kein billiger Branntwein mehr, sondern ein sorgfältig hergestellter, klassischer Geist. Es gibt kein besseres Beispiel für diesen außergewöhnlichen Wandel als das kürzlich eingeführte Gin-Unternehmen im Palé Hall, einem prächtigen viktorianischen Herrenhaus am Rande des Snowdonia Nationalparks in Wales. Es bietet sich an, dort ein Wochenende mit feinem Essen zu genießen und die Hänge des Mount Snowdon zu durchstreifen.
Dort wachsen in der idyllischen Landschaft die typischen Zutaten wie Heidekraut, Ginster und Wacholder. Dabei sollte ein Besuch der Snowdonia Destillery keinesfalls fehlen.
Am Rande der Wüste im Süden Perus liegt Ica. Die Stadt gilt inzwischen als der beste Weinbauort des Landes und als der wahre Geburtsort des Pisco, obwohl auch Chile diese Ehre beansprucht. Die Ursprünge der lebhaften, farblosen Spirituose stammen aus den frühen Tagen der spanischen Kolonie im 16. Jahrhundert.
Damals wurde Pisco bereits auf den Haciendas destilliert und an Seefahrer verkauft, die in den nahe gelegenen Hafen von Pisco kamen. Was damals ein billiger Fusel war, ist heute ein Premium-Destillat, das im Wesentlichen ein ungelöster, aus Traubenmost und Saft destillierter Weinbrand ist.
Richtig populär ist Pisco heute in seiner schaumigen Cocktailform und auch viel raffinierter: Pisco Sour wird mit Limette, Zucker und Eiweiß gemixt. In der von Weinreben gestreiften Region Ica öffnen eine ganze Reihe von Hacienda-Destillerien ihre Türen für Besucher - darunter auch die viel gelobte und preisgekrönte Bodega Tacamsa. In Cuzco rühmt das Mueso del Pisco die Tugenden des Nationalgetränks. Die Museumsbar verfügt über eine enzyklopädische Liste von Piscos.
Wessen Vorstellung von Portwein ein pappsüßes Gläschen zur Nachspeise bei den Großeltern zu Weihnachten ist, hat das gute Zeug eindeutig noch nicht ausprobiert. Dann wird es Zeit. Dazu lohnt es sich, zu den Portweinlodges zu fahren, die hoch und mächtig über dem Fluss Douro im Stadtteil Vila Nove de Gaia in Porto thronen.
Ein Besuch dort wird zur Reise zu den Anfängen der Portweinproduktion im 17. Jahrhundert, als britische Kaufleute den Wein nach dem Abendessen mit einem Schuss Brandy in ein Lieblingsgetränk verwandelten. Die großen Lodges laden zu Führungen durch Keller voller Fässer ein, zu Verkostungen und Abendessen auf Dachterrassen mit Blick auf das gegenüberliegende historische Zentrum.
Die Menge der unterschiedlichen Lodges ist ziemlich überwältigend und wer die Wahl hat, hat die Qual. Unsere Tipps sind die Lodge Taylor’s, die 1692 gegründet wurde, und Graham’s, ein ursprünglich in Großbritannien gegründeter Weinkeller. Beide Lodges bieten von ihren Hügeln aus einen atemberaubenden Blick über Porto. Prova ist unser Tipp in Ribeira in der Innenstadt von Porto. Inhaber Diogo mixt ein legendäres Port-Tonic.
"Geist-erwärmende, ideenverändernde flüssige Alchemie", beschrieb einst Hemingway wortreich den Absinth. Die Spirituose wurde von den Literaten um die Wende des 20. Jahrhunderts liebevoll als "Grüne Fee" bezeichnet. Wegen seiner vermeintlichen halluzinogenen Eigenschaften wurde Absinth für ein Jahrhundert verboten.
Der grellgrüne Schnaps mit Anisgeschmack wurde erstmals 1740 im Val de Travers destilliert, als der Ort Pays des Fées, Märchenland, genannt wurde. Das bewaldete Tal im Kanton Neuenburg reicht bis an die französische Grenze in der Nordwestschweiz und ist zauberhaft schön. Wenn Sonnenlicht auf der Oberfläche eines Baches funkelt oder durch das hellgrüne Blätterdach strömt, kann man die Feen fast tanzen sehen.
Die reizvollen Orte Fleurier und Môtiers beherbergen einige Destillerien und Cafè-Bars, auf deren Karte Absinth steht, sogar im Soufflé. Die Maison de l’Absinthe in Môtiers ist ein interaktives Museum, das der Geschichte und dem Erbe dieses starken Geistes gewidmet ist. Wer möchte, kann dort allerhand Wissenswertes rund um Geschichte, Eigenschaften und den Einfluss auf die Künstlerwelt von van Gogh bis Oscar Wilde erfahren - um danach an der Bar die Wirkung selbst auszuprobieren.
Jenever mag zwar den Spitznamen "Dutch Gin" tragen, aber diese beiden Spirituosen verdienen individuelle Anerkennung. Sicher, beide basieren auf Wacholder, sind mit unterschiedlichen Kräutern angereichert und enthalten Malzwein. Es gibt zwei unterschiedliche Typen Jenever: Oude (alter Stil mit einem höheren Anteil an Malzwein) oder Jonge (neuer Stil, leichter, mit einem geringeren Anteil an Malzwein).
Im späten 16. Jahrhundert wurde Jenever als Medizin verkauft und im Laufe der Jahrhunderte wurden alle möglichen Zutaten zusammengebraut, vom Getreide bis zur Melasse. Wer etwas tiefer in die Materie eintauchen möchte, ist im House of Bols in Amsterdam goldrichtig.
Das Jenever-Museum bietet interessante Einblicke in die Entstehung und den Destillationsprozess. Bei einem Probedrink lässt sich das Gehörte auch gleich bestens verarbeiten und herunterspülen. Das kleine Verkostungshaus Wynand Fockink aus dem Jahr 1679 bietet unzählige Jenevers zum Ausprobieren, darunter das spezielle "Boswandeling", oder auch "Geheimnis des Waldes". Dabei handelt es sich um eine Mischung aus jungen Genever, Kräuterbitter und Orangenlikör.
Der zu den Kleinen Antillen gehörige Inselstaat im Atlantik zieht die Besucher mit einer Vielzahl erstaunlicher Eigenschaften an. Die Sandstrände sind traumhaft, die bunte Küche paradiesisch und die Einheimischen entspannt.
Weitaus weniger bekannt ist, dass Barbados die Heimat einer der ältesten kommerziellen Destillerien der Welt ist. Die karibische Insel wird sogar als Geburtsort des Rums gehandelt. Barbados hat folglich nie aufgehört, seinen sirupartigen, goldenen Nektar zu feiern. Und tatsächlich ist die "Geschichte von Zucker und Rum", welche die historische Zuckerplantagen und Destillerien der Insel umfasst, auf der Liste der UNESCO-Welterbestätten erfasst.
Rum wurde im 17. Jahrhundert zuerst von Sklaven destilliert, die Melasse fermentierten, ein Nebenprodukt des Zuckerverarbeitungsprozesses. Wer sich für die Details interessiert, nimmt an einer Destillerie-Tour im Mount Gay Rum Visitor Center teil. Dessen ältere Rums gehören zu den besten auf Barbados.
Ebenfalls einen Besuch wert ist das traditionelle St. Nicholas Abbey. Das Herrenhaus im jakobinischen Stil ist eines der ältesten Plantagenhäuser der Karibik und ein Muss auf jeder Inselroute. Das Gelände umfasst das Great House, verschiedene Gärten und eine traditionelle, historische Rumbrennerei. Ein hauseigenes Café serviert leichte Mittagessen und der Blick über das üppig grüne Tal ist einfach atemberaubend.
Egal ob Cheesecake in New York, indisches Curry oder Pasta in Italien: Eine gute Grundlage ist das A und O für die hochprozentige Weltreise.
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Deutsche Fassung: Ines Wagner
Original-Artikel: Kerry Christiani/Lonely Planet international