Kaum einem Reiseverrückten wird es wirklich schwerfallen, die großartigsten Städte der Welt zu nennen. London, New York und Rio de Janeiro zum Beispiel werden auch in Zukunft eine große Anziehungskraft auf all jene ausüben, die das Fernweh umtreibt. Aber die lokale Trends im Auge zu behalten, die das Leben in diesen Städten so aufregend machen; das ist eine andere Geschichte.
Deshalb haben wir unsere Experten auf der ganzen Welt gebeten, uns die Viertel ihrer Heimatstädte zu verraten, die man unbedingt gesehen haben muss. Manche Viertel haben ihr Image über Jahre entwickelt, andere sind mitten in einem schnellen Umbruch - und alle sind genau jetzt einen Besuch wert.
Der Stadtbezirk Oltrarno auf der Südseite des Flusses Arno ist bisher eher als Künstlerquartier denn für seinen Hipster-Charme bekannt. Doch dank des Viertels San Frediano wird dem Bezirk nun neues Leben eingehaucht. Zwischen der Straße Borgo San Frediano und einem der letzten der alten Stadttore gelegen, ballt sich hier in engen Straßen und auf winzigen Gehwegen der lebendige Trubel auf engstem Raum.
Der erste Halt ist Gesto, wo die aufpolierte Vintage-Einrichtung wunderbar zu den leckeren Häppchen im Tapas-Stil passt. Ganz in der Nähe liegt die vermutlich beste Craft-Cocktailbar der Stadt: Mad Souls & Spirits. Hierher kommen die Locals in Scharen, um die Kreationen zu probieren, die von den beiden Kult-Alchemisten Neri Fantechi und Julian Biondi in ihrem Refugium, einem winzigen Raum mit Ziegelwänden und freiliegenden Kupferrohren, erdacht werden. Weiter den Borgo San Frediano hinunter stehen Fusion-Cocktails im Mittelpunkt: Hier bietet der japanische Hotspot Kawaii das erste Sake-Bar-Erlebnis in Italien.
Georgette Jupe ist eine amerikanische Autorin, die in Florenz lebt. Folge ihr auf Twitter: @girlinflorence
Wenn du tagsüber, während der Arbeitszeit durch Seongsu-dong schlenderst, steigt dir ganz sicher der Tintengeruch in die Nase, der aufgrund der vielen Druckereien, die hier auf Hochbetrieb arbeiten, schwer in der Luft liegt. Das industriell geprägte Viertel, das auch als das Williamsburg von Seoul bezeichnet wird, verdankt seinen neuen Ruf den vielen alten, vor dem Verfall geretteten Locations: verlassenen Lagerhallen und Fabriken, die in Cafés, Restaurants, Galerien und alternative Läden umgewandelt wurden.
Viele schreiben die Veränderungen insbesondere dem Ausstellungsraum und Café Daelim Changgo zu, dessen Betreiber die Verwandlung des Viertels 2011 angeführt zu haben. Mittlerweile haben ein Dutzend weitere Locations nachgezogen und den Stadtteil mit modebewussten Twentysomethings und ihren DSLR-Kameras bevölkert. Heute kannst du im Onion Cafe, Zagmachi oder OR.ER einen sortenreinen Kaffee schlürfen und dabei auch dich wirken lassen, wie hier Alt und Neu miteinander verschmelzen und etwas Wunderschönes hervorbringen.
Hahna Yoon ist eine in Seoul wohnhafte, zweisprachige Verlegerin und Autorin. Folge ihr auf Twitter: @hahnay
Eingebettet zwischen den Stadtvierteln Chiado und Santos sowie dem Parlament, an der Linie der Kult-Straßenbahn Tram 28 gelegen, befindet sich ein aus drei Straßen bestehendes Gebiet, das „Triângulo“ (das Dreieck) genannt wird. Niedrige Mietpreise in der Gegend haben eine neue Generation von Kreativen und Unternehmern angelockt, die die vom Verfall bedrohten gekachelten Gebäude in den Straßen Poço dos Negros, São Bento und Gaivotas nach und nach umfunktionieren und sich zwischen staubigen Antiquariaten und Restaurants im Familienbesitz ansiedeln.
Authentizität, Ursprünglichkeit und so gut wie keine Touristen – das sind die Hauptattraktionen des Viertels. Hier kannst du einen ganzen Nachmittag damit verbringen in den kleinen Geschäften zu stöbern, zum Beispiel im Buchladen für Reiseliteratur Palavra de Viajante, im Teefachgeschäft Companhia Portugueza do Chá und im Feinkostladen Mercearia Poço dos Negros. Für eine kleine Pause zur Stärkung lohnt sich ein Besuch im The Mill (tagsüber Café, nachts Bar) und im skandinavisch inspirierten Café Hello, Kristof.
Sandra Henriques Gajjar ist Reisebloggerin und lebt in Lissabon. Folge ihr auf Twitter: @TripprBlog
Dank seiner bunten Vergangenheit und obwohl es sich immer größerer Beliebtheit erfreut, ist es Kopenhagens coolstem Viertel bisher gelungen, seinen Charakter zu bewahren. Im pulsierenden Vesterbro findet man die beste Straßenkunst der Stadt. Außerdem ist das Viertel voller cooler Independent-Läden, Straßenmärkte, Restaurants und Bars.
Nach Vesterbro sollte man hungrig kommen. In Cafés wie Mad & Kaffe und Granola gibt es einen fantastischen Brunch und das alte Schlachthofviertel Kødbyen (ein ganz besonderes hippes Fleckchen inmitten des Stadtteils) und der neu eröffnete WestMarket sind vollgepackt mit Versuchungen für Feinschmecker. Durstig? Liebhaber von Craftbeer können sich in den Brauereien Mikkeller und Fermentoren durch die lokalen Produkte probieren.
Die Kopenhagenerin Caroline Hadamitzky ist Autorin für Reiseliteratur und Fremdenführerin. Folge ihr auf Twitter @lovelivetravel
Den wenig sexy klingenden Namen ignoriert man am besten einfach - denn Business Bay ist dabei, eines der aufregendsten Viertel Dubais zu werden. Die einst seelenlos wirkende Fläche mit nur halb fertig gebauten Bürotürmen – eine Begleiterscheinung der weltweiten Finanzkrise von 2008 – erfindet sich als Freizeit- und Erholungsgebiet am Ufer neu.
Das Viertel grenzt im Norden an das glamouröse Downtown Dubai und wird durch den Dubai Canal geteilt. Auf der 12 km langen Promenade kann man ganz entspannt flanieren während Fähren nach Süden in die Dubai Marina und nach Norden in den Al Fahidi Historic District vorbeischippern. Es braucht bestimmt noch ein paar Jahre, bis sich die Dinge hier entwickeln, denn Parks, Spielplätze, Marinas, Hotels, Cafés und Boutiquen siedeln sich gerade entlang des Kanals an. Abseits des Ufers ist die Bay Avenue bereits jetzt das pulsierende Herz des Stadtteils. Hier gibt es zwanglose Restaurants, einen schönen Park und einen wöchentlichen Bauernmarkt während der kühleren Wintermonate.
Die Australierin Lara Brunt lebt in Dubai und ist Reise- und Lifestylejournalistin. Folge ihr auf Twitter @larabrunt
Der Stadtteil Bangsar mag bekannter sein, aber das neue Trendviertel ist definitiv Damansara Heights. Das Viertel, das zu den reichsten Adressen Kuala Lumpurs gehört, hat sich trotz der Neugestaltung in der jüngsten Vergangenheit seine Individualität bewahrt.
Die Straße Jalan Batai hat sich nach einem Facelift zu einer fußgängerfreundlichen Straße voller Speiselokale und kosmopolitischem Komfort entwickelt. Obwohl Kuala Lumpurs Trendsetter noch überzeugt werden müssen, sollte man dem Angebot hier unbedingt Beachtung schenken – zum Beispiel dem Restaurant Sitka, Ben’s Independent Grocer (inklusive einer großartigen Kaffee-Bar) und dem eleganten Grill- und Whiskey-Bar Torii . Auch der Plaza Damansara solltest du unbedingt einen Besuch abstatten. Das einst verfallene Gebäude bekommt heute durch schicke Läden und Lokale neuen Auftrieb, zum Beispiel durch die Konditorei Huckleberry, die Kneipe Skullduggery und das Flour, ein nordindisches Restaurant, das ein wahnsinnig gutes Biryani serviert.
Die Autorin Kong Wai Yeng lebt in Kuala Lumpur. Folge ihr auf Twitter @wyeng
Der Erfolg des riesigen Kunst- und Handelskomplexes Industrial City hat diesem bisher unbeachteten Viertel, das zu den spannendsten Brooklyns gehört, nun zu Bekanntheit verholfen. Unterhalb von Park Slope gelegen und im Süden und Westen an den Green-Wood Cemetery angrenzend, hält Sunset Park eine aufregende Mischung aus Kulturen und Traditionen bereit.
Im östlichen Teil befindet sich Brooklyns Chinatown mit zahlreichen Restaurants, Bubble-Tea-Läden und Boutiquen. Im Westen beheimatet eine große lateinamerikanische Gemeinde und wartet mit zahlreichen einladenden Bars auf, nicht zu vergessen die geschichtsträchtige Melody Lanes bowling alley. Im Zentrum des Viertel befindet sich der namengebende Sunset Park. Er liegt auf einer der höchsten Erhebungen Brooklyns und bietet den Einheimischen und Besuchern, die an Sommerabenden hierher strömen, eine spektakuläre Aussicht auf lower Manhattan.
Robert Balkovich ist Autor und Fan ginhaltiger Cocktails. Folge ihm auf Twitter @robertbalkovich
Niedrige Mietpreise und eine sehr gute Verkehrsanbindung haben Botafogo zum angesagtesten Stadtteil Rios gemacht und talentierte junge Köche, Unternehmer und Kreative tragen stetig dazu bei, dass das Nachtleben hier noch aufregender wird. Die Bewohner und Unternehmer im Viertel legen sowohl auf sowohl auf die Bewahrung der Ursprünglichkeit als auch auf Zusammenarbeit und Kooperation großen Wert und so kommen zu etablierten Locations wie den Bars Bukowski und Comuna flippige neue Concept-Bars und Mehrzweckräume hinzu.
Gastrobars wie das CoLAB und Void House of Food befriedigen die wachsende Nachfrage nach internationaler Küche und haben regelmäßig Köche aus aller Welt zu Gast, die alles von Ramen bis hin zu Streedfood aus Trinidad servieren. Andere beliebte Spots sind das WineHouse, das erstklassigen Wein zu bezahlbaren Preisen anbietet und das South Ferro, das hervorragende Gourmet-Pizza serviert werden.
Reise- und Food-Autor Tom Le Mesurier ist der Gründer von Eat Rio Food Tours. Folge ihm auf Twitter @eatrio_net
Auf der Fläche zwischen zwei der beliebtesten Stadtteilen Seattles nimmt langsam eine neues Viertel Gestalt an. Der Name „Frelard“ wurde von dem Besitzer der Frelard Pizza Company, dem Gastronomen Ethan Stowell aus Seattle geprägt und ist eine Neuschöpfung aus den Namen der benachbarten Viertel Fre(mont) und (Bal)lard.
Besucher, die von der Fremont Troll-Skulptur unter der George Washington Memorial Bridge zu den Chittenden Locks spazieren, können in Frelard eine Pause einlegen und ausprobieren, was die wachsende Szene an Restaurants, Bars und Brauereine zu bieten hat. The Leary Traveler heißt seine Gäste mit hausgemachten Cocktails und Sliders (Sandwiches) willkommen. Im Hale’s Ales, einer der ältesten Brauereien Seattles, kann man bei einem traditionellen Malzbier oder einem Indian Pale Ale entspannen. Es gibt auch zahlreiche Möglichkeiten zum Essen: In der bereits erwähnten Frelard Pizza Company oder im Giddy Up Burgers mit einer proteinreichen Speisekarte. Frelard ist der perfekte Ort, um nach einem Tag voller Sightseeing abseits von Seattles Touristenattraktionen neue Energie zu tanken.
Valerie Stimac aus Seattle ist Autorin für Reiseliteratur und Verlegerin. Folge ihr auf Twitter @Valerie_Valise
Tooting im Süden Londons hat sich in den vergangenen Jahren zu einem extrem angesagten Viertel entwickelt und hat auf dem Weg dahin trotzdem nichts von seinem draufgängerischen Charme eingebüßt. Tooting liegt eingebettet zwischen den durchaus sympathischen jedoch ein klein wenig spießigen Stadtteilen Wimbledon, Earlsfield und Balham.Tooting ist eine wesentlich fesselndere Angelegenheit – es begeistert mit Multikulturalität und unverfälschter Ursprünglichkeit. Die Hauptstraße, die sich zwischen zwei Tube-Haltestellen erstreckt, ist einer der besten „curry corridors“ im Land und bietet erstklassige asiatische Restaurants wie zum Beispiel Dosa n Chutny und Apollo Banana Leaf.
Einkaufen geht man am besten im Tooting Market, der wirklich für jeden Geschmack, Anlass und Geldbeutel etwas zu bieten hat. Wer schräge Pubs mag, sollte sich The Castle, The Antelope und The Little Bar nicht entgehen lassen. Und für etwas Entspannung und Erholung vom Trubel sorgen die Tooting Commons mit über 80 Hektar Grünfläche. Hier findet man auch das Tooting Bec Lido, das größte Freibad Großbritanniens.
Will Jones ist ein Autor aus London. Folge ihm auf Twitter @willjackjones
Veröffentlichung: August 2017, Übersetzung: Timea Farkas, Franziska Kammleiter / Lonely Planet Deutschland